Ampel-Fieber: Oberpfälzer FDP strahlt, CSU sieht Licht und Schatten

Weiden/Wiesau/Berlin. Ampel-Reaktionen Teil 2: Der Oberpfälzer FDP-Chef Ulrich Lechte bejubelt den Koalitionsvertrag. Weidens Bundestagsabgeordneter Albert Rupprecht (CSU) sieht immerhin Licht und Schatten – wie auch die CSU-Kommunalpolitiker Lothar Höher und Toni Dutz.

Die Oberpfälzer CSU beim Sommerfest noch in Feierlaune: mit Lothar Höher (Zweiter von links) und CSU-Bezirkschef Albert Füracker (Vierter von links). Archivbild: Jürgen Herda

„Der Koalitionsvertrag atmet die gemeinsame Partnerschaft, die wir in den letzten Wochen gewonnen haben“, beschreibt der Oberpfälzer FDP-Bezirksvorsitzende Ulrich Lechte das prima Klima zwischen Rot, Grün und Gelb. „Für mich als FDPler ist dabei besonders von Bedeutung, dass wir es geschafft haben, für alle Partner auf Augenhöhe die entsprechenden Inhalte in diesen Vertrag hineinzuschreiben.“

Bürgergeld und Aktienrente

Dazu gehörten etwa das Bürgergeld, das man als neue soziale Versicherung einführen wolle. „Auch die Aktienrente, die besagt, dass zwei Prozent des Sozialversicherungsbeitrags zur Rente künftig in Fonds angelegt werden – ein Einstieg in eine Kapitaldeckung“, nennt Lechte als liberale Errungenschaft. Das bisherige Mitglied des Auswärtigen Ausschusses freue sich auf die Kooperation mit der Schwandorfer SPD-Abgeordneten Marianne Schieder, „mit der ich auch schon die letzten vier Jahre sehr gut zusammengearbeitet habe“ und der neuen Grünen Kollegin Tina Winkelmann.

Auch die Ministerienauswahl sei gelungen: „Die FDP als Rechtsstaatspartei im Justizministerium, als Partei der Wirtschaft und Finanzen im Finanzministerium, im Bildungsministerium und dann auch noch zusätzlich im Verkehrs- und Digitalisierungsministerium – Volker Wissing will es die nächsten vier Jahre schaffen, endlich die Funklöcher zu beerdigen.“

Tierwohl-Label hilft bayerischen Produkten

Zustimmung auch vom Weidener FDP-Landtagsabgeordneten Christoph Skutella: „Das ist keine Koalition des kleinsten Nenners, sondern mit der Handschrift aller drei Partner.“ Der Sprecher für Umwelt und Verbraucherschutz sowie Landwirtschaft, Ernährung und Forsten sieht die Landwirtschaft „in ihrer ganzen Vielfalt vor großen Herausforderungen, „weil wir auch den Ansprüchen der Verbraucher gerecht werden müssen“. Das bundesweit einheitliche Tierwohl-Label, das er sich für ganz Europa wünsche, könne aber auch ein Pluspunkt für bayerische Produkte sein. „Das kann im Markt helfen.“

In puncto Fachkräftemangel könne eine moderne Einwanderungspolitik Abhilfe schaffen. „Nicht nur der Spurwechsel bei der Asylpolitik, auch das Einwanderungsgesetz auf Basis eines Punktesystems wie in Kanada birgt Chancen für unsere Region.“ Anders als manch anderer Liberaler begrüßt er auch die PV-Pflicht für neue Gewerbeneubauten: „Wir gehen mit der Photovoltaik nicht auf gute landwirtschaftliche Böden, sondern nutzen Gebäude, wo bereits Boden versiegelt wurde.“

Wohlfühlwolke statt Substanz

Weidens Bundestagsabgeordneter Albert Rupprecht (CSU) erkennt im Koalitionsvertrag „Licht und Schatten“. Sein Hauptkritikpunkt: „Das ist mehr Wohlfühlwolke als Substanz – zumal die Finanzierung vollkommen fehlt. Das hat es bisher nie gegeben, dass ein Koalitionsvertrag vorgelegt wurde ohne ein Finanztableau mit zu liefern.“ Auch Bezirkstagsvizepräsident Lothar Höher (CSU) sieht vor allem die Finanzierung als das große Manko: „Corona hat uns bereits und kostet uns noch viel Geld“, sagt Weidens zweiter Bürgermeister, „eine Verschuldung ohne Ende kann es nicht geben.“

