Bunt und queer auf dem Land: Christopher Street Day am 4. Juni in Neustadt/WN
Neustadt/WN. Ein Regenbogen geht am Samstag ab 15 Uhr in Neustadt/WN auf, egal bei welchem Wetter. Equality Oberpfalz veranstaltet einen Christopher Street Day mit bunter Parade, Bands und Diskussionen. Was uns dort erwartet, erzählt Vorsitzender Alexander Irmisch im Interview.
OberpfalzECHO: Sie sind der Vorsitzende des Vereins “Equality Oberpfalz”, der den Christopher Street Day in Neustadt/WN veranstaltet. Was macht der Verein?
Alexander Irmisch: Den Verein gibt es seit 2019. Wir wollen Lesben, Schwule, Bi-, Trans-, Inter- und Asexuelle sowie queere Personen (LSBTIQ*) im ländlichen Raum unterstützen. In Regensburg gibt es bereits Strukturen, in München eine richtige Szene. Doch sobald man aus den größeren Städten hinausfährt, gibt es wenig bis gar nichts.
Nach der Gründung wollten wir ziemlich schnell einen CSD organisieren, doch dann kam uns Corona dazwischen. Jetzt endlich im dritten Jahr klappt es. Zwischendurch haben wir Stammtische abgehalten in Schwarzenfeld, Pirk und Regensburg, aber auch Vernetzungstreffen.
Wer ist alles dabei?
Alexander Irmisch: Der Verein hat etwa 50 Mitglieder. Bei uns sind Menschen aus allen Gruppierungen von LSBTIQ* dabei, allerdings ist der Anteil an männlich gelesenen Personen größer, und wir würden gerne noch mehr weiblich gelesene Personen motivieren, sich einzubringen, um so die Diversität zu erhöhen.
Worum geht es bei euren Stammtischen?
Alexander Irmisch: Es geht zum Beispiel um die Schwierigkeit, im ländlichen Raum einen Partner zu finden. Etliche sagen, das Kennenlernen im ländlichen Raum ist viel schwerer als etwa in München und Regensburg. Dort geht man einfach in eine Bar oder einen Club und kommt ins Gespräch. Auch fällt es auf dem Land schwerer, sich zu outen, weil man Angst hat vor Diskriminierung. Viele verstecken sich auf dem Land und fahren dann in die Großstädte, um sich auszuleben. Es gibt hier viele Singles.
Programm des CSD in Neustadt
Der CSD beginnt mit einem Demonstrationszug um 15 Uhr. Start- und Endpunkt ist der Stadtplatz in Neustadt/WN, direkt vor dem Landratsamt.
Ab etwa 16 Uhr startet dann das Bühnenprogramm mit Music-Acts von Keye Katcher, DJ so.ink und Deine Ohrange. Daneben gibt es Redebeiträge und eine Podiumsdiskussion zu Queer auf dem Land.
Ist das Internet da keine Lösung, andere kennenzulernen?
Alexander Irmisch: Das Internet kann das nicht abfedern. Der persönliche Kontakt ist etwas ganz anderes.
Sie wohnen in Regensburg, haben also selbst keine Erfahrungen mit Diskriminierung auf dem Land?
Alexander Irmisch: Das stimmt. Ich bin ursprünglich aus Berlin und wohne jetzt wieder in einer großen Stadt. Ich bin jedoch seit 20 Jahren als Aktivist in der Community unterwegs, bin stellvertretender Bundesvorsitzender von SPD queer und habe Kontakt mit sehr vielen Menschen, die aus dem ländlichen Raum kommen. Die Herausforderungen gibt es in ganz Deutschland, nicht nur in der Oberpfalz.
Was können wir beim ersten CSD der Nordoberpfalz erwarten?
Alexander Irmisch: Der CSD ist zweigeteilt. Ab 15 Uhr gibt es eine Gehdemonstration mit Fahnen, Plakaten und hoffentlich vielen bunten Menschen von überall her. Danach ab etwa 16 Uhr gibt es ein Bühnenprogramm mit musikalischen Acts und Reden über Queersein im ländlichen Raum und ihren Herausforderungen. Ich sage ja gerne “Herausforderungen” statt “Probleme”, weil das schon einen Lösungsansatz impliziert. Ich hoffe, dass aus der ganzen Oberpfalz Leute nach Neustadt/WN kommen, um die Community zu unterstützen. Unser Motto ist ja “Sichtbarkeit schafft Sicherheit”.
Was ist mit dem Motto genau gemeint?
Alexander Irmisch: Solange wir in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden, besteht für die Einzelnen eine viel größere Gefahr, diskriminiert zu werden. Wenn wir öffentlich nach außen treten, schafft das mehr Verständnis für unsere Anliegen. Und mehr Akzeptanz und Toleranz führt zu mehr Sicherheit. Gerade in letzter Zeit gab es massive Angriffe auf queere Menschen. Es wichtig, dass wir selbstbewusst sind, und zeigen, dass wir genauso Teil der Gesellschaft sind, und auch unsere Rechte einfordern.
Was wird beim Christopher Street Day gefeiert?
Der Begriff kommt von der Christopher Street in New York City. 1969 begannen dort mehrtägige Proteste wegen Polizei-Razzien in einer Schwulenbar, der sogenannte Stonewall-Aufstand. Zehn Jahre danach, 1979, gab es die ersten CSDs in Deutschland.
Im englischsprachigen Raum heißen die CSDs oft “Gay Pride”, und das spielt auf die Absicht dahinter an. Der “Pride” (deutsch: Stolz) verweist auf den Widerstand gegen Scham und das Stigma, das sexuelle und geschlechtliche Minderheiten bis heute erleben. Auch feiern die Menschen ihren Mut, sich offen zu ihrer Sexualität zu bekennen, sowie ihre politischen Kämpfe. Wie politisch so ein CSD sein soll, ist allerdings innerhalb der queeren Szene umstritten.
Diese und viele weitere Infos stammen vom Regenbogenportal des Bundesfamilienministeriums. Über die Geschichte des CSD gibt es auch einen interessanten Artikel bei der Bundeszentrale für politische Bildung.
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