Bundesrat stimmt Schuldenpaket zu: Auch weil die Freien Wähler einlenkten
München/Weiden. An Bayern hätte der Schuldendeal zwischen Union und SPD noch scheitern können. Genauer: an den Freien Wählern. Um den Koalitionsbruch mit der CSU nicht zu riskieren, gab Hubert Aiwanger zähneknirschend nach – auch mit Zustimmung Oberpfälzer Kreisvorsitzender.

Das Billionen-schwere Schuldenpaket sowie die Lockerung der Schuldenbremse, auf die sich die potenziellen Koalitionäre unter Führung des designierten Kanzlers Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil (SPD) verständigten, erhielten auch im Bundesrat die notwendige Zweidrittelmehrheit – nötig dazu waren 46 Stimmen, 53 der 69 Ländervertreter stimmten zu, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Rheinland-Pfalz enthielten sich. Damit kann das Grundgesetz geändert werden.
Die Zustimmung der Landesregierungen mit ausschließlicher Regierungsbeteiligung von SPD, Union und Grünen galt ohnehin als sicher. Eine Zweidrittelmehrheit erforderte allerdings auch Ja-Stimmen von Landesregierungen unter Beteiligung von FDP, Freien Wählern, Linken und BSW. Bereits am Montag kündigte das schwarz-orange-regierte Bayern sein Plazet an, es folgten Mecklenburg-Vorpommern und Bremen mit SPD-Linkspartei-Koalitionen.
Erleichtert hat die Zustimmung auch der damit verbundene erweiterte Handlungsspielraum der Landesregierungen. 100 Milliarden Euro fließen an die Länder – und sie können künftig zusammen Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen. Bisher gilt für die Länder eine Schuldengrenze von null. In einigen Ländern muss für die Lockerung der Schuldenbremse allerdings die Verfassung geändert werden – nur in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Thüringen und im Saarland steht keine Schuldenbremse in der Landesverfassung.
Aiwanger lenkt zähneknirschend ein
Mehr bundespolitische Macht hatte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger wohl selten in seinen Händen: Am Ende hätte sich allerdings die Option, den Schuldendeal und damit auch das Zustandekommen einer neuen Groko auf Bundesebene platzen zu lassen, als Pyrrhus-Sieg für den Niederbayern, der so gerne in den Bundestag eingezogen wäre, erwiesen. „Ohne Zustimmung hätte Söder mich entlassen“, begründet Aiwanger fast entgeistert sein zähneknirschendes Einlenken.
Die Machtoption als Ohnmacht: Er hätte seinen Job als Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident Bayerns verloren. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) soll ihn massiv dazu gedrängt haben – hätte er doch auch die Koalition aufkündigen und die SPD in die Regierung holen können. Also schwenkte Aiwanger um und will sich stattdessen zum Chef-Controller über die Ausgabendisziplin aufschwingen:
Das sinnvolle Einsetzen dieser Gelder zu fordern ist allemal besser, als zu sagen, ich bin daran gescheitert. Hubert Aiwanger

Schicker: „Besser als wie ein trotziges Kind auszuscheiden“
Dieser Logik schließt sich auch Hubert Schicker, Kreisvorsitzender der Freien Wähler in Tirschenreuth an: „Ich war zunächst der Meinung, wir sollten hier hart bleiben in der Sache, weil wir grundsätzlich Magenschmerzen haben bei der Thematik“, erläutert er im Echo-Gespräch seine Genese. Nach vielen Telefonaten, die er auch mit dem Regensburger FW-Landtagsabgeordneten Tobias Gotthardt, dem Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, geführt habe, sei er auch zu der Auffassung gekommen: „Es ist besser so, als wie wenn wir jetzt als trotziges Kind ausscheiden.“
Einfluss auf die Sparpolitik sei „besser für unser Land, aber auch besser für die bayerische Staatsregierung und zum Schluss auch besser für uns Freie Wähler“. Man habe schließlich bei der Bundestagswahl schmerzlich erfahren: „Wenn du keine Plattform hast, wo du deine Politik überhaupt zeigen kannst, bist du weg, hast du keine Chance.“ Dabei sei es aber nicht um Posten gegangen:
Alle vier Minister und der Staatssekretär wären bereit gewesen, auf ihre Posten zu verzichten, wenn’s zum Wohl unseres Landes und auch der Freien Wähler gewesen wäre – aber so ist es die bessere Lösung, und ich stehe auch als Kreisvorsitzender und ganz persönlich als Hubert Schicker dahinter. Hubert Schicker

