Den Schwalben gehen die Kuhställe aus: Rettung durch “Schwalbenwinkel”

Hochdorf (Pirk). Die Zahl der Schwalben in Deutschland ist dramatisch gesunken. Es fehlt ihnen an Nistplätzen. Albert Hirmer vom Landesbund für Vogelschutz hat eine Lösung: den "Schwalbenwinkel". Er verschenkt die Nisthilfen an Landwirte.

Schwalbenwinkel LBV
Albert Hirmer (Landesbund für Vogelschutz) zeigt einen von ihm gebauten Schwalbenwinkel. Foto: Christine Ascherl

Immer häufiger werden Kühe in Offenställen gehalten. Die ganzjährige Anbindehaltung soll aus Tierschutzgründen in einer Übergangsfrist auslaufen. Schön für die Kühe. Aber es führt zu einem echten Problem für Schwalben. Die Gebäudebrüter mögen es nicht hell und luftig. Sie bräuchten geschützte Ecken und Winkel. Außerdem hält ihr Nistmaterial nicht an den glatten Flächen der modernen Ställe.

Hier setzt Albert Hirmer an, ein gelernter Tischler aus Hochdorf bei Pirk. Er baut “Schwalbenwinkel”. Dabei handelt es sich um einfaches Konstrukt aus Holz: Es sieht aus wie ein in der Mitte durchgesägter Würfel. In diese künstliche Höhle montiert der Hochdorfer eine Art Schale, die er selbst aus einer Masse aus Zement und Hobelspänen geformt hat.

Und fertig ist der Brutplatz für die Rauchschwalben. Erfunden hat er das nicht selbst. Die Bauanleitung stammt von LBV-Kollege Klaus Janke vom Ammersee. Der “Schwalbenwinkel” würde möglicherweise auch ohne das Zement-Hobelspäne-Nest funktionieren. Allerdings fehlt es den Schwalben für ihre Lehmbauweise an Pfützen. Denn auch das gibt es heutzutage immer weniger: Pfützen.

Die meisten Landwirte sind offen dafür

Im Winter zimmerte Hirmer die Nisthilfen. Im Frühjahr fuhr er durch den Landkreis und suchte Bauernhöfe mit modernen Ställen auf. Die meisten Landwirte hätten ihn überwiegend freundlich aufgenommen. In einigen Scheunen und Ställen hängen jetzt Schwalbenwinkel, unter anderem in der Versuchs- und Lehranstalt Almesbach, aber auch in Irchenrieth, Luhe und Mantel.

Ein Rotviehhalter aus Rupprechtsreuth kam von sich aus auf den LBV-Schwalbenbeauftragten zu. Von ihm gibt es eine schöne Rückmeldung: Bei ihm haben Schwalben erfolgreich ihr Brut großgezogen. Interessierte Landwirte können sich jederzeit bei Albert Hirmer melden, er verschenkt gerne weitere Exemplare seiner selbst gebauten Nisthilfen (0961/34291, albert.hirmer@gmail.com, siehe auch Infokasten). Auch für Pferdestallbesitzer sei die Nisthilfe “Schwalbenwinkel” interessant. Schwalben suchen die Nähe zu Menschen und anderen Tieren.

Schwalben suchen Nähe zum Menschen

Woher kommt die Faszination für die Glücksbringer? Schon als Kind auf dem elterlichen Bauernhof mochte Albert Hirmer die “Sympathieträger”: “Wenn du in den Stall kommst und die Schwalben zwitschern, hast du doch schon ein Lächeln im Gesicht.” Schwalben hätten keinerlei Scheu und ließen sich beim Füttern auch in kurzer Distanz nicht stören.

Hirmer imponiert auch die weite Reise, die Schwalben jeden Winter unternehmen. Einfache Strecke: rund 13.000 Kilometer. Zwei Monate dauert ihr Flug nach Südafrika, eine gefährliche Reise. In manchen Ländern gelten die Singvögel als Delikatesse. Faszinierend auch, dass die kleinen Vögel im Frühjahr exakt an den gleichen Standort zurückkehren. “Wo eine Schwalbe schlüpft, dorthin kehrt sie zurück.”

Auch im Privatgarten ist viel möglich

Den Schwalben gehen die alten Bauernhöfe aus: In Hochdorf waren es früher zwölf Betriebe, jetzt bewirtschaftet nur noch Albert Hirmers Bruder einen Hof. Zugleich fehlt es ihnen immer mehr an Nahrung: Es gibt immer weniger Insekten. Nicht so im Garten von Familie Hirmer in Hochdorf. Er ist ein Experimentierfeld, wie alle möglichen Lebewesen erhalten bleiben können.

Auf seiner Wiese schwirrt und brummt es. Waldbienen haben in den Bohrlöchern eines Baumstammes ihre Eier abgelegt. Unter dem Totholz, das in der Sonne wärmt, verstecken sich Eidechsen. Im Hummelkasten wartet weiche Watte auf eine Hummelkönigin. Ein Rasenmäherroboter wäre vermutlich der Alptraum. Den freundlichen Vogel- und Insektenfreund würde vielmehr freuen, wenn noch mehr seiner “Schwalbenwinkel” in den Ställen der Oberpfalz Einzug fänden.

“Schwalbenwinkel”: Das ist zu beachten

Rauchschwalben sind Indoorbrüter und bauen ihre Nester vorwiegend in größeren Höhen, im Deckenbereich in Viehställen, zunehmend auch in Hallen, Tiefgaragen und Torbögen.

Für die erfolgreiche Ansiedlung der Rauchschwalben ist nach Auskunft von Albert Hirmer Folgendes zu beachten:

  • Der Nistbereich muss für die Schwalben ganztägig zugängig sein.
    Oft ist schon ein Einflugloch in den Raum von 15 x 15 cm ausreichend.
  • Einfache Wand- oder Deckenmontage nur mit einer Schraube.
  • Offene Seite des Schwalbenwinkels abgewandt vom Hauptlicht des
  • Raumes anbringen.
  • Auch im Offenstall einen möglichst dunklen und zugluftgeschützten
    Standort auswählen.
  • Abstand der Nisthilfen zueinander > 4m (Revierverhalten). Beim Aufbau einer Kolonie sind 4 bis 5 Nisthilfen ausreichend.
  • Im Raum horizontale Leinen als Ansitz spannen.
  • Zur Unterstützung beim Nestbau: anlegen einer Lehmpfütze in freiem, übersichtlichem Gelände in unmittelbarer Nähe des Niststandortes. Falls dies in direkter Umgebung nicht möglich ist, gibt es als Starthilfe für den Nestbau den Schwalbenwinkel auch mit Nistschale.
  • Unerreichbar für Katzen und Marder aufhängen.
  • Nicht in der Nähe von großen Ventilatoren anbringen.
  • Die Rauchschwalben müssen sich erst an die neuen Offenlaufställe gewöhnen. Geduld ist angesagt.

Auch der LBV informiert über die Not der Schwalben.

Mission erfolgreich: Dieser Schwalbenwinkel in einem modernen Stall wurde bezogen. Foto: Albert Hirmer
Mission erfolgreich: Dieser Schwalbenwinkel in einem modernen Stall wurde bezogen. Foto: Albert Hirmer
Junge Rauchschwalben in einem Schwalbenwinkel, fotografiert von  Alfred Voss (LBV) aus Etzenricht bei einem Landwirt in Rupprechtsreuth. Foto: Alfred Voss
Junge Rauchschwalben in einem Schwalbenwinkel, fotografiert von Alfred Voss (LBV) aus Etzenricht bei einem Landwirt in Rupprechtsreuth. Foto: Alfred Voss
Auf der Suche nach geeigneten Orten für Schwalbenwinkel: Albert Hirmer (rechts) mit dem Leiter der Lehr- und Versuchsanstalt Almesbach, Georg Hammerl, und der Herdenmanagerin Jasmin Gietl. Foto: Wolfgang Winter
Auf der Suche nach geeigneten Orten für Schwalbenwinkel: Albert Hirmer (rechts) mit dem Leiter der Lehr- und Versuchsanstalt Almesbach, Georg Hammerl, und der Herdenmanagerin Jasmin Gietl. Foto: Wolfgang Winter

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