Auch auf dem Immobilienmarkt gelten die fundamentalen Gesetze der Kapitalmärkte – und der Wahrscheinlichkeit

Nordoberpfalz. Nicht selten werden auf den Finanzmärkten gerade bei Privatanlegern Wahrscheinlichkeiten für Extremereignisse völlig falsch eingeschätzt, was am Ende sehr teuer werden kann. So auch aktuell bei einem fünf Milliarden Euro schweren Immobilienfonds.

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Dr. Matthias Bernhardt arbeitet als Fondsmanager, Vermögensverwalter und Dozent für Finanzmathematik und Finanzmärkte. In seinen Tätigkeiten beschäftigt er sich täglich mit Themen rund um Finanzmärkte, Investmentstrategien und Kapitalmarktforschung. Auch bei OberpfalzECHO bezieht er ab sofort Stellung zu wirtschaftlich relevanten Fragen.

Kürzlich mussten Investoren des UniImmo Wohnen ZBI Fonds der Union Invest starke Nerven beweisen. Der Auslöser der herben Preiskorrektur um mehr als 20 % lag in einer geänderten Bewertungsmethode, wodurch sich eine 800 Mio. Euro Diskrepanz zwischen dem Marktwert der im Fonds gehaltenen Immobilien und deren Buchwert auftat.

Zwar wurde der Fonds als konservative Kapitalanlage verkauft, dennoch ist eine Kapitalanlage nicht risikofrei und Immobilien bilden auch hier keine Ausnahme.

Viele Investoren haben anscheinend im Vorfeld geglaubt, dass sich ausgerechnet Ihr eigenes Investment trotz Immobilienkrise nicht marktkonform verhalten werde, da der Fonds starke Mittelzuflüsse verzeichnete.

Dabei hat vieles dagegen gesprochen. In anderen Worten, die Wahrscheinlichkeit einer Korrektur war relativ hoch. Denn sowohl das makroökonomische Umfeld, das Marktumfeld als auch das Bewertungsumfeld zeigten deutliche und eigentlich offensichtliche Risiken auf. Aber auch Rating Agenturen haben auf die Gefahren hingewiesen.

Warum arbeitet man im Alltag (unbewusst) mit Wahrscheinlichkeiten und auf den Finanzmärkten blendet man sie aus?

In Summe wurde diese erhöhte Wahrscheinlichkeit der Abwertung jedoch von den Investoren ignoriert. Um das nachzuvollziehen, wechseln wir einmal vom Börsengeschehen zum Alltag.

„Es schaut nach Regen aus, ich nehme vorsichtshalber mal einen Schirm mit“. Was passiert hier gedanklich? Wir ordnen schlichtweg einem Ereignis (es wird regnen) unterbewusst und subjektiv eine Wahrscheinlichkeit zu.

Unterbewusst, weil niemand auf die Idee kommt, dieses völlig normale Denkverhalten mit Stochastik zu verbinden. Subjektiv, weil wir uns auf unsere Beobachtung und Erfahrung verlassen. Es gibt zahlreiche solcher Alltagsbeispiele, und obwohl wir unbewusst mit Wahrscheinlichkeiten jonglieren, ist es erstaunlich, wie wenig unser Gehirn intuitiv mit ihnen umgehen kann.

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Happy Birthday – Das Geburtstagsparadoxon

Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem Raum mit 59 anderen Personen. Wie schätzen Sie intuitiv die Wahrscheinlichkeit ein, dass sich in diesem Raum mindestens zwei Personen befinden, die am selben Tag Geburtstag haben? Ich gehe davon aus, dass Sie es für sehr unwahrscheinlich halten und schätzen die Wahrscheinlichkeit als sehr gering ein, richtig? Die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens zwei Personen in diesem Raum am selben Tag Geburtstag haben, liegt jedoch bei 99 %, wer hätte das gedacht.

Unsere Welt in Wahrscheinlichkeiten

Eine Überraschung ist die Differenz aus dem, was wir erwarten, und dem, was tatsächlich passiert. Je größer der Unterschied, desto größer auch die Überraschung. Beim Geburtstagsparadox ist vermutlich deutlich geworden – wir unterschätzen Wahrscheinlichkeiten.

Das, was wir erwarten, ist nichts anderes als die Kombination der möglichen Ereignisse und deren Wahrscheinlichkeiten. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass bei nur 60 Personen mindestens zwei Personen gleichzeitig Geburtstag haben.“ Also gehen wir davon aus (erwarten wir), dass es sich um eine sehr niedrige Wahrscheinlichkeit handelt. Wir sind deswegen so überrascht, weil der Unterschied zwischen unserem Ergebnis und dem Tatsächlichen so enorm ist.

Zugegeben, das Geburtstagsparadoxon ist nur ein Rechenexempel. Aber Fehleinschätzungen solcher Art können auch gravierende Folgen haben.

Von Alltagswahrscheinlichkeiten zurück zum Börsengeschehen

Eine falsch eingeschätzte Wahrscheinlichkeit kann nicht nur zu einer Überraschung führen, sondern auch richtig Geld kosten, wie wir es nun beim UniImmo Wohnen ZBI Fonds gesehen haben.

Die Investoren haben schlichtweg dem Ereignis einer Neubewertung und damit einem Preisverfall eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit zugeordnet, obwohl zahlreiche Warnsignale nicht nur vorhanden, sondern offensichtlich waren.

Was sollte man also jetzt tun?

Das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen und da Immobilienfonds in der Regel eine Kündigungsfrist und anschließende Sperrfrist haben, sind Anlegern im Moment die Hände gebunden.

Was sollte man künftig tun?

Wenn man weiß, wie man mit den am Finanzmarkt herrschenden Wahrscheinlichkeitsgesetzen umgehen muss, fällt so manche Überraschung kleiner aus. Oder mit anderen Worten: Wenn man weiß, wie man Wahrscheinlichkeiten richtig einsetzt, hat man langfristig ziemlich gute Karten auf den Finanzmärkten.

Und genau weil das menschliche Gehirn mit Wahrscheinlichkeiten nicht gut umgehen kann, sind hier spezielle Finanzmodelle gefragt. Damit meine ich aber nicht vorherzusagen, ob eine Aktie steigen oder fallen wird. Die Forschung zeigt zur Genüge, dass das langfristig nicht funktioniert. Vielmehr meine ich damit, seine Investmentstrategie gemäß einer wahrscheinlichkeitsbasierten Analyse auszurichten, die die Gesamtsituation im Blick hat. Das heißt nicht, dass man damit ein UniImmo-Fiasko sicher vermeiden kann, aber man kann zumindest die Wahrscheinlichkeit dafür stark reduzieren.

Anleger, die sich für derartige Investmentkonzepte interessieren, sollten unabhängige Vermögensverwaltungen aufsuchen. Solche Vermögensboutiquen haben sich in der Regel auf systematische und wissenschaftliche Anlagestrategien spezialisiert, die man bei der klassischen Anlageberatung bei Banken nicht erwarten kann.

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