Bundesgerichtshof hebt Urteil auf – Gnade für „Cannabis-Opa“ (80)?
Weiden/Plauen. Bei diesem Urteil stockte nicht nur den Verteidigern kurz der Atem. Acht Jahre Haft hatte das Landgericht Weiden Anfang 2024 gegen einen 79-jährigen Angeklagten verhängt. Er war auf der A93 mit einer Hänger-Ladung voll Grünabfall einer Cannabis-Plantage erwischt worden.

Zum Verhängnis wurde dem inzwischen 80-Jährigen sein gewaltiges Vorstrafenregister. Über 30 Jahre seines Lebens hat er hinter Gittern verbracht. Am Tag der Kontrolle befand er sich auf der Rückfahrt von Plauen in seine Heimatstadt Straubing. Die Ermittler der Kriminalpolizei gehen davon aus, dass er in Thüringen mit zwei Komplizen eine größere Indoor-Anlage betrieben hatte. Die Grünabfälle ließen eine Hochrechnung auf 613 Pflanzen mit einem Ertrag von 18 Kilogramm Cannabis-Blüten zu.
Das Landgericht Weiden langte hart zu und verhängte 8 Jahre Haft wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Das Urteil fiel am 9. Februar 2024. Am 1. April 2024 trat das Konsum-Cannabis-Gesetz (KCanG) in Kraft. Damit galt für die Revision vor dem Bundesgerichtshof das neue, mildere Gesetz.
Urteil fiel mit Gesetzesänderung zusammen
Neben dem Weidener Anwalt Rouven Colbatz wurde der Senior von Verteidiger Kabala Mbaluku aus Eschborn vertreten (siehe Infokasten). Mbaluku konnte am Donnerstag mit Freude verkünden: Urteil aufgehoben, neue Verhandlung in Weiden. „Wie bereits von mir in der Hauptverhandlung angeführt, besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Strafe und der Gesetzesänderung.“ Schon beim Prozess hatte Mbaluku prophezeit, dass das Urteil keinen Bestand haben wird. „Man hat sehenden Auges ein Urteil gefällt, von dem klar war, dass es nicht standhalten wird.“
Nun ist es also so weit: Der Bundesgerichtshof hat das Urteil im Rechtsfolgenausspruch komplett aufgehoben und zur neuen Entscheidung zurückgesandt. Verhandelt wird – voraussichtlich im März – vor der 3. Strafkammer des Landgerichts unter Vorsitz von Präsident Josef Weidensteiner.
Ein Urgroßvater mit Rheuma
Der 80-Jährige hat gute Karten, mit einem niedrigeren Strafmaß davonzukommen. Die Gesetzeslage hat sich verändert. Für eine Bestrafung wegen bandenmäßigen Handels mit Cannabis gilt jetzt ein Strafrahmen von nicht unter zwei (bis 15) Jahren. Seit März 2023 sitzt der Senior in Untersuchungshaft. Schon in seinem „letzten Wort“ im Prozess Anfang 2024 hatte er um Gnade gebeten. Seine langjährige Partnerin, inzwischen 83, brauche seine Unterstützung, er sei Opa und Urgroßvater und er habe Rheuma. Statistisch gesehen werde er acht Jahre Haft nicht überleben.
Die 1. Strafkammer konnte er damit nicht beeindrucken. Vorsitzender Richter Peter Werner damals: „Wer mit 79 Jahren schwere Straftaten begeht, muss damit rechnen, mit 80 längere Strafen zu bekommen.“
Warum ein Anwalt aus Eschborn?
Der Kontakt des Angeklagten ins Rhein-Main-Gebiet fußt auf einer früheren Straftat. Der Angeklagte war 2008 und 2014 mit Drogen im Kilobereich erwischt worden, unter anderem mit einem Kilo Kokain an der deutsch-niederländischen Grenze. Die Strafe verbüßte er in Euskirchen im Rheinland. Weil dort viel Freigang gewährt wird, nahm sich seine Lebensgefährtin 2016 eine Ferienwohnung im nahe gelegenen Ahrtal. Diese Wohnung behielt das Paar nach der Haftentlassung, weil man sich mit den Nachbarn gut verstand und den hiesigen Wein mochte. Als die Flut kam, musste der Angeklagte 2021 mit dem Hubschrauber gerettet werden. Den Hauptwohnsitz hat das Paar in Niederbayern.
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