Ahmad Mansour über Gaza und Israel: Dieser Krieg wird auf Social Media geführt

Weiden. Ahmad Mansour warnt bei einem Vortrag in Weiden vor "hybrider Kriegsführung" des islamistischen Terrors. Im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg und Israel ergieße sich auf Social Medias ein "Tsunami an Desinformation".

Ahmad Mansour bei seinem Vortrag in Weiden. Foto: Helmut Kunz

Der Nahost-Experte, bekannt aus zahlreichen Talkrunden im TV, ist am Mittwoch in Weiden zu Gast. Die Veranstaltung hat die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit organisiert, unterstützt vom Kulturamt der Stadt Weiden und der Katholischen Erwachsenenbildung. Die Aula der FOS/BOS ist mit über 270 Besuchern sehr gut gefüllt. Schuldirektorin Gabi Dill ist gern Gastgeberin, die FOS/BOS hat eine israelische Partnerschule: „Kein Land der Welt ist gastfreundlicher.“ Matthias Langer (GCJZ) begrüßt Mansour: „Helfen Sie uns, Licht in die Situation zu bekommen.“

Ahmad Mansour wuchs als Araber in Israel auf, davon gibt es rund zwei Millionen. „In meiner Familie bin ich gelehrt worden: Juden sind unser Unglück.“ Der Großvater hat 1948 gegen den neu gegründeten Staat Israel gekämpft. Mansours Vater (geboren 1946) wächst nach diesem verlorenen Krieg unter dem Eindruck der Nakba-Vertreibung der Palästinenser auf. Er geht später in die USA, andere Angehörige fliehen in umliegende arabische Länder. Die Familie verliert viele Grundstücke. „Ich sage das nicht, um anzuklagen. Es ist Teil meiner Identität“, sagt Mansour (49).

Ahmad Mansour selbst radikalisiert sich mit 13 Jahren als islamistischer Muslimbruder. „Ich habe jeden Anschlag auf Israel gefeiert.“ Als er zum Studium nach Tel Aviv zieht, vollzieht sich ein Wandel: „Statt Juden zu hassen, habe ich sie kennengelernt und bemerkt: Diese Feinde sind gar keine. Es sind Menschen wie Sie und ich.“ Als junger Mensch begeistert er sich für das Osloer Friedensabkommen, das mit der Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Rabin und der zweiten Intifada, dem Aufstand der Palästinenser, jäh endet. Als er 2003 auf den Straßen Tel Avivs in einen Terroranschlag gerät, wandert er mit seiner Familie aus: „Ich habe gesagt, es reicht.“

Man feierte ein wunderbares Multikulti. Aber zur Wahrheit gehört auch, die Herausforderungen zu benennen. Ahmad Mansour

Im Flugzeug notiert er seine drei Hoffnungen an Deutschland: Sicherheit, Wohlstand, Freiheit. In Deutschland bemerkt er verblüfft, dass viele Themen, die er hinter sich glaubt, hier noch stärker existieren. Etwa Antisemitismus: „Da geht es nicht um Kritik an Israel, da geht es um die Existenz Israels.“ In Neukölln startet er Projekte zur Demokratieförderung. Besonders gefragt ist er nicht. „Man feierte ein wunderbares Multikulti. Aber zur Wahrheit gehört auch, die Herausforderungen zu benennen.“

Bis zum 7. Oktober 2023. Mansour wacht davon auf, dass sein Handy vibriert. Terror gegen Israel – das war nicht neu. Aber in dieser Dimension – das war neu. Auf Telegram werden die Massaker live gestreamt. „Ich habe Sachen gesehen, die ich so gern vergessen würde“, berichtet Mansour. „Ich habe zu meiner Frau gesagt: Das wird die Welt verändern. Das ist unser 11. September.“

„Auf Instagram größte Kampagne der Menschheitsgeschichte“

1.200 zumeist israelische Zivilisten waren ermordet worden, „die meisten sogar links orientiert und für Palästinenser engagiert“. Bei den Juden sorgt das Massaker weltweit für Erschütterung: „Israel war gegründet worden, damit sich Juden nicht mehr in Schränken und Kellern verstecken müssen. Aber genau das ist passiert.“

