Bernhard Wolfs Ruck-Rede: Vordenker der Genossenschaftsbank als Vorbild für heute
Neuhaus. Sie leisteten Hilfe zur Selbsthilfe: Als Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen Genossenschaften gründeten, litten Deutsche unter Hungersnot. Mit dieser Einstellung will Bernhard Wolf, Vorstandssprecher der VR-Bank Nordoberpfalz, die Herausforderungen unserer Zeit meistern.

Nach der Schilderung der akademischen Welt von OTH-Präsident Clemens Bulitta tauchen wir mit Bernhard Wolf, Vorstandsprecher der VR-Bank Nordoberpfalz, ein in den Kosmos des Mittelstandes, der Handwerker und Landwirte – und natürlich auch der Privatkunden.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Soweit ist das Handwerk vom Geisteswerk gar nicht entfernt. Nicht nur, dass Meister inzwischen einen akademischen Grad erwerben können. In der Praxis moderner Werkstätten haben längst Digitalisierung und Hightech Einzug gehalten.
In seinem Impulsreferat schildert Wolf die Situation der Branchen, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ausmachen: „Die Genossenschaftsbank als Partner für Mittelstand, Landwirtschaft und Privatkunden auch in schwieriger Lage“, ist die Aufgabenstellung für den empathischen Banker bei der Echo-Wahlinitiative.
Verlässlicher Regenschirm der VR-Bank
„Ich hasse Regenschirme“, beginnt Bernhard Wolf etwas überraschend in der zünftigen Bahler-Zoiglstum, in der lediglich kühles Bier trockene Kehlen befeuchtet, mit einem Zitat des großen US-Humoristen Mark Twain, „ein Banker ist jemand, der bei Sonnenschein einen Regenschirm verleiht und ihn sofort beim ersten Regen einzieht.“ Er könne nicht beurteilen, ob das tatsächlich das Selbstverständnis mancher Banken sei, hält er sich vornehm mit Kritik an anderen Kreditinstituten zurück. „Unseres ist es nicht, dazu verpflichtet uns schon die Denke der Genossenschaftsbank.“
Natürlich begrenze auch die VR-Bank betriebswirtschaftliche Zwänge in der Handlungsfreiheit, aber es gebe eine Werteorientierung, und die sei auf Langfristigkeit angelegt. „Wie geht’s denn dem Mittelstand – und vor allem, wie kann eine Genossenschaftsbank seine mittelständischen und Privatkunden begleiten?“ Alles beginne mit der Wertschätzung jedes Kunden:
Ob er viel Geld oder wenig Geld hat, Wertschätzung verdient jeder auf ganzer Ebene. Bernhard Wolf
VR-Bank-Expertise auch in Tschechien
Andererseits brauche es, um die ganze Bandbreite der VR-Bank-Kunden sachgemäß mit Expertenwissen zu unterstützen, eine bestimmte Größe, „die wir, Gott sei Dank, als kleine mittelständische Bank mit immerhin über 600 Mitarbeitern und Expertenwissen im Hintergrund, das der Kunde auch anzapfen kann, wenn er es braucht, auch haben.“ Noch tiefer gehe das Wissen im Firmenkunden- und Agrarbereich. Ein einfaches Beispiel: „Wir sind ja mit drei Zweigstellen auch in Tschechien präsent“, sagt Wolf, „nicht, weil wir uns einbilden, in Tschechien die Bank schlechthin zu sein, wir machen da ganz banal nur Kredit- und Einlagengeschäft.“
Aber die VR-Bank Nordoberpfalz schaffe es, mit gewisser Kompetenz Kunden nach Tschechien zu begleiten: „Auch viele Agrarbetriebe, die in Tschechien investieren, kleine Mittelständer, aber wir begleiten inzwischen auch kleine tschechische Firmen nach Deutschland.“ Das sei eine kleine Expertise, die man sich inzwischen aufgebaut habe, und wodurch man sich von anderen unterscheide.
