Arbeitsmarkt Nordoberpfalz braucht Rückkehrer, Zuwanderer und Künstliche Intelligenz

Weiden. Was für eine Wende: Noch vor 20 Jahren saßen Politiker und Arbeitsagenturchefs zusammen, um Jobs in die Region zu manövrieren. Heute grübeln Thomas Würdinger, Geschäftsführer der Arbeitsagentur Weiden, und die regionalen CSU-Abgeordneten, woher die Fachkräfte der Zukunft kommen sollen.

Fachkräfte händeringend gesucht: Thomas Würdinger (Zweiter von rechts), Chef der Arbeitsagentur Weiden, im Gespräch mit den regionalen CSU-Abgeordneten. Bild: Herda

Eine stolze Zahl, die Thomas Würdinger, Chef der Weidener Arbeitsagentur, bekanntgeben konnte: „Wir haben jetzt 88.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte – so viel wie nie zuvor in der Nordoberpfalz.“ Eine Zahl, die Würdinger mit Blick auf offene Stellen und kaum noch Beschäftigungslose mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachtet.

„Wir befinden uns an einem kritischen Wendepunkt“, sagt er. „Die Zahl der offenen Stellen schießt durch die Decke, das Potenzial, um sie nachzubesetzen, nimmt immer mehr ab.“  Es sei ein Impuls der Politik vonnöten, um die regionale Wertschöpfung weiter steigern oder wenigstens halten zu können. „Die Fachkräftezuwanderung ist dabei nur ein Thema, ein anderes großes Thema sind neue Techniken, um das zu kompensieren.“ Angst vor Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz müsse keiner mehr haben. Im Gegenteil: Das sei vielmehr ein Mittel, um die Wertschöpfung in der Region zu halten.

Rupprecht: „Grandios, was die Region geschafft hat“

„Fantastisch, super, ein Stück Wunder, das mit viel Anstrengung geschafft wurde.“ Weidens Bundestagsabgeordneten Albert Rupprecht (CSU) fallen bei der Beschreibung der hiesigen Arbeitsmarktlage nur Superlative ein. „Trotz Corona befinden wir uns in einer herausragenden Situation.“ Es gebe zwar immer noch Menschen, die aufgrund ihrer Biographie Probleme hätten, aber Arbeitslosigkeit sei kein politisches Thema mehr. „Das war vor 20 Jahren noch ganz anders“, erinnert er, „da fragten wir uns, haben wir überhaupt eine Zukunft?“ Damals schienen Arbeitsplätze im großen Stil nach Osten abzuwandern. „Es ist grandios, was die Region geschafft hat.“

Jetzt stehe man vor einer neuen Herausforderung. „Der Fachkräftemangel ist das drängendste Thema.“ Die geburtenstarken Jahrgänge träten in naher Zukunft in den Ruhestand, auf Sicht würden rund 13.000 Fachkräfte händeringend gesucht. „Ob Altenpflege, Krankenhaus oder Handwerk“, räsoniert Rupprecht, „ohne Fachkräfte können keine Aufträge angenommen werden – eine Wertschöpfung, die nicht stattfindet.“ Wie kann die Politik helfen? Zusätzliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigte seien nur im Ausland zu finden. „Das ist nur im europäischem Kontext zu lösen.“ Das Thema Zuwanderung müsse aber so organisiert werden, dass es sowohl für die Zuwanderer als auch die Einheimischen passe.

Doleschal: „Auf der Überholspur“

Auch Europa-Abgeordneter Christian Doleschal (CSU) kommt bei der Bestandsaufnahme ins Schwärmen: „Das war nicht nur eine Aufholjagd, wir befinden uns auf der Überholspur.“ Erstmals gebe es mehr offene Stellen als Arbeitslose. „Das ist jetzt auch de facto Vollbeschäftigung.“ Wie schaffe man es jetzt aber, dass die Arbeit auch künftig erledigt werden kann? Im Landkreis Tirschenreuth betrage der Anteil von Arbeitnehmern aus Tschechien bereits 9,8 Prozent. Auf Platz 2 folgten Beschäftigte aus Rumänien.

Doleschal plädiert dafür, diesen grenzüberschreitenden Arbeitskräfteaustausch über die Europäischen Verbünde für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) zu koordinieren. Auch Jugendarbeitslosigkeit sei bei immer weniger Schulabsolventen künftig kaum mehr zu befürchten. Im Umkehrschluss: „Junge Leute haben bei uns alle Perspektiven.“

Landtagsabgeordneter Tobias Reiß fordert ein Rückkehrer-Management. Bild: Jürgen Herda

Reiß: „Chancen für Rückkehrer sichtbarer machen“

Für den Tirschenreuther Landtagsabgeordneten Tobias Reiß (CSU) habe sich nicht nur das Image der Region drastisch verbessert. Auch die Problemstellungen hätten sich um 180 Grad gedreht: „Vor zehn Jahren ging es vor allem um Abwanderung – was haben wir über den demographischen Wandel diskutiert!“ Derzeit gehe es darum, wie man den Zuzug managen könne: „Die Heimatstrategie geht auf, die Behördenverlagerung wirkt sich positiv aus.“

Man habe das Selbstbewusstsein der Region auf ein neues Niveau gehoben: „Das muss sich weiter verfestigen, um den riesigen Bedarf von 10.000 plus x Fachkräften decken zu können.“ Man brauche ein Rückkehrer-Management: „Wie schaffen wir es, dass junge Menschen, die zum Studieren in die Metropolen gingen, ihre Chancen hier erkennen?“ Das müsse noch sichtbarer werden.

Oetzinger: Lebenslanges Lernen als Trumpf

Ein wesentlicher Faktor dafür, nicht mehr das Jammertal Bayerns zu sein, ist für den Weidener Landtagsabgeordneten Stephan Oetzinger (CSU) die Bildungspolitik. „Der beste Schutz vor dem Ersetztwerden durch Maschinen sind hohe Bildungsabschlüsse und Qualifikationen“, sagt er. Um jungen Menschen eine Perspektive in der Region zu bieten, brauche es neue Ideen, sagt er gegenüber OberpfalzECHO: „Wir brauchen Leuchttürme wie die Denkwelt, eine Art Google für die Oberpfalz.“ Faszinierende Arbeitswelten der Zukunft könnten die Binnenzuwanderung genauso ankurbeln wie die Attraktivität für ausländische Studierende erhöhen.

Die OTH sei jetzt schon Ausbildungslager für 200 Drittstaatler – für die Größe des Standortes beachtlich. Laut OTH-Kanzler Ludwig von Stern zögen besonders die englischsprachigen Angebote immer mehr Studenten aus aller Welt an. Aber nicht nur Hochschulausbildung, auch Fort- und Weiterbildung sei eine zentrale Aufgabe: „Wir müssen das lebenslange Lernen in die Köpfe bringen“, fordert Oetzinger. Um qualifizierte Fachkräfte ins Land zu bekommen, denke man in der Jungen Union schon länger laut über das kanadische Modell nach.

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