Beeindruckende Gedenkfeier: 80 Jahre Befreiung des KZ Flossenbürg
Flossenbürg. Mit einer beeindruckenden Trauerfeier gedachten hunderte Teilnehmer am 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Flossenbürg an die Opfer. Einer der Redner war Ministerpräsident Markus Söder.

Bereits kurz nach seinem Eintreffen in der Gedenkstätte machte Ministerpräsident Markus Söder deutlich, dass das Treffen dieses Tages nicht nur ein Rückblick, sondern ein klares Signal sein soll. Das „Nie wieder!“ dürfe nicht nur Formel sein, sondern müsse umgesetzt werden. Söder erklärte, dass der Rechtsextremismus in Bayern stark bekämpft werde, es würden klare Maßnahmen getroffen. Staatsanwaltschaften und Polizei schritten bei Gewalttaten und antisemitischen Vorfällen ein.
Damit verbunden sei eine Erinnerungskultur, die sich mit der engen Verbindung zu jüdischen Gemeinden zeige. So solle in Zukunft auch festgeschrieben werden, dass für jeden Schüler und jede Schülerin in Bayern ein Besuch in einer KZ-Gedenkstätte Verpflichtung sein werde, um ein Bewusststein zu finden, was dort passiert ist.
Angehörige der zweiten Generation sprechen
Im vollbesetzten Zelt leitete das Kammerorchester der Universität Regensburg unter Leitung von Arn Goerke mit dem Lacrymosa aus der Totenmesse von Giuseppe Verdi den Festakt ein. Dann sprach Roman Katz als Angehöriger der zweiten Generation. Sein Vater war von 4. August 1944 bis 22. März 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg inhaftiert und trug die Nummer 15154. Mit der Verlegung ins Konzentrationslager Offenburg blieb seinem Vater der Todesmarsch erspart.
„Ich bin tief bewegt und dankbar hier heute sprechen zu können, weil diese Veranstaltung für mich und meine Familie, ebenso wie für andere Familien von großer Bedeutung ist“, sagte Roman Katz. Er beschrieb den Leidensweg seines Vaters durch mehrere Konzentrationslager. In der Familie sei wenig über den Holocaust gesprochen worden, erst auf dem Umweg über einen in den USA lebenden Onkel sei ihm dann über die Familiengeschichte mehr bekannt geworden.
Mit viel Mühe und dem Zusammenfassen vieler Puzzleteile sei es ihm gelungen, den Weg seines Vaters bis Flossenbürg zu erfahren. Im Sommer 2013 habe er eine Entdeckungsreise gemacht, die mit dem Lebensweg seines Vaters in Verbindung standen. Erst in Flossenbürg habe er dann mit Hilfe der dortigen Archivmitarbeiter Näheres von seinem Vater erfahren. Jetzt, nach zahlreichen Besuchen Flossenbürgs kenne er die außergewöhnliche Arbeit, die in der KZ-Gedenkstätte geleistet werde. Er sei auch beeindruckt, wie in der KZ-Gedenkstätte Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen in die Arbeit einbezogen werden.
Sechs Überlebende zu Gast
Der Leiter der KZ-Gedenkstätte, Dr. Jörg Skriebeleit, sprach mit nachdenklichen Worten über die aktuelle politische Lage. Die Welt scheine nicht mehr verlässlich und sicher zu sein. So lasse sich die überwältigende Anteilnahme an diesem Gedenktag erklären, meinte Skriebeleit. “Wir sind heute gefordert, unsere Ohren und Herzen zu öffnen.” Aus der ganzen Welt seien Besucher gekommen, darunter sechs überlebende Häftlinge des Lagers Flossenbürg, die Skriebeleit namentlich auflistete.
Zum Gedenktag reisten so viele Angehörige wie noch nie an: aus Kolumbien, Neuseeland, der Schweiz und aus Österreich, aus Polen und Frankreich, insgesamt aus über 20 Nationen. Den ehemaligen Häftlingen und ihren Familien gelte der erste Willkommensgruß. Skriebeleit hieß die Ehrengäste Ministerpräsident Söder, Kultusministerin Anna Stolz, Landtagsvizepräsident Tobias Reiß und Claudia Roth, Beauftragte des Bundes für Kultur und Medien, zudem Jiri Oberfalzer, stellvertretender Senatsvorsitzender der Tschechischen Republik, Flossenbürgs Bürgermeister Thomas Meiler sowie Vertreter des Zentralrates der Juden und der Sinti und Roma.
Ministerpräsident verspricht: Werden Antisemitismus nicht dulden
Ministerpräsident Söder hob hervor, dass an diesem Gedenktag nicht nur über die Schmerzen, die es vor 80 Jahre gab, gesprochen werde, sondern über die Verwundung der Seele, die nicht ende. Deshalb sei der Termin in der KZ-Gedenkstätte für ihn als bayerischer Ministerpräsident nicht nur Pflicht, sondern ein ganz persönliches Bekenntnis. Aktuell geschähen Dinge, die vor 10 oder 20 Jahren als unvorstellbar gesehen worden wären.