Dazu gehört es, gerade bei schwierigen Gesprächen zur Regierung mitzufahren, wenn der Kunde einen Zuschuss braucht, die Förderprogramme von A bis Z wirklich zu kennen und den Kunden zu beraten, damit er die Fördermöglichkeiten, die der Staat bietet, auch nutzen kann. Bernhard Wolf
Kostenloser Nachhilfeunterricht
Teil des Portfolios sei es auch, mittels Kundenvorträgen die Finanzbildung nach vorne zu bringen: „Wir bieten auch für Privatkunden, wenn das Kind Schwierigkeiten hat in der Schule, kostenlosen Nachhilfeunterricht über sehr gute Online-Tools für ein Jahr.“ Das seien einfache Beiträge, um in guten wie in schlechten Zeiten die eigenen Kunden partnerschaftlich zu begleiten. Apropos schwierige Zeiten: „Momentan haben wir schon das Gefühl, dass es rund geht, dass eine große Unsicherheit da ist.“
Angefangen bei der Volkswirtschaft: „Von 2019 bis 2024 ist das Bruttosozialprodukt in Deutschland um 0,1 Prozent gewachsen – also vor der Coronakrise, vor Ukraine und der Energiekrise bis heute, ein Wachstum von 0,1 Prozent.“ Seit 1950 sei das Bruttosozialprodukt dagegen im Durchschnitt in Deutschland um 3,1 Prozent gewachsen. „Dadurch hatte jeder Deutsche im Durchschnitt 50.000 Euro im Jahr zur Verfügung“, erklärt Wolf, um die Dimension greifbar zu machen. „Wäre es nur um 2 Prozent gewachsen, hätte der Deutsche im Schnitt nur 25.000 Euro im Jahr zur Verfügung.“
Der Kuchen wird kleiner
Mit anderen Worten: „Der Kuchen wird kleiner, da fehlt mir manchmal die Ehrlichkeit in der Politik.“ Diese volkswirtschaftliche Situation führe auch bei den VR-Kunden zu Unsicherheiten und leider auch zu Insolvenzen. „Wir haben im Oktober in Deutschland den Höchststand mit 2000 Unternehmensinsolvenzen pro Monat erreicht.“ Laut Wirtschaftsauskunftei Creditreform der höchste Stand seit 2015. „Bei vielen ist tatsächlich die Konzernabhängigkeit, die Revidierung von Aufträgen die Ursache“, nennt Wolf den Hauptgrund.
„Wenn Sie einen Betrieb führen, der Projektaufträge hat und eineinhalb, zwei Jahre vorplanen muss, und dann ein, zwei Aufträge gerade auch von öffentlicher Seite einfach abgesagt werden, haben Sie ein riesiges Liquiditätsthema, wenn Sie nicht die entsprechende Größe haben.“ Neben aktuellen Problemfeldern sei manche Pleite aber natürlich auch unternehmerischen Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre geschuldet, die derzeit einfach härter zu Buche schlügen.
Warum? Die Niedrigzinsphase ist vorbei, Corona hat manche Geschäftsmodelle erodiert und Geschäftsmodelle, die einfach zu Niedrigstzinsen noch funktioniert haben, funktionieren nicht mehr. Bernhard Wolf
Hilfestellung in Notlagen
Ein weiterer Grund für Turbulenzen bei kleineren Unternehmen, egal ob Landwirt, Freiberufler, Handwerker oder Mittelständler, die keine eigene Finanzbuchhaltung im Haus hätten, sei die Abhängigkeit von guten Steuerberatern. „Wir haben in der Gegend sehr gute Steuerberater“, sagt Wolf, „aber auch bei denen herrscht Personalmangel, und es hilft nichts, wenn er sich jetzt die Zahlen von 2022 anschaut.“ Wenn eine Struktur nicht mitwachse, sei das häufig ein Grund, warum ein Unternehmen nicht den gewünschten Erfolg einfahre oder sogar liquidiert werden müsse.
