Clemens Bulittas Ruck-Rede: Die OTH ist kein Elfenbeinturm

Neuhaus. OTH-Präsident Clemens Bulitta positioniert seine Hochschule bei der Echo-Wahl-Initiative in Bahlers Zoiglstum in der Mitte der Gesellschaft: Als Player, der die politischen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit mitgestalten möchte.

OTH-Präsident Clemens Bulitta stellt bei der Echo-Wahlinitiative im Bahler die Hochschule in die Mitte der Gesellschaft. Foto: Jürgen Herda

Bei der Feierstunde der OTH zum 30-jährigen Bestehen lud Christian Felber, Initiator der Gemeinwohl-Ökonomie, die Oberpfalz ein, sich als Gemeinwohlregion neu zu erfinden. Die Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden könne dabei eine führende Rolle übernehmen. Für OTH-Präsident Clemens Bulitta ein reizvolles Angebot, denn: „Die Lorbeeren von heute, sind der Kompost von morgen.“

Das bedeute in der Konsequenz: Auch die Hochschule muss sich ständig neu erfinden. Es wurde in den vergangenen Jahren schwieriger, Studierende – die Fachkräfte und Ingenieure von morgen – zu gewinnen. Inzwischen kommen viele aus dem Ausland. Der Präsident schildert, welche Wege die OTH die nächsten Jahre einschlagen möchte, und wie das auch die Nordoberpfalz weiterbringen kann.

„Ich hoffe, es wird jetzt nicht so akademisch“, beginnt Bulitta sein Impuls-Referat, „das liegt auch in der Natur meines Amtes.“ Er sei jetzt seit gut 12 Jahren hier in der Region. „Man meint vielleicht, wenn man mich hört, dass ich von weiter weg komme – ich komme nur aus Mittelfranken.“ Die besondere Beziehung zwischen Franken und der Oberpfalz könne man jedes Jahr im Fasching begutachten, sagt er mit Blick auf die spaßige Rivalität in Veitshöchheim. „Das wird sicher heuer auch wieder strapaziert werden – unser Ministerpräsident legt da auch immer großen Wert darauf.“

Wer Bildung sät, erntet Zukunft

Seit drei Jahren sei er Präsident der Hochschule und begeistert davon, was hier entstanden sei. „Unser Gründungspräsident hat mal gesagt, ,wer Bildung und Technologie sät, wird Zukunft ernten‘ – wichtig ist, beides zusammenzudenken.“ Vernachlässige man das, fehlten Ansätze wie eine Technologie-Folgenabschätzung: „Wir lassen die Menschen aus dem Blick, wenn man nur in der Technologie denkt.“ Das Thema KI sei dafür ein gutes Beispiel: „KI ist ein Werkzeug, KI kann nicht denken, sie generiert immer nur das nächste Wort.“ Einen Zufallsalgorithmus. „Und wenn sie nicht genügend Daten hat, dann funktioniert das nicht.“

Damit sei er auch schon beim Thema Lorbeeren: „Dann gucken wir mal, dass aus den Lorbeeren kein Kompost wird.“ Mittlerweile hätten rund 10.000 Studierende die OTH absolviert, von denen über 80 Prozent in der Region blieben und arbeiteten. Als gebürtiger und dort groß gewordener Erlanger habe der 57-Jährige in Richtung Oberpfalz immer mit einer Perspektive geguckt, als der Eiserne Vorhang noch stand. „Den Finanzminister, der uns am Donnerstag mal wieder besuchen kommt, weil wir ein Forschungsprojekt im Kontext IT-Sicherheit mit dem Finanzministerium machen, stresst auch immer so ein bisschen das Understatement in der Oberpfalz.“

Freiheit mit Bezug zur Gesellschaft

Wenn man sich aber angucke, wo sich die Gewerbesteuer- und Einkommenssteuer-starken Kommunen in Bayern befänden, dann sei er auf die Region besonders stolz: „Er sagt immer so schön, die Steuerzahler sind seine besten Freunde, weil ohne die würde er ja kein Geld haben, das er uns auch als Hochschule letztendlich mitgeben kann – und da sind wir auch sehr dankbar und demütig. Das sei auch ein Auftrag, weil die OTH Steuermittel-finanziert sei:

Das ist auch etwas, was ich meinen Kolleginnen und Kollegen immer sage – wir können uns nicht hinstellen in den Elfenbeinturm der Freiheit von Forschung und Lehre und machen, was uns Spaß macht. Clemens Bulitta

Diese Freiheit müsse immer einen Bezug zur Gesellschaft haben. „Man muss der Gesellschaft etwas zurückgeben, und da sind wir sehr privilegiert, sowohl mit unserem Beamtenstatus als auch mit den Möglichkeiten.“ Deswegen habe man vier wesentliche Felder im Blick: „Neben Forschung, Innovation und Wirtschaftsentwicklung eben auch die Menschen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wir überall brauchen, und natürlich auch ein regionales Engagement.“

OTH als Wirtschaftsfaktor

Dabei könne auch der genannte Gemeinwohlansatz eine wichtige Rolle spielen: „Wir haben als Hochschule auch unmittelbare Wirkungen in der Region.“ Etwa als Arbeitgeber: „Ich habe nicht nur die 4200 Studierenden, wir haben fast 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, rund 120 Professorinnen und Professoren – die geben Geld hier aus in der Region.“ Derzeit laufe eine Brandschutzsanierung mit Unternehmen aus der Region:

Da kriegen wir Mittel von 20 Millionen Euro an beiden Standorten, und sind also ein Wirtschaftsfaktor. Clemens Bulitta

Dazu komme die klassische Rolle, Menschen für die Region auszubilden, wo man auch einen Beitrag geleistet habe in der Vergangenheit und das auch weiterhin tun müsse: „Die Frage ist, wo kommen die jungen Menschen her, wenn wir sie selber nicht mehr haben, weil die Demografie es nicht hergibt – wie kommen sie zu uns, sei es aus Deutschland, aus Europa oder auch von weiter her?“ Man unterrichte mittlerweile 1200 internationale Studierende, überwiegend aus dem südasiatischen Raum, aus Indien und Bangladesch.