Seine Sorge sei, dass Deutschland durch die Klimapolitik wirtschaftlich einen hohen Preis zahle. „Wenn wir unsere Produkte verteuern und die anderen nicht, verlieren wir unsere Anschlussfähigkeit.“ Die Lohn- und Stückkosten würden sich verteuern. Die Energiewende sieht er alles andere als unter Dach und Fach: „Wir bringen keine PV, keinen Wind, kein Nordstream auf die Reihe – wo sollen wir den Strom herbringen?“ Große Volkswirtschaften wie China oder Indien, würden nach wie vor Kohlekraftwerke bauen und weiter billig produzieren.

Höher drückt Ampel die Daumen

„Wir haben in der Medizin, beim Automobil und der Digitalisierung bereits den Anschluss verloren“, sagt Höher. „Wir bauen keine dritte Startbahn in München, die ich nicht unbedingt brauche, aber China baut 420 Flugplätze in den nächsten Jahren.“ Wenn ihn einer frage, was sein Enkel lernen soll: „Chinesisch.“ Deutschland sei zu satt und die EU zu schwach: „Wir brauchen einfache Entscheidungslinien, am besten wäre ein Neustart wie beim Computer.“ Der Paragraphendickicht werde immer verworrener, weshalb Baugenehmigungen immer länger dauerten. „Weiden als Oberzentrum hat ohne Gewerbegebiet keine Entwicklungsperspektive.“

Dennoch begrüßt der Kommunalpolitiker die Chance der Erneuerung in der Opposition: „Ich glaube, dass es gut ist, wenn die Verantwortlichkeiten wechseln.“ Die CDU könne sich regenerieren. „Merz ist zwar kein neues Gesicht, aber eine Übergangslösung, die die Union stabilisieren kann.“ Für die Zukunft wünscht er sich mehr junge Frauen in der Verantwortung.“ Als guter Demokrat drücke er aber auch der Ampel die Daumen: „Wenn die Regierung nicht erfolgreich ist, ist das Land nicht erfolgreich.“

Altschulden-Erlass schadet bayerischen Kommunen

Wiesaus Bürgermeister Toni Dutz (CSU) findet in den Passagen des Koalitionsvertrags, die die Kommunen betreffen, „wenig Konkretes, viel Altbekanntes“. Was ihn aufhorchen lässt: „Wenn man vor allem den überschuldeten Kommunen in Nordrhein-Westfalen die Altschulden erlässt, geht das zulasten des Länderfinanzausgleichs – und damit auch auf unsere Kosten.“

Er hätte sich den noch von der Groko ausgehandelten, aber von der SPD blockierten Passus gewünscht, dass Grundstückseigentümer, die an Kommunen verkaufen, steuerlich begünstigt werden: „Heute sagt sich der doch, ,ich bin doch nicht blöd, und zahle noch eine Strafsteuer, wenn ich verkaufe’.“ Das hätte dazu beigetragen, dass Gemeinden neue Baugebiete ausweisen könnten.

Entbürokratisierung: Am Ende immer das Gegenteil

Insgesamt trage aber der Vertrag „Gott sei dank in vielen Teilen die Handschrift der FDP“: „Keine Steuererhöhungen und, für uns ganz wichtig, eine liberale Wirtschaftspolitik.“ Man müsse allerdings abwarten, ob damit die ehrgeizigen Klimaziele umgesetzt werden könnten: „Die kann man nur erreichen, wenn die Wirtschaft floriert – mit bürokratischen Fesseln geht’s nicht.“

Geschmunzelt habe er über die Absichtserklärung, die Verwaltungen von Bürokratie zu befreien: „Das wird seit wir leben gefordert, das Ergebnis ist immer das Gegenteil.“ Das Ampel-Programm biete jedenfalls genügend Punkte für konstruktive Oppositionspolitik. „Die ist genauso wichtig wie die Regierung.“ Die Union sei in einer Findungsphase, die man ihr zugestehen müsse. „Viele Leute hätten im Wahlkampf sachliche Alternativen erwartet.“ Die müssten jetzt kommen.

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