Es folgt „ein Tsunami an Desinformation, an Fakenews und Emotionalisierung über Social Media“, sagt Mansour. In der Öffentlichkeit seien die israelischen Geiseln völlig vergessen gemacht worden. Ursache-Wirkung werden verdreht, so Mansour. „Dabei würde es die Situation im Gaza-Streifen ohne Hamas nicht geben. Wir haben das vergessen – weil die dafür gesorgt haben, dass wir es vergessen.“ Unerwähnt blieben die Raketen, die von der Hisbollah am 8. Oktober 2023 auf Israel abgefeuert wurden, die Raketen aus Syrien, aus dem Jemen, aus dem Irak… „Israel kämpfte um seine Existenz.“

Auf Instagram sei zeitgleich „die größte Kampagne der Menschheitsgeschichte“ gestartet worden. Milliarden Einträge würden diesen Krieg nur von einer Seite beleuchten. Jedes Bild werde genutzt, ob wahr oder gefaked, um Emotionalisierung zu erreichen. „Das ist hybride Kriegsführung.“ Fakten zählen nicht mehr. Erfolg hätten nur die, die Emotionen erzeugen. „Wenn ich ein Kind aus Gaza zeige, das leidet und weint, dann habe ich die Aufmerksamkeit.“ Komplexe Themen passen nicht in die wenigen Sekunden eines TikTok-Videos.

Es kamen 2015 ganz viele Menschen zu uns, die anders sozialisiert sind. In deren Ländern Israel nicht mal auf der Landkarte eingezeichnet ist. Es ist eine sehr naive Einstellung, dass diese Leute ihre Einstellung an der Grenze liegen haben lassen. Ahmad Mansour

Auf den Straßen von München und Berlin gingen Linksradikale mit Muslimen Hand in Hand, um den Terror zu verherrlichen, so Mansour: „Und ich rede von Hass auf Juden, nicht auf die Politik Israels.“ Der Antisemitismus komme von rechts, links, der Mitte und aus der muslimischen Community. „Es kamen 2015 ganz viele Menschen zu uns, die anders sozialisiert sind. In deren Ländern Israel nicht mal auf der Landkarte eingezeichnet ist. Es ist eine sehr naive Einstellung, dass diese Leute ihre Einstellung an der Grenze liegen haben lassen.“

Jetzt, zwei Jahre später, verändern manche Länder ihre Politik: „Man erkennt einen palästinensischen Staat an, den es nicht mal gibt.“ Macron, der nach dem 7. Oktober 2023 eine militärische Allianz gegen die Hamas angeregt habe, gehe es dabei nur um innere Ruhe. „Die Vororte von Paris entscheiden über die Außenpolitik der Republik.“

Ja, den Palästinensern wurde 1948 in der Nakba unrecht getan. Ja, der Krieg in Gaza ist hässlich. Jedes Kind, das stirbt, ist eines zu viel. Ahmad Mansour

Was kommt nach dem Gaza-Krieg?

Aus Sicht von Mansour sind die Hamas besiegt: „Man kann nicht auch noch den letzten erledigen.“ Er sei für einen Kriegsstopp, der aktuell an den rechten Koalitionspartnern in der Netanjahu-Regierung scheitert. „Ja, den Palästinensern wurde 1948 in der Nakba unrecht getan. Ja, der Krieg in Gaza ist hässlich. Jedes Kind, das stirbt, ist eines zu viel.“ Israel habe das Recht, sich zu verteidigen, aber auch die Pflicht, diese Menschen zu schützen. Denn: Es gibt ein danach. Man müsse in Frieden in der Zukunft nebeneinander leben.

