BücherECHO: Ein äußerst kluges Buch von Joachim Gauck

Am 17. Februar 2012 hat es die BILD-Zeitung endlich geschafft: Nach einer beispiellosen Medienhetzjagd trat der ungeschickt agierende Bundespräsident Christian Wulff zurück. Später wurde er vor Gericht von allen Vorwürfen freigesprochen. Sein Nachfolger wird der evangelische Pastor und ehemalige DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck.

Vom Verlegenheitskandidaten zum Vorbild

Nach der unsäglichen Medienkampagne war ein erneutes Zusammentreten des Bundespräsidenten-Wahlgremiums schon nach zwei Jahren notwendig. Am 18. März 2012 wählte die 15. Bundesversammlung Gauck im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit zum Bundespräsidenten. Schon während seiner Amtszeit fiel Joachim Gauck nicht durch rhetorische Luftnummern, sondern durch sehr kluge Diskussionsbeiträge als Mahner für die freiheitlich demokratische Grundordnung, auf. Seine Amtszeit endete mit dem 18. März 2017, weil er nicht mehr zur Wiederwahl antrat.

Endlich ein Ex-Bundespräsident mit aktiver Zukunftsagenda

Der derzeitige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fällt durch Buchveröffentlichungen bedauerlicherweise überhaupt nicht auf. Abgesehen von Veröffentlichungen, die ihn als Herausgeber erwähnen, herrscht totale Gedanken-Flaute. Diese Leere ist vermutlich der Neutralität eines Bundespräsidenten geschuldet. Anders Joachim Gauck. Immer wieder meldet sich der ehemalige Bundespräsident mit klugen Gedanken zur aktuellen Tagespolitik.

Sein Buch „Toleranz: Einfach schwer“ aus dem Jahr 2020 stand lange auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Seine Thesen in diesem Buch: Was macht Toleranz aus und was macht sie notwendig? Und warum ist Intoleranz heute so populär und attraktiv? Seine kluge Antwort: Toleranz ist eine aktive Haltung, die uns und andere bereichert, eine Tugend und zugleich Gebot der politischen Vernunft, die gut ist für jeden Einzelnen und unerlässlich für die Gesellschaft.

Erschütterungen: Was unsere Demokratie von außen und innen bedroht

Wer das aktuelle Buch des ehemaligen Bundespräsidenten gelesen hat, ist fasziniert von der Klarheit der Gedanken dieses außergewöhnlichen Menschen. Ohne Pathos und Parteigedöns nimmt er sich den echten Problemen der deutschen Gesellschaft in den 2020er Jahren an. Zusätzlich wird deutlich, dass sich dieser Mensch traut, Stellung zur aktuellen Tagespolitik zu beziehen – auch gegen seine eigene politische Herkunft. Der Verlag schreibt dazu als Erläuterung:

Der russische Überfall auf die Ukraine bedroht unsere liberale Demokratie in einem Moment, in dem sie zugleich auch von innen unter Druck steht. Wie ist es dazu gekommen? Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck geht gemeinsam mit seiner Co-Autorin Helga Hirsch der Frage nach, weshalb das Vertrauen vieler Bürger in unsere liberale Demokratie erschüttert ist. Was bedroht unsere Demokratie von innen heraus? Welche Rolle spielen autoritäre und libertäre Dispositionen in Krisenzeiten? Wie viel Einwanderung verträgt eine Demokratie?

Zugleich lotet er aus, warum wir heute vor den Scherben einer Ostpolitik stehen, die im Verhältnis zu Russland allzu lange nur auf die Prinzipien „Frieden vor Freiheit“ und „Wandel durch Handel“ gesetzt hat. Sehr eindrücklich und zum Teil auf persönliche Weise zeigt Joachim Gauck, wie in den letzten Jahren so manche Gewissheit über die Stabilität unserer Demokratie verloren ging – und wie es uns gelingen kann, auch in Zukunft unsere liberalen Freiheiten zu verteidigen und tatsächlich eine wehrhafte Demokratie zu werden.