Es sei die zentrale Aufgabe, jede Art einer Wiederholung dieser Ereignisse zu verhindern. Die Aussage, das darf sich nicht wiederholen, dürfe nicht zu einer bloßen Formel werden, forderte der Ministerpräsident deutlich. Antisemitismus in Deutschland nähme zu. „Mit dem Schweigen am Anfang beginnt ein Prozess, in dem böse Worte zu bösen Taten werden.“ Er versicherte dem Staat Israel die Unterstützung, auch wenn nicht alles gut geheißen werden müsse, was Israel umsetzt. „Wir stehen zum Staat Israel“, sagte der Ministerpräsident. „Wir wehren uns dagegen, dass Menschen angegriffen werden. Wir werden im Freistaat Bayern alles tun, dass dieses Schutzversprechen umgesetzt wird.“
Nach KZ zwei Jahre im Krankenbett
Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, hob die Notwendigkeit hervor, auch 80 Jahre nach Kriegsende mehr denn je die Erinnerung wachzuhalten. Wer als führender Rechtsextremist eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ verlange, verhöhne den großen Theologen Dietrich Bonhoeffer und beleidige alle Mordopfer in den Konzentrationslagern.
Malgorzata Sciborowska, Angehörige der dritten Generation, sprach von ihrem ersten Besuch in Flossenbürg im Jahr 2017. Das war der erste Moment, als sie mit eigenen Augen den Ort sehen konnte, der mit der Familiengeschichte so eng verbunden sei. Denis Meis, Präsident der Association Francaise des deportes du camp de Flossenbürg, erinnerte an seinen Vater, der am 24. Februar 1944 als politischer Gefangener nach Flossenbürg kam und dann im Steinbruch eingesetzt war. Nach dem Todesmarsch erfolgte die Befreiung nahe Cham am 23. April 1945. Sein Vater musste zwei Jahre in einem Krankenhausbett in Paris verbringen, bevor ein sein Leben und das seiner Familie wieder aufbaute.
Freller will Häftlingstreppe wieder herstellen
Karl Freller, ehrenamtlicher Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, zeigte sich erfreut und dankbar, dass der Steinbruch in das Eigentum der Gedenkstätte übergehe. Dieser Steinbruch sei die eigentliche Ursache gewesen, dort ein Konzentrationslager zu errichten. „Brutaler kann eine Arbeit nicht sein“, so beschrieb Freller die Lage für die Häftlinge. Er wünscht sich auch, dass die Häftlingstreppe wieder in ihrer ursprünglichen Form hergestellt wird.
Jiri Oberfalzer, stellvertretender Senatsvorsitzender der Tschechischen Republik, hinterfragte, ob 80 Jahre seit Ende des zweiten Weltkrieges nicht ausreichend seien, künftige Generationen zu belehren und sicherzustellen, dass sie immun gegen Abgründe, die zum Umgang mit den Menschen im KZ geführt haben. Er sieht es fast als unmöglich, das Böse vollständig auszulöschen.
Landtags-Vizepräsident warnt vor Spott und Verhöhung
Tobias Reiß, Vizepräsident des Bayerischen Landtages, dankte den amerikanischen Soldaten, die 1945 das KZ befreiten. Die Vereinigten Staaten hätten es Deutschland ermöglicht, auf den Trümmern eines in jeder Hinsicht zerstörten Landes eine freiheitliche Demokratie aufzubauen. Und diese gewonnene Freiheit sollten alle Bürger als größtdenkbare Verantwortung begreifen. Als Repräsentant des Parlaments erkenne er die radikalen Verschiebungen in Verbindung mit Spott, Verhöhnung und Feindseligkeit. „Unsere Demokratie und unsere Freiheit sind in Gefahr“.
Emilia Rotstein, Angehörige der zweiten Generation, beschrieb den Weg ihres Vaters, auch die Dramatik um die Mutter und die Tante des Vaters, die beide am Tag nach ihrer Ankunft im KZ Auschwitz-Birkenau als arbeitsunfähig beurteilt und sofort in den Gaskammern hingerichtet wurden. Noch heute laufe ihrem Vater ein kalter Schauer über den Rücken, wenn er den ehemaligen Appellplatz betritt. Die Erinnerungen an die damaligen Leidengenossen seien einfach zu groß.
Nach den Ansprachen trugen Jugendliche die Trauerkränze zu den im Boden eingelassen Gedenktafeln im „Tal des Todes“. Vor den Kranzniederlegungen fand die feierliche Beisetzung sterblicher Überreste ehemaliger Häftlinge mit interreligiösem Segen statt.
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