Andreas Meiers Zwischenbilanz: Zehn Jahre Landrat von Neustadt/WN
Neustadt/WN. Als 24-Jähriger gelang Andreas Meier eine kleine Sensation: Er eroberte das rote Rathaus von Windischeschenbach und wurde jüngster Bürgermeister Bayerns. Auch mithilfe seines CSU-Netzwerks gelang ihm die Sanierung des krisengeschüttelten Porzellanstandorts. Eine Empfehlung für höhere Ämter: Teil 1.
Herr Meier, Sie wurden schon mit 24 Jahren Bürgermeister, mit 36 Landrat: Was war Ihr Antrieb, so früh in politische Ämter zu streben?
Meier: Ich wurde jüngster Bürgermeister mindestens in Bayern. Windischeschenbach war klassisch sozialdemokratisch mit 70 bis 75 Prozent. Keiner von der CSU hat seinen Hut in den Ring geworfen. Da habe ich gesagt, „wenn es keiner machen will, mach’ ich es“. Der JU-Vorsitzende hat darauf gemeint: „So machen wir’s!“ – „Das war doch nur ein Witz“, habe ich geschluckt, „na, wenn’sd meinst!“ Es schien völlig aussichtslos, so hat das seinen Lauf genommen.
Ich war außer im Schachclub in keinem Verein und war eigentlich völlig unbekannt. Andreas Meier
Aber es war die richtige Zeit und die richtige Entscheidung. Ich habe mich nie nach Ämtern gedrängt. Ich finde es immer besser, wenn sie auf einen zukommen. Wie vor zehn Jahren, als Simon Wittmann, der die damals noch gültige Altersgrenze für Landräte erreicht hatte, am Rande einer CSU-Veranstaltung im Tirschenreuther Ketteler-Haus zu mir sagte: „Ich müsste mit dir reden.“ – „Bitte nicht …!“
Wie kam es zur Kandidatur als Bürgermeister?
Meier: Das war in der Zoiglstube beim Rudi Loistl in Windischeschenbach, als Simon Wittmann auf mich zukam. Ich hatte gesagt, ich kandiere nicht, wir sind raus auf den Gang, er sagte: „Wenn du es dir zutraust, mache es!“
Dann erklärst du es aber meiner Mutter. Andreas Meier zu Simon Wittmann, der ihn zur Kandidatur überredete.
Das war noch während des Studiums. Ich habe dann das Studium beendet, weil es nicht funktioniert hat, parallel nach Bamberg zu fahren. Ich kann nur lachen, wenn die Leute immer über Politiker schimpfen, die nie gearbeitet hätten. Denen sage ich dann: „Ich auch nicht, und, hat es uns geschadet?“
Wie war denn das Ergebnis bei der Überraschungswahl in Windischeschenbach?
Meier: In der Stichwahl hatte ich 56 Prozent gegen den Amtsinhaber Kurt Döllinger. Der ist leider ziemlich bald verstorben nach der Wahl. Windischeschenbach war damals in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage nach dem Niedergang der Porzellan- und Bleikristall-Industrie.
Sie sagten, Sie waren völlig unbekannt – sind Sie von Tür zu Tür gegangen?
Meier: Ich war nie ein Freund von Haustürwahlkämpfen. Ich möchte das selber nicht, dass fremde Leute vor der Tür stehen. Die JU war damals recht stark, wir haben einen frischen Wahlkampf geführt. Am Wahltag ein Packerl mit zwei Semmeln vor jede Haustür gehängt – und bei der Stichwahl das Gleiche nochmal mit Wienern und dem Spruch, „heute geht’s um die Wurst“. Fast der gesamte Stadtrat wurde damals ausgetauscht, viele Junge sind reingekommen. Das war meines Erachtens nicht wirklich eine Persönlichkeitswahl, die Leute wollten einfach einen anderen. Ich weiß das zu schätzen. Man ist privilegiert, das ist nichts Gottgegebenes.
Unser Echo-Franz, ein geborener Neuhauser, schwärmt immer davon, wie Sie als junger Bürgermeister Windischeschenbach saniert haben – wie haben Sie das angestellt?
Meier: Na ja, wir haben zumindest vieles auf den richtigen Weg gebracht. Aber wenn man am Boden ist, kann es nicht mehr nach unten gehen. Und ich hatte gute politische Unterstützer.
Simon Wittmann, der Stahl Schorsch, die Petra Dettenhöfer, der Kreisrat Eugen Schieder und der Bundestagsabgeordnete Georg Girisch. Die haben uns die Türen geöffnet. Gustl Lang und Staatssekretär Hans Spitzner haben uns bei der Kläranlage geholfen. Andreas Meier
Dann haben wir das erste Gewerbegrundstück in Neuhaus an der Autobahn gekauft. Keiner wollte damals was hergegeben. Es kam die erste Ansiedlung. Schritt für Schritt hat es sich dann gefügt. Wir haben 1500 Arbeitsplätze bei Bleikristall und Porzellan an der Jahrtausendwende verloren, hatten schon mal 7000 Einwohner, jetzt knapp unter 5000. Die Post hat zugemacht, in der Hauptstraße einer nach dem anderen. Als ich 2002 Bürgermeister wurde, kam ein Ehepaar zu mir, die beide ihren Arbeitsplatz verloren hatten. Sie hatten ein Haus gebaut, wussten nicht weiter – sie hatten bei mir im Büro Tränen in den Augen. Heute haben wir in der Stadt wieder über 1000 Arbeitsplätze.