Heinisch: „Der Klügere gibt nach“
Ein wenig sophistisch weist der Amberger FW-Landtagsabgeordnete Bernhard Heinisch darauf hin, dass das Quorum für die benötigte Zweidrittelmehrheit wohl auch ohne die Zustimmung aus Bayern erreicht worden wäre – wobei schwer einzuschätzen ist, welche Signalwirkung das angekündigte bayerische „Ja“ bei den Wackelkandidaten auslöste. „Hätten wir ein Nein zum Sondervermögen manifestiert, dann wäre unsere Bayern-Koalition daran zerbrochen, und die CSU hätte im Namen Bayerns im Alleingang die Grundgesetzänderung im Bundesrat durchgedrückt.“
Nach dem Motto, „der Klügere gibt nach“, habe man wenigstens einen kleinen Kompromiss erzielt und so eine stabile Landesregierung mit einer stabilen Mehrheit bewahrt. „Wir nehmen nun die CSU in die Pflicht, unsere Vorgaben in Berlin, zum Gemeinwohl unserer Bürgerinnen und Bürger und insbesondere zum Wohle unseres Freistaats umzusetzen.“ Daher auch sein Credo:
Lieber aus einer starken Staatsregierung über die Schuldenpläne des Bundes wachen, als Schwarz-Rot unserem Land zu überlassen. Bernhard Heinisch

FW-Bedingungen für die Zustimmung
In seiner Begründung für ein entschiedenes „Jein“ nennt Heinisch dann allerdings auch Bedingungen, an die sich der Koalitionspartner halten müsse:
- Die Aufnahme des Begriffs „Klimaneutralität 2045“ in das Grundgesetz versteht der Freistaat nicht als Verfassungsauftrag.
- Einhaltung des Konnexitätsprinzips: Keine Aufgabenübertragung an Kommunen ohne Gegenfinanzierung.
- Reform des Länderfinanzausgleichs zugunsten Bayerns.
- Verwendung der Mittel ausschließlich für zusätzliche Investitionen.
- Strukturelle Reformen müssen mit Nachdruck angegangen werden.

Statements zur Grundgesetzänderung
- MdL Bernhard Heinisch: „Wir Freie Wähler stehen für eine ideologiefreie, konservativ-liberale Politik und stehen derart weitreichenden Vorhaben wie der geplanten Grundgesetzänderung und dem damit verbundenen Sondervermögen grundsätzlich erst einmal kritisch gegenüber. Ich mache keinen Hehl daraus, dass wir mit vielen Punkten des vorgestellten Sondervermögens nicht einverstanden sind. Gleichwohl haben wir immer betont, dass Haushaltsregeln nicht die dringend notwendige Modernisierung des Landes aufhalten dürfen. Breiter Konsens besteht in der Notwendigkeit, dringend massiv in die Landes- und Bündnisverteidigung zu investieren. Hier müssen auch wir als Freie Wähler im Sinne der Sicherheit unseres Landes und für ein starkes geeintes Europa eintreten und Verantwortung übernehmen.“
- Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte als Sondierungsteam-Mitglied der Union das Finanzpaket mit ausgehandelt, und es als „Schutzschirm“ für Deutschland und „deutschen Marshall-Plan“ bezeichnet. Es gehe bei den Krediten immer darum, dass noch genau festgelegt werden müsse, wofür sie ausgegeben werden. „Dies ist kein Selbstbedienungsladen für irgendwelche Projekte, die schon immer gemacht werden sollten.“
- Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) räumt ein, dass es erheblichen Investitionsbedarf gebe. Sein Bundesland stimme dennoch „mit einem erheblichen Störgefühl“ zu, das schnelle Verfahren zur Grundgesetzänderung sei eine „Zumutung“.
- Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) forderte den Bund auf, die Zahlung von 100 Milliarden Euro aus dem Finanzpaket an die Länder nicht durch andere Kürzungen von Zuschüssen und Kofinanzierungen an die Bundesländer zu konterkarieren.
- Brandenburgs Finanzminister Robert Crumbach (BSW) begründete die Enthaltung seines Bundeslandes mit dem „finanzpolitischen Harakiri“, das er genauso ablehne wie zusätzliche Mittel für die Verteidigung.
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