Das Mittelmeer: „Die tödlichste Außengrenze der Welt“
Parkstein. Das Mittelmeer ist die „tödlichste Außengrenze der Welt“, sagt Andreas Krahl, Landtagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, der als ausgebildeter Intensiv-Krankenpfleger und Rettungssanitäter selbst auf dem Seenot-Rettungsschiff „Sea-Eye 4“ mitgefahren ist. Krahls Vortrag im fast vollbesetzten Sportheim berührte die Zuhörer sichtlich.
Andreas Krahl berichtet auf Einladung der Grünen-Kreisverbände Neustadt/WN und Weiden von einem wochenlangen Einsatz als First Medical Officer auf der „Sea-Eye 4“, einem Rettungsschiff der spendenfinanzierten gemeinnützigen Organisation Sea-Eye.
Libysche Küstenwache schießt auf Flüchtlinge
Seit Beendigung des Seenot-Rettungsprogramms „Mare Nostrum“ 2014 wurden die europäischen Finanzmittel, also auch deutsche Steuergelder, an die sogenannte „Libysche Küstenwache“ umgelenkt. Diese rüstet sich von diesem Geld mit Waffen aus und schießt auf Flüchtlinge von zwölf Kilometern Entfernung von der Küste aus oder gibt Warnschüsse ab, sobald sich die Sea-Eye 4 nähert.
Die Flüchtlinge sind in einfachen, meist seeuntüchtigen und völlig überladenen Ruderbooten mit Außenbordmotor unterwegs, mit einem einfachen Kompass Richtung Norden, immer geradeaus. Seit 2014 sind nachweislich 25.000 Flüchtlinge ertrunken, 2022 habe es über 2400 Todesfälle gegeben, 2023 werde, belegt durch die laufende Statistik, sicher die Zahl 3000 überschritten, die Dunkelziffer ist jedoch nicht bekannt.
Forderung nach sicheren Fluchtrouten
Andreas Krahl richtet klare Forderungen an die Politik in Bund und Land. Er fordert die Herstellung sicherer Fluchtrouten und die Wiederaufnahme der UNHCR-Programme in Libyen (UNHCR schützt und unterstützt weltweit Menschen, die auf der Flucht vor Verfolgung, Krieg und Gewalt sind). Außerdem ein bayerisches Aufnahmeprogramm, eine unabhängige Länderentscheidung zur Aufnahme von Schiffsflüchtlingen und eine sofortige Einstellung der Zahlungen an die „Libysche Küstenwache“. Und schließlich fordert er, „uns unseren Job machen zu lassen“ ohne immer neue bürokratische Vorschriften, Hemmnisse und angedrohte Repressalien.
In der Diskussion mit den Zuhörern sagt Krahl, die Fluchtursachen müssen soweit möglich bekämpft werden, andererseits „dürfen wir aber gleichzeitig die Menschen nicht im Mittelmeer ertrinken lassen“. Kriege sind weltweit nie ganz zu verhindern und die Klimaveränderungen mit Hungersnöten und Wassermangel wird die Menschen auch künftig in die Flucht treiben.
Auf Nachfrage bestätigt er, dass die Flüchtlinge im vollen Bewusstsein der Gefahren den Weg über das Mittelmeer künftig auch dann antreten, wenn keine Rettungsschiffe mehr im Einsatz sind. Wie verzweifelt die Flüchtenden sein müssen und wie bedroht an Leib und Leben, zeigt sich daran, dass selbst Frauen im neunten Schwangerschaftsmonat die Reise antreten. Bei jedem seiner Einsätze hat er Geburten an Bord miterlebt.
Aus Boatpeople werden wertvolle Arbeitskräfte
Hilfe und Unterstützung für die Geflüchteten dürfen nach Verlassen des Schiffes nicht aufhören, war Krahl sich mit einer Diskussionspartnerin einig. Sprachkurse, Integrationskurse, Hilfestellung bei Behördengängen sind Aufgaben, die der Staat nicht auf Ehrenamtliche abwälzen darf. Im gelungenen Fall wird aus „Boatpeople“ wertvolle Arbeitskräfte, wobei auch Lastwagenfahrer Fachkräfte sind.
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