Das Schlechteste, was man machen kann, ist den Kopf in den Sand zu stecken und nichts hören, nichts sehen – nach dem Motto, es wird schon irgendwie werden. Und da sind wir als Banken natürlich auch gefordert, den Finger in die Wunde zu legen. Bernhard Wolf
Aber aus dem Gestus einer Wertschätzung heraus, nicht mit der Attitüde, immer schon alles besser zu wissen. „Wir sagen, Mensch, du musst dich darum kümmern – das muss uns umtreiben, und das fordern wir auch von unseren Leuten: Seid nahe dran, seid gute Berater und lasst uns gemeinsam schauen, ob wir das Problem lösen können.“ Manchmal gebe es einfache Möglichkeiten, zumindest wenn man rasch reagiere. „Kann man einen Kredit strecken, Zahlungen aussetzen?“ Und gerieten Existenzgründer oder Unternehmer in der Wachstumsphase in eine Schieflage, „schauen wir uns schon sehr genau den Menschen an: Traut man es dem zu, bei allen Vorschriften, die dabei zu beachten sind?“
Ende mit Schrecken ist manchmal besser
Apropos Vorschriften: „Wenn wir alle Vorschriften, die wir als kleine Genossenschaftsbank beachten müssen, ausdrucken würden, können Sie damit eine Strecke durch unser komplettes Geschäftsgebiet legen.“ Die VR-Bank könne das Unternehmen natürlich nicht führen, aber die Kunden wie ein Steuerberater begleiten: „Das ist unser Angebot auch in schwierigen Zeiten, ohne dass wir uns einbilden, für alles eine Lösung zu haben.“ Worüber man aber verfüge, seien Netzwerke: „Wir können breite Branchenvergleiche anstellen.“
Man sehe also: „Wir wollen auch in schwierigen Zeiten den Regenschirm nicht einziehen.“ Aber man müsse auch so ehrlich sein, bevor weiterer Vermögensschaden entstehe, den Kunden manchmal zu sagen: „Jetzt müssen wir einen Rückzug antreten – ob über eine Insolvenz oder eine normale Liquidation.“ Das lasse sich bei den vielen Herausforderungen von schrumpfender Erwerbsbevölkerung, die sich auf Mittelständler auswirke, über Investitionsstau, Defiziten bei der Bildung, Verteidigung und Infrastruktur bis zur Klimakrise, die nur deswegen, weil sie momentan nicht mehr im Fokus stehe, nicht verschwinde, nicht ganz vermeiden.
Keine Trendwende bei Inflation und Zinsen
Und dann wird Wolf doch etwas politischer: „Partei unabhängig glauben wir, dass Wahlprogramme und Vorschläge im Schonwaschprogramm erfolgen.“ Bevor man die Aussetzung der Schuldenbremse diskutiere, müsse man erst mal klären: „Wo wollen wir denn eigentlich hin in vier Jahren – das gilt für Deutschland, das gilt aber auch für uns in der Oberpfalz.“ Und dabei warnt er explizit die Unternehmen: „Viele glauben, die Zinsen sinken weiter, und die Inflation ist im Griff – wir glauben das nicht.“
Die VR-Bank gehe davon aus, dass die Inflation über 2 Prozent verharre. Mittelfristig werde sie heuer zwar wegen bestimmter Basiseffekte wahrscheinlich unter 3 Prozent bleiben. „Aber es ist nicht auszuschließen, dass wir 26 oder 27 wieder Inflationsraten größer als 3 Prozent sehen, aufgrund notwendiger Investitionen in Verteidigung oder Klimawandel.“ Das seien keine produktiven Investitionen für die Wirtschaft. Diese gleichwohl notwendigen Maßnahmen führten deshalb zu steigenden Inflationsraten. Und auch die Zinskurve werde sich wahrscheinlich normalisieren:
Aber dass der Unternehmer darauf hofft, es wird irgendwann wieder Zinssätze von 2 Prozent und darunter für einen Kredit geben, halten wir für illusorisch. Bernhard Wolf
Revolutionäre Genossenschaftsgründer
Nur auf die Verantwortung der Politik und des Staates zu verweisen, ist Wolf aber zu billig: „Gerade als Genossenschaft ist ja unser Prinzip Selbstverwaltung und Selbsthilfe, nicht auf andere schauen und selber in die Gänge kommen“, sagt er mit Blick auf die Gründer Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Von wegen langweilige Bank: „Das waren die Revolutionäre schlechthin“, rühmt er die Vordenker der VR-Bank.
Die haben in wesentlich schlechteren Zeiten als heute – da gab’s Hungersnöte in Deutschland – Genossenschaften gegründet, damit man sich selbst helfen kann. Ich glaube, ein bisschen was von diesem Geist können wir auch heute brauchen. Bernhard Wolf
Das versuche man den Mitarbeitern mitzugeben: „Jeder hat Talente bei uns im Unternehmen.“ Das VR-Motto laute: „Jede Frau, jeder Mann am richtigen Platz im Unternehmen, damit jeder seine Talente ausleben kann.“ Und dabei habe der Vorstand eine Vorbildfunktion: „Wenn ich oder meine drei Vorstandskollegen in der Früh schon so gebückt in die Bank reingehen, wie schlimm alles ist, dann strahlt es aus – deswegen ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen.“ Aber mit dem Gründergeist von Raiffeisen und Delitzsch könne man die Oberpfalz gemeinsam nach vorne bringen.
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