Er hält das für möglich. „Wer dachte, dass eine Versöhnung Deutschlands mit Frankreich möglich ist? Dass ausgerechnet in Deutschland eine der besten Demokratien entsteht?“ Dazu brauche es einen Prozess der Demokratisierung und Re-Edukation. Die Zukunft der Palästinenser sieht er in Gaza und in Westbank. Eine Vertreibung in andere Länder würde nur den Hass am Leben halten und eine dauernde Gefahr bedeuten.

Der Wiederaufbau wäre nur möglich unter ganz anderer Verwaltung. Mansour würde arabische Länder wie Ägypten und Saudi-Arabien mit ins Boot holen, denen Israel lieber ist als der politische Islam. „Es braucht eine Weltgemeinschaft, die diesen Menschen hilft, aber das auch an Voraussetzungen knüpft – ohne Naivität.“

Fragen im Zuschauerraum nach Personenschutz und Presse

Die Fragen aus dem Publikum beschäftigen sich unter anderem mit der Motivation Mansours, öffentlich eine solch kritische Position einzunehmen. Er müsse ja sogar mit eigenem Personenschutz reisen. „Die dürfen das nicht gewinnen“, meint Mansour. Er appelliert an mehr Haltung: „Wenn Sie meinen, Sie könnten sich abends bei den Nachrichten ein bisschen aufregen, dann betreiben Sie mit Ihrer Passivität diese antidemokratische Haltung.“

Eine Zuhörerin ist ratlos angesichts „einseitiger Darstellung“ in Zeitungsartikeln, aber auch in öffentlich-rechtlichen Medien: „Ich verstehe das nicht. Ich verstehe die EU nicht mehr, auch die UN nicht.“ Mansour teilt ihren Eindruck von Manipulation. Er vermutet dahinter eine Art „Obsession“: „Die sehen in Gaza eine Entlastung, können sich von Schuld befreien, weil die Opfer zu Tätern geworden sind.“

Die Berichterstattung hält er teilweise für systematisch manipuliert. Man könne einen Artikel beginnen mit „Israel reagiert auf Huthi-Attacken aus dem Jemen“. Man könne sich aber auch bewusst entscheiden zu schreiben „Israel greift den Jemen an“.

Wenn Sie meinen, Sie könnten sich abends bei den Nachrichten ein bisschen aufregen, dann betreiben Sie mit Ihrer Passivität diese antidemokratische Haltung. Gesicht zeigen: Das sollten Sie öfter tun. Ahmad Mansour

Volle FOS/BOS-Aula:  Ahmad Mansour bei seinem Vortrag in Weiden. Foto: Christine Ascherl
Volle FOS/BOS-Aula: Ahmad Mansour bei seinem Vortrag in Weiden. Foto: Christine Ascherl
Ahmad Mansour in Weiden. Foto: Christine Ascherl
Ahmad Mansour in Weiden. Foto: Christine Ascherl
Ahmad Mansour bei seinem Vortrag in Weiden. Foto: Helmut Kunz
Ahmad Mansour bei seinem Vortrag in Weiden. Foto: Helmut Kunz
Volle FOS/BOS-Aula:  Ahmad Mansour bei seinem Vortrag in Weiden. Foto: Christine Ascherl
Volle FOS/BOS-Aula: Ahmad Mansour bei seinem Vortrag in Weiden. Foto: Christine Ascherl

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2 Kommentare

Martin Kühn - 30.09.2025

Danke für klare Worte! Israel ist nicht Täter (genozid…), sondern Opfer. Denn: legen die Terroristen wie Hamas und Hisbolla ihre Waffen nieder und lassen endlich die Geiseln frei, ist morgen Friede! Legt Israel die (Verteidigungs)Waffen nieder, wird es vernichtet! Gott jedoch beschützt „sein Volk“: wer Israel antastet, tastet Gottes Augapfel an!“ Christen: stellt euch Israel zur Seite – dann gilt euch: „wer Israel segnet, soll gesegnet sein!“ Martin Kühn, Forchheim (Pfr. in WEN-St.Michael 1987-95)

M. Bauer - 27.09.2025

Vielen Dank für die Veröffentlichung des Berichts über die Informationsveranstaltung.