Aus Indien gekommen, um zu bleiben

„Wir wissen aus Untersuchungen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und anderen Studien“, sagt Bulitta, „dass zirka 80 Prozent gerade der jungen Menschen aus dieser Region mit einem expliziten Bleibewunsch nach Deutschland kommen, hierbleiben wollen, langfristig ihren Lebensmittelpunkt hier hinbewegen – und wir wissen nach den aktuellen Zahlen, dass nach 10 Jahren noch 60 bis 70 Prozent auch wirklich da bleiben in Deutschland.“ Trotzdem sei die Integration dieser Bildungsreisenden kein Selbstläufer.

„Wenn man eine Stadt wie Weiden hat, wo plötzlich 1000 international Studierende von unseren 1800 am Standort in Weiden sind, da die Balance zu finden – wie funktioniert die Integration innerhalb der Hochschule, wie funktioniert die Integration in der Region, wie klappt es, dass die in die Unternehmen reinkommen, da haben wir schon viele Aufgaben.“ Da sei es eine Herausforderung, das Zitat mit Leben zu erfüllen, nicht die Lorbeeren der Vergangenheit zu Kompost verkommen zu lassen, sondern nach vorne gerichtet auch eine weitere, positive Entwicklung zu begleiten.

Wissenstransfer von Kemnath bis Sulzbach

„Unsere dritte Rolle ist dann die des Wissens- und Technologietransfers und das Gründungsthema“, fährt der Präsident fort. Mit Technologietransferzentren, die jetzt im Landkreis Neustadt im Aufbau seien, in Kemnath, wo das Thema Gründung im Vordergrund stehe, in Schwandorf, wo nachhaltig gedachte Kreislaufwirtschaft im Fokus stehe, und wo man auch in Sulzbach noch einen Eckpunkt setzen wolle – verbunden mit der Möglichkeit, junge Leute bis zur Promotion hier in der Region auszubilden und mit den Unternehmen ein lebendiges Ökosystem zu schaffen.

„Und vielleicht die Denkwelt doch noch Wirklichkeit werden zu lassen“, nimmt Bulitta die Vorlage von BHS-Chef Christian Engel auf, „weil die Denkwelt mehr ist als nur zwei Türme“ auf dem Plan eines Architekten. Eine Vision auch seines Vorvorgängers Professor Erich Bauer.

Wir haben letztendlich damit auch als Hochschule eine Verantwortung für die Gesellschaft als Ganzes – für den technischen Fortschritt, für die Ökonomie, für die Ökologie, aber auch für Kunst und Kreativität. Clemens Bulitta

Bildung für nachhaltige Entwicklung

Bildung für nachhaltige Entwicklung werde in der Konzeption der Hochschule immer wichtiger. Und dieses Gedankengut in Lehrveranstaltungen auch zu verinnerlichen – inklusive Demokratiebildung: „Nachhaltigkeit ist eben nicht nur die Ökologie, sondern dazu gehört insbesondere auch diese große soziale Komponente, die oft vergessen wird.“ Damit decke man dann den vierten Kreis der Zwiebel ab: „Nämlich gesellschaftspolitisch aktiv zu sein, und hier auch diesen großen Veränderungsprozess, in dem wir als Gesellschaft im Moment sind, positiv mitzugestalten.“

Ein Zitat aus dem Roman „Der Leopard von Lampedusa“ falle ihm dazu ein: „Wenn alles so bleiben soll, wie es ist, muss sich alles verändern.“ Diese Veränderungsbereitschaft müsse man mitbringen. „Da sind wir als Menschen gefordert.“ Sehr treffend habe das der bayerische Wissenschaftsminister in seinem Neujahrsgruß formuliert. Und das passe auch gut zur Oberpfälzer Denkweise und Einstellung:

Prüft alles und behaltet das Gute – ich denke, das bringt’s hervorragend auf den Punkt. Clemens Bulitta

Auch Witron war mal ein Start-up

Das Wichtigste aber sei, dass man sich nicht ins Boxhorn jagen lasse von den Herausforderungen, vor denen man stehe: „Wir haben das Handwerkszeug, wir haben die Möglichkeiten, und wir müssen sie eigentlich nur anwenden.“ Als Hochschule wolle man einen Beitrag dazu leisten, gerade den jungen Leuten dieses Handwerkszeug zu vermitteln, um die Probleme zu lösen. Wenn man sich die Erfolgsgeschichte etwa von BHS oder Witron anschaue: „Das war auch mal ein Startup vor gut 50 Jahren, als Herr Winkler mit seiner Frau und einem Gesellen gestartet ist.“

Aber nicht nur die Industrie, auch die Handwerksbetriebe in der Region gehörten dazu: „Akademische Bildung hat nichts mit einem akademischen Grad zu tun, sondern es hat was damit zu tun, Handwerkszeug, das man gelernt hat, also Methoden und Kompetenzen anzuwenden, um neue Lösungen zu finden.“ Das sei die Basis akademischen Denkens: „Das hat nichts damit zu tun, ob ich jetzt einen Bachelor, Master oder Doktor habe oder einen Meister- oder einen Gesellenbrief.“ Die Hochschule stehe nicht im Wettbewerb zur beruflichen Bildung und zum Handwerk – ganz im Gegenteil.

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