Der Kastler Feiertag und die Maul- und Klauenseuche

Kastl. Im Rahmen der Vorbereitungen des historischen Erntedankumzugs in Kastl 2020 hat sich Organisator Hans Walter etwas genauer mit der damaligen Zeit auseinandergesetzt und dabei vor allem die Entwicklung der Maul- und Klauenseuche nach dem ersten Weltkrieg genauer untersucht. In einem spannenden Text, samt historischer Zeitungsausschnitte, berichtet er von den Dramen, die sich damals zutrugen. 

Von Hans Walter

“Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs hofften viele darauf, dass die Zeiten bald wieder besser werden würden. Wie katastrophal die Situation für die Bevölkerung war, kann die heutige Generation nur noch erahnen.” Viele, die vom Krieg heim kamen, suchten nach Arbeit. Die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe konnten nicht alle Entlassenen aufnehmen, obwohl der Bedarf da gewesen wäre. Da sie alle gerade so über die Runden kamen, mussten die Familien sehen, wie sie die anfallenden Arbeiten allein stemmen konnten. Nicht selten gab der Hof nur das Nötigste her und konnte nicht auch noch die hungrigen Münder von Knechten und Mägden stopfen.

Die wenigen Unternehmen konnten ebenfalls kaum Personal einstellen, da sie mit der Umstellung ihrer Produktion von Kriegs- zu Zivilgütern und mit Rohstoffknappheit zu kämpfen hatten. Einen kleinen Einblick in die damaligen Vorkommnisse lassen die Ausgaben der Kemnather Zeitung von vor rund 100 Jahren zu.

Politischer Umbruch

Als am Morgen des 8. November 1918 in München rote und gelbe Plakate den Beginn einer neuen Zeit verkünden, weiß noch niemand wie sich die kommenden Tage, Wochen und Monate entwickeln werden. Kurt Eisner liegt eine Verbesserung der Lebensumstände der bisher benachteiligten Bevölkerungsschichten, vor allem der Arbeiterschaft, besonders am Herzen. Durch die politisch wilden Zeiten stürzt das Land in ein seit langem nicht dagewesenes Chaos.

Nahrungsmittelversorgung bricht fast zusammen

Zum Jahreswechsel 1918/19 erreicht die wirtschaftliche Lage Bayerns ein vorläufiges Tief. Die Nahrungsmittelversorgung bricht zusammen, sie erfüllt das Soll von täglich 1500 Kalorien für Normalverbraucher nicht mehr. Deutschland steht mit Bayern vor einer katastrophalen Hungersnot. Eisner versucht die Landwirte dafür zu gewinnen, die Bewohner der Großstädte auch weiterhin mit Nahrungsmitteln zu versorgen.

Historischer Erntedankumzug Kastl Maul und Klauenseuche
Ein Dokument des Kommunalverband Kemnath womit den Bauern auferlegt wurde, wie viel sie zur Ernährung der örtlichen Bevölkerung abführen müssen.

Die Maul- und Klauenseuche bricht aus

Neben der eh schon knappen Lebensmittelversorgung und der katastrophalen wirtschaftlichen Lage wird die Situation in der Region durch den Ausbruch der gefürchteten Maul- und Klauenseuche im Jahr 1920 massiv verschärft.

Historischer Erntedankumzug Kastl Maul und Klauenseuche

So gibt zum Beispiel am 2. September das Bezirksamt Kemnath den Ausbruch der Rinderkrankheit in der Gemeinde Kulmain bekannt. Somit wurde die Ortschaft, wie viele anderen auch, Sperrgebiet, worauf an den Ortseingängen und Flurgrenzen durch Tafeln mit entsprechenden Aufschriften aufmerksam gemacht wurde.

Das betroffene Gehöft erhielt eine Stallsperre, mit der Genehmigung, dass es ausschließlich nur das Krummet einbringen dürfe. Fahrten mit Klauenvieh wurden auf die Ortschaft beschränkt. Fahrten in „seuchenfreie Orte“ waren strengstens verboten und wurden unter Strafe gestellt. Die nicht betroffenen Orte der Gemeinde Kulmain wurden unter Beobachtung gestellt. Über die Einhaltung der angeordneten Maßnahmen hatte der Gemeinderat zu wachen.

