Cannabis-Rauch zieht in Wohnung darüber – Fahrlässige Körperverletzung?
Weiden. Ein Cannabis-Raucher (30) hat sich vor dem Amtsgericht Weiden erfolgreich gegen einen Strafbefehl gewehrt. Er hätte 900 Euro zahlen sollen, weil sein Cannabis-Rauch in die Wohnung darüber zieht. Tatbestand: "fahrlässige Körperverletzung".
Einen „Witz“ nennt Rechtsanwalt Rouven Colbatz den Strafbefehl: „Die Staatsanwaltschaft meint, hier ein Exempel statuieren zu müssen.“ Dabei sei Cannabis-Konsum mittlerweile legal. „Das ist ein sozial adäquates Verhalten.“ Ja sogar „ein Grundrecht“.
Der Angeklagte selbst ist ein fröhliches Kerlchen und redet mehr, als er vielleicht sollte. Laut Strafbefehl soll er seit Januar 2025 verstärkt Joints rauchen. „Ach was, das geht doch schon viel länger so“, erzählt er Richter Matthias Biehler. „Ich rauche schon seit April 2024. In dem Moment, als die erste Ernte fertig war, habe ich angefangen.“
Und er konsumiere auch nicht „regelmäßig“, so wie es im Strafbefehl heiße. „Ich rauche nur dreimal am Tag. Das ist doch kein dauerhafter Konsum“, protestiert der arbeitslose 30-Jährige. Hätten ihn die Nachbarn darauf aufmerksam gemacht, dass sie das störe, wäre er zum Rauchen nach draußen gegangen. „Aber die Strafanzeige kam aus dem Nichts.“ Kein anderer Nachbar habe sich gestört gefühlt – und neben ihm wohnen immerhin die Eltern des Vermieters.
„Das ganze Haus stinkt danach“
Das Ehepaar von oben schildert die Lage anders. Sie habe den Untermieter sehr wohl angesprochen, sagt die Frau (37). Erst als keine Reaktion erfolgte, habe man sich zunächst erfolglos an den Vermieter, dann an den Bürgermeister und schließlich an die Polizei gewandt. Der Cannabis-Marihuana-Geruch im Sechs-Parteien-Haus sei nicht auszuhalten. „Wenn er die Tür aufmacht, stinkt es im ganzen Treppenhaus danach“, sagt ihr Mann.
Der Qualm ziehe zudem aus den gekippten Fenstern des 30-Jährigen direkt in ihre Wohnung. Gerade am Abend sei Lüften unmöglich. Beide Ehepartner sind gesundheitlich angeschlagen. Durch den Kiffer-Dunst leide sie zusätzlich an Kopfschmerzen und Übelkeit, sagt die Frau. Aufgrund bronchialer Probleme müsse sie ein Asthmaspray benutzen. Auf Nachfrage von Verteidiger Colbatz räumt sie ein, selbst Raucherin zu sein: „Aber nur drei Zigaretten am Tag und draußen.“
Inzwischen raucht er draußen
Der Mann hat Diabetes. „Das schlägt sich extrem auf den Zucker“, sagt er. Seine Frau habe ihn kürzlich mit einem Blutzuckerspiegel von 700 als Notfall ins Klinikum bringen müssen. „Ich wäre beinahe draufgegangen.“
Beide räumen ein, dass nach Beginn des Ermittlungsverfahrens „nichts mehr“ war. Der 30-Jährige raucht jetzt draußen, wie er auch selbst berichtet. Aus Sicht des Richters hätte der Angeklagte den Strafbefehl über 30 Tagessätze durchaus vermeiden können, wenn er im Januar mit der Polizei gesprochen hätte. Er machte keine Angaben. „Wenn Sie vorher was gesagt hätten, hätte man nachermitteln können.“
Richter selbst geschädigt: „Raucherecke war unter meinem Büro“
Um jetzt der Wahrheit auf den Grund zu gehen, hätte das Gericht die ganze Hausgemeinschaft als Zeugen vorladen müssen, immerhin sechs Parteien. Auch die Kausalität der gesundheitlichen Probleme leuchtet dem Richter nicht ein: „Ich bin kein Arzt. Aber für hohe Zuckerwerte kann ich mir das als Ursache nicht vorstellen.“ Am Ende stellt Biehler das Verfahren ein. „Ich hoffe, dass der Hausfrieden wieder hergestellt werden kann.“
Verständnis mit den Obermietern hatte der Jurist durchaus auch. Nach Verhandlungsende erzählt er eine Anekdote aus seiner Zeit in Nürnberg, als die Raucherecke vor dem Justizgebäude aus optischen Gründen verlegt wurde: „Und zwar genau unter mein Büro.“ Er sei damals „Sturm gelaufen“ und habe alle Kollegen mobilisiert – übrigens mit Erfolg. Geraucht wird auch in Nürnberg jetzt woanders.
* Diese Felder sind erforderlich.