Sie haben Germanistik mit Schwerpunkt Journalismus in Bamberg studiert. War die Politik von Anfang an ihr Berufsziel?
Meier: Es hätte alles auch anders kommen können. Vor dem Studium war ich beispielsweise beim Einstellungstest der Sparkasse auf Platz 4 – drei haben sie eingestellt. Wer weiß, ansonsten wäre ich Banker geworden. Und bei meiner Vorstellung beim Neuen Tag haben mir Hans Klemm und Clemens Fütterer gesagt: „Sie können nicht Bürgermeister werden, wenn Sie Journalist sind.“ Ich hatte aber auch schon immer einen Bezug zum Landratsamt, weil mein Vater Leiter des Sozialamts war. In meiner Schulzeit bin ich oft nach dem Gymnasium runtergegangen, und wir sind gemeinsam heimgefahren. Dass er dort sehr anerkannt und beliebt war, war sicher auch ein Türöffner.
Wenn Sie beide Tätigkeiten vergleichen, Bürgermeister und Landrat: Wo kann man mehr bewegen?
Meier: Beides bietet Gestaltungsmöglichkeiten. Ich war gerne Bürgermeister und bin genauso gerne Landrat. Man ist jetzt in vielen Gremien, Organisationen und Zweckverbänden, wie dem Rettungszweckverband, dem Tierkörperbeseitigungszweckverband – die holen die Schlachtabfälle. Die Kreise werden größer. Das Landratsamt ist einerseits kommunal, andererseits die untere staatliche Vollzugsebene. Wenn man sich die Gestaltungsfreiheit anschaut, ist der Wirkungskreis jetzt größer, die Themen sind ein Stück weit anders. Der Status von Landräten ist schon noch wertgeschätzt, der von Bürgermeistern genauso.
Dass ich auf die exzellente Arbeit eines Simon Wittmann habe aufbauen können, das hat vieles leichter gemacht. Andreas Meier
Es geht um die Kostenfreiheit des Schulwegs, den Rechtsanspruch auf Fahrtkosten zur nächstgelegenen Schule. Davon kann ich nicht abweichen, außer in sehr begrenzten Einzelfällen, wenn man zum Beispiel auf das musische Gymnasium nach Neustadt will. Aber grundsätzlich gibt es für staatliche oder gar europäische Mittel klare Vorgaben. Das Landratsamt ist für die überörtlichen Schulen zuständig – Berufsschule, Förderzentrum, Wirtschaftsschule, Realschule und Gymnasium. Dadurch, dass ich vorher Bürgermeister war, kenne ich die Probleme, und bin näher dran. Nur die Summen sind größer, die Baumaßnahmen sind schon eine andere Kategorie.
Ist die Landkreisreform von 1972 heute immer noch ein Thema? Bei Themen wie dem Streit um die KNO-Sanierung hat man schon den Eindruck, als würden die Vohenstraußer und Eschenbacher immer noch meinen, Wurzel allen Übels sei die Aufgabe der Selbstständigkeit?
Meier: Wenn es einen regionalen Konflikt gibt, dann ist der eher gegen Weiden gerichtet. Das sieht man jetzt wieder sehr gut bei der Debatte um die Strukturveränderung beim Krankenhaus in Tirschenreuth. Da sagen dann manche über das Oberzentrum, „die haben ja alles“. Ich glaube eher nicht, dass die Eschenbacher auf die Vohenstraußer neidisch sind.
Was sind Ihres Erachtens die wichtigsten Erfolgsfaktoren, die aus der armen Grenzregion einen wirtschaftlich prosperierenden Landkreis mit Global Playern und Hidden Champions gemacht haben?
Meier: Zum einen die Macher, die vorausgegangen sind, starke Unternehmerpersönlichkeiten, die für ihr Unternehmen leben, die bereit waren, zu investieren. Ein Peter Unger, ein Walter Winkler oder auch die Gebrüder Engel, um nur die wichtigsten zu nennen. Aber die Voraussetzungen sind auch durch Politik, durch Planungsprozesse, durch die Ausweisung von Industrie- und Wohngebieten geschaffen worden. Da haben die Gemeinden einen guten Job gemacht. Die Politik hat damals die OTH in der Region angesiedelt, die einen Nachwuchs an gut ausgebildeten Fachkräften garantiert. Und wir haben insgesamt eine stabilere Mischung, einen besseren Branchen-Mix, nicht mehr diese Monostrukturen. Deshalb verkraften wir es auch, wenn es mal knirscht.
Die meisten Einpendler kommen aus Weiden und Tirschenreuth, an dritter Stelle schon Tschechen: Was wären unsere Unternehmen ohne sie?
Meier: Man merkt es deutlich, wenn sie nicht mehr kommen, gerade in der Gastro-Szene. Wir merken aber auch, dass unsere Nachbarn mit attraktiven Bedingungen versuchen, die Leute im eigenen Land zu halten.
Die wichtigsten Ziele, die Meier als Landrat umgesetzt hat
Ein Anliegenwar dem noch jungen Landrat Andreas Meier die Weiterentwicklung der Schullandschaft im Landkreis. „Generell alles, was mit Bildung zu tun hat.“ Richtig begeistert sei er, was aus dem Gymnasium in Neustadt geworden ist. „Bei meiner Einschreibung war das noch finster, richtig bedrückend und abschreckend“, erinnert er sich. „Heute ist es modern, hell und freundlich. Wenn ich heute dort anfangen würde, hätte ich einen ganz anderen Eindruck.“ Das Sanierungsvorhaben habe er von seinem Vorgänger übernommen. „Wir bauen noch neue Schwimmhalle und noch eine Sporthalle.“
Ein zweiter wichtiger Vorsatz: „Den Katastrophenschutz noch vor Corona auf eine stabile Basis gestellt zu haben.“ In Kooperation mit dem Landkreis Tirschenreuth und der Stadt Weiden entstand in Neuhaus die gemeinsame Übungsanlage für Atemschutzträger der Feuerwehren – ein Schulungszentrum für verschiedenste Übungsszenarien. In der gleichen Halle betreibt der Landkreis ein modernes Katastrophenschutz-Zentrum. Der sich angliedernde Aufbau des „Bayerischen Zentrums für besondere Einsatzlagen“ (BayZBE) durch den Freistaat als Aus- und Fortbildungsstätte für Einsatzkräfte der unterschiedlichsten Organisationen aus ganz Bayern macht den Standort zu einem ganzheitlichen Bildungsstandort für Sicherheitsangelegenheiten.
Auch einige Gebäudeteile des Landratsamtes wie den alten Anbau, zu dessen Nebengebäude man früher alter Kobel gesagt habe, sei unter seiner Ägide generalsaniert worden. „Und das nicht nur in Neustadt, auch in den Außenstellen wie in Eschenbach oder das Marstallgebäude im Ensemble der Friedrichsburg in Vohenstrauß.“ Die ehemaligen Standorte der Altlandkreise sollten keinesfalls das Gefühl bekommen, nur Anhängsel zu sein.
Und auch wenn es ein Reizthema sei: „Bei der Neuordnung der Krankenhausstruktur war mir wichtig, dass wir durch die Angleichung der Anteile nicht nur ein Mitspracherecht bekamen, sondern sich Neustadt, Tirschenreuth und Weiden auf Augenhöhe begegnen und wir die Kliniken Nordoberpfalz gemeinsam und gleichberechtigt managen.“ Hätte man diese Struktur nicht verändert, wäre der Finanzierungsbedarf nicht zu stemmen gewesen: „Das können wir nur zu dritt, auch wenn es teuer ist.“ Deshalb sei die Fantasie, die aktuell gerade aus Tirschenreuth zu hören sei, man müsse das wieder in die eigene Hand nehmen, völlig wirklichkeitsfremd. „Keiner kann das allein.“
Man könne das hören wollen oder nicht: „Die Vorgabe aus dem Bundesgesundheitsministerium lautet, dass kleinere Krankenhäuser verschwinden, dass es große Zentren mit Satelliten außenrum geben soll. Dass bei uns das Zentrum das Klinikum Weiden ist und auch weiterhin sein wird, ist unbestritten.“ Man müsse deshalb schauen, was in Tirschenreuth und Kemnath noch möglich sei. „Wir hatten sieben Krankenhäuser, aber es ist unredlich zu behaupten, dass wir alle halten hätten können – es fehlte nicht nur das Geld, sondern auch das Personal.“ Man muss den Trägern auch nicht ständig erklären, dass Gesundheit nicht mit Geld aufzuwiegen sei: „Wir haben in den vergangenen fünf Jahren 130 Millionen Euro reingebuttert. Geld, mit dem ich in Neustadt eine Dreifachturnhalle bauen hätte können oder Weiden die Feuerwache.“
Wahr sei aber auch, dass der Landkreis Neustadt durch die Schließung von Vohenstrauß, Kemnath und Eschenbach und die Erhöhung der Anteile von 1,5 auf 33 Prozent seinen Anteil bereits überdeutlich geleistet habe. „Jetzt sind Maßnahmen in Weiden und Tirschenreuth an der Reihe.“ Und auch wenn es schade sei um jeden einzelnen Arbeitsplatz: „Der jetzige Stellenabbau im geschätzt mittleren zweistelligen Bereich, der nicht völlig zu vermeiden ist, ist kein Raubbau.“ Und es stimme auch nicht, dass Weiden das Klinikum zu Lasten Tirschenreuths saniere: „Das dortige Krankenhaus gehört zu Zweidritteln auch Weiden und Neustadt. Wir müssen endlich begreifen, dass wir eine Einheit sind, wie beim Rettungs- und dem Müllzweckverband.“
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