Selbsthilfe der Bauern

Am 4. Oktober 1920 fand im Kormannsaal in Kemnath eine Versammlung statt, an der zahlreiche Landwirte aus der Stadt teilnahmen. In dieser Zusammenkunft reifte die Entscheidung, einen „Ortsviehversicherungsverein“ zu gründen, um sich gegenüber dem materiellen Schaden der Maul- und Klauenseuche einigermaßen absichern zu können.

Historischer Erntedankumzug Kastl Maul und Klauenseuche
Ein Immenreuther Metzger preist seine gute Ware an.

Zwei Drittel der Anwesenden traten der neuen Organisation sofort bei. In der sich gegebenen Satzung wurde ein Betrag festgelegt, den der betroffene Landwirt ausbezahlt bekam, wenn ein Rind notgeschlachtet werden musste oder verendete. Die beigetretenen Mitglieder mussten einmalig zwei Prozent der Wertsumme an den Verein entrichten.

Bierhefe gegen die Seuche

Um die Viehseuche in den Griff zu bekommen, wurden alle Mittel versucht. In einem Artikel hieß es Anfang September, dass Forscher in Paris herausgefunden haben wollten, dass Bierhefe gegen die Krankheit helfen solle. Den erkrankten Tieren solle vier Tage lang früh und abends je 250 Gramm in einem Liter Wasser aufgelöste frische Bierhefe zu trinken gegeben werden. Bereits nach einem Tag solle eine Verbesserung zu sehen sein.

Etwas Entspannung brachte die Kartoffelernte im Herbst 1920. „Der Ertrag ist im allgemeinen ein zufriedenstellender“, hieß es am 25. September.

Metzger werben für seuchenfreies Fleisch

Historischer Erntedankumzug Kastl Maul und Klauenseuche

Die Situation trieb seltsame Früchte. So sah sich ein Kemnather Metzger Anfang September dazu genötigt, in der Kemnather Zeitung darüber zu informieren, dass die Ware in seinem „Fleischladen“ aus einem seuchenfreien Stall in Wirbenz stamme. Die Kuh wurde ihm als Notschlachtung vom zuständigen Bezirkstierarzt zugewiesen.

Der öffentliche Kauf und Verkauf von Fleisch wurde immer schwieriger, da die Bevölkerung unsicher war, welche Ware man bekommen würde. Ein Metzgermeister in Immenreuth machte in einer Anzeige darauf aufmerksam, dass er zur Kirchweih seine Metzgerei öffne und dass zugleich für „prima Rind- und Schweinefleisch gesorgt ist“.

Neid und Missgunst

Historischer Erntedankumzug Kastl Maul und Klauenseuche

Zugleich gab es in der Bevölkerung wohl auch viel Missgunst und Gerüchte machten umso schneller die Runde, konnte man so den ungeliebten Nachbarn schnell in Verlegenheit bringen. So sah sich ein Drechsler aus Kemnath dazu veranlasst, eine „Warnung“ in der Zeitung abdrucken zu lassen: “Diejenige Person, welche aufgebracht hat, ich oder meine Frau hätten den Stall des Herrn Max Ponnath, Viehhändler von hier, während er die Maul- und Klauenseuche hatte, betreten, erkläre ich solange für ganz schlecht, niederträchtig, charakter- und ehrlos, bis sie mich gerichtlich belangt. Wir haben ja den Stall überhaupt noch nie betreten. Ich warne hiermit gegen Weiterverbreitung, da ich gegen solche rücksichtslos gerichtlich vorgehe.”

Behörde appelliert an Bauern: Impfen lassen!

Historischer Erntedankumzug Kastl Maul und Klauenseuche

Die Maul- und Klauenseuche bereitet den Landwirten und Behörden immer größere Probleme. Entsprechend energisch sind die Aufrufe, die im Oktober 1920 zu lesen sind. Mit einem erneuten Appell richteten sich die Bezirksbauernkammer Kemnath und der Bezirkstierarzt an die Landwirte, in dem sie auf die bestehenden Bestimmungen zur Eindämmung der Seuche und auf die Möglichkeit des Impfens der Tiere gegen die Maul- und Klauenseuche hinwiesen.

Vor allem appellierten sie an alle Landwirte, deren Bestände noch nicht befallen waren, von der neuen Form der Impfung Gebrauch zu machen. Dazu brauchten sie Blut von Tieren, die die Seuche überlebt haben, welches an gesunde Tiere weitergegeben werden sollte um diese damit schützen zu können. Anscheinend gab es aber gegen die Impfung noch viele Vorbehalte, weshalb der Appell umso dramatischer geschrieben war.

Historischer Erntedankumzug Kastl Maul und Klauenseuche

Große Probleme durch Unachtsamkeit

In einem weiteren Artikel wird auf die Situation im Amtsbezirk Kemnath intensiv eingegangen. „In den weitaus meisten Fällen ist der Ausbruch der Seuche auf Verschleppung zurückzuführen. Und besonders in dieser Beziehung wird noch am meisten gesündigt. Da sieht man, speziell an Samstagen, Leute aus verseuchten Orten nach Kemnath, das zum Teil selbst verseucht ist, und nach anderen noch nicht verseuchten Orten wandern, da werden die Wirtshäuser und sonstige Orte, an denen allgemeine Menschenansammlungen stattfinden, aufgesucht, ja selbst auf Ställe dehnt man seine Besuche aus, gerade als wenn es gar keine Ansteckungsgefahr gäbe. Da gehen die Dienstboten in eine benachbarte Ortschaft, sich im Wirtshause zu unterhalten, gerade, als wenn niemand wüsste, dass besonders durch die Kleidung der Ansteckungsstoff vertragen wird.”

“Das muss anders werden, wenn die behördlich angeordneten Schutzmaßregeln etwas nützen sollen. Jeder Landwirt, jeder Knecht, jede Magd usw. müssen im eigensten Interesse, im Interesse der Allgemeinheit so viel Selbstzucht üben, um alles zu vermeiden, was die Ausbreitung der Seuche noch verwehren kann. Ein einziger Besuch aus einem verseuchten Gehöft kann einem unermesslichen, ja tausende von Mark Schaden bringen. In Anerkennung der großen Gefahr hat sogar das bischöfliche Ordinariat die Leute aus verseuchten Gehöften vom Besuche des Gottesdienstes an Sonntagen dispensiert und den Kindern ist der Schulbesuch behördlich verboten. Den Schaden bei weiterer Verbreitung haben nicht nur die Viehbesitzer allein, es trifft bei weiterem Umgreifen der Seuche auch die Verbraucherpreise wegen der Einschränkung des Milchverbrauches ungemein schwer.“

Neue Regeln sollen Ausbreitung verhindern

Um das Verbreiten der Seuche irgendwie in den Griff zu bekommen, gab der Bezirk am 2. Oktober 1920 die Anordnung heraus, dass Hunde nicht unbeaufsichtigt frei herumlaufen durften, bis die Seuche wieder vorbei war. Einen Tag später gibt der Ortsviehversicherungsverein in Absprache mit der Zuchtviehhaltungsgenossenschaft bekannt, dass das Deckenlassen der gesunden Rinder bis zum 17. Oktober 1920 ausnahmslos verboten und einzustellen ist.

Neben dem örtlichen Viehversicherungsverein bot zum Beispiel auch die Württembergische Versicherung eine Viehversicherung für Rinder, Pferde und Zuchtsauen an. Allerdings konnten sich dort nur Landwirte aus seuchenfreien Orten versichern.

Keine Kirwafeste

Historischer Erntedankumzug Kastl Maul und Klauenseuche

Wie verzweifelt die Situation wegen der Seuche in den Ortschaften war, zeigt sich in der Tatsache, dass einige Gasthäuser keine Kirchweihfeiern in ihren Wirtschaften veranstalteten und bis auf weiteres verschoben, wie zum Beispiel eine Gastwirtschaft in Filchendorf.

Wie angespannt die Lebensmittelversorgung war, zeigt auch eine weitere Bekanntmachung vom 2. Oktober 1920. Der Stadtrat könne 200 Zentner Kartoffeln zum Preis von 20 Mark für den Zentner zur Verfügung stellen. „Minderbemittelte, wirklich bedürftige arme Leute, wollen sich für die Zuweisung dieser Kartoffel binnen drei Tage bei der Stadtratskanzlei melden.“

Regierung annähernd machtlos

Historischer Erntedankumzug Kastl Maul und Klauenseuche

In den Wochenberichten des Regierungspräsidiums der Oberpfalz und von Regensburg nach München tauchte die Nachricht über den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche erstmalig am 17. Mai 1920 auf. In den ersten Wochen fand die Seuche in Regensburg wohl nur wenig Beachtung. Erst als sich die Nachrichten und die Häufigkeit der Krankheit mehrten, wurde darüber ausführlicher nach München berichtet.

Am 6. Juli 1920 stand im Bericht, dass Zwangsbefugnisse im Interesse der Allgemeinheit für die Behörden von Vorteil wären, weil den Leuten mit guten Worten nicht mehr beizukommen wäre. „Unerfreulich ist der Egoismus mancher Bauern, die die Blutabgabe seuchenkranker Tiere für Impfzwecke mit dem Ausspruch verweigern:”

“Ist unser Vieh nicht von der Seuche verschont geblieben, so sollen die anderen Orte sie nur auch bekommen.“

Fast 7.000 betroffene Bauernhöfe in der Oberpfalz

Historischer Erntedankumzug Kastl Maul und Klauenseuche

Waren es im Juli noch 1.030 Gehöfte gewesen, stieg die Zahl der befallenen Höfe im September bereits auf 2.942 Ställe und im Oktober auf 6.684 Anwesen in der Oberpfalz. Aus einer Statistik vom 17. Januar 1921 geht hervor, dass im Jahr 1920 in der Oberpfalz 108.424 Rinder, 38.490 Schafe, 56.840 Schweine und 4.413 Ziegen an Maul- und Klauenseuche erkrankt und gestorben sind. Das entspricht in etwa einem Viertel der Rinder, der Hälfte der Schafe, einem Drittel der Schweine und einem Zehntel bei den Ziegen.

Bedenkt man, dass sich viele der Höfe oft nur eine Kuh, eine Färse und einen Ochsen sowie zwei Schweine und ein paar Ziegen leisten konnten, bedeutete dies bei vielen wohl den wirtschaftlichen Totalverlust des Tierbestandes und die Not war entsprechend groß. Im Frühjahr 1921 flachte die Krankheit allgemein wieder ab, wobei die Sorge groß war, dass sie mit dem Arbeiten auf dem Feld wieder ausbrechen würde.

Die Maul- und Klausenseuche in Kastl

Am 16. September 1920 informierte das Bezirksamt, dass die Seuche nun auch in Kastl angekommen sei. Der übrige Gemeindebezirk, ferner die Gemeinde Wolframshof ohne die Ortschaft Weha und Unterbruck wurden zum Beobachtungsgebiet erklärt. Auch hier galten die bisherigen Maßnahmen, worauf das Amt in der Bekanntmachung hinwies.

Historischer Erntedankumzug Kastl Maul und Klauenseuche
Das Gossenanwesen, wo in Kastl erstmals die Seuche ausgebrochen ist.

Der Seuchenausbruch war für die Gemeinde Kastl ebenso wie für alle anderen Ortschaften eine große Belastung. Wie ein Lauffeuer ging die Nachricht durch das Dorf, dass „beim Gossen d`Maul- und Klauenseich is“. Zahlreiche der angeordneten Maßnahmen griffen nun auch für Kastl und die betroffenen Familien. Hinweisschilder wurden angebracht, der Zutritt zu dem Anwesen war verboten.

Bauer spannt sich selbst vor Egge

Problematisch wurde es für die Bauern, da die Tiere notwendig für die Kartoffel-, Rüben- und Krauternte gebraucht wurden, ebenso für das Bestellen der Felder. So hatten manche nur die Möglichkeit, die beladenen Wägen zusammen mit Knecht und Magd selbst heimzuziehen. Von einem Bauern wird erzählt, dass er sich und seine Dienstboten selbst vor eine Egge spannte, um das Feld für die Saat herrichten zu können. Auch das Ausleihen von Pferden von anderen Landwirten war problematisch, da jeder fürchtete, sich so die Seuche in den eigenen Stall zu holen.

Hass und Neid waren hier ebenfalls nicht weit auseinander. Von einem anderen Bauern wird erzählt, dass er den Schaum am Mund seiner befallenen Tiere in einer Flasche gesammelt und diese durch ein offenes Fenster in den Stall seines Nachbarn geworfen habe, damit auch dessen Rinder die Seuche bekämen.

Glaubensgelübde soll helfen

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Pfarrer Alexius Sperl

In ihrer großen Not suchten viele aus der Bevölkerung Linderung im Glauben und bei der Kirche. Pfarrer Alexius Sperl – auch er betrieb damals noch eine eigene kleine Landwirtschaft – konnte die Sorgen und Nöte seiner Gläubigen gut verstehen und nachvollziehen. Deshalb schlug er ihnen vor, ein Gelübde abzulegen.

An einem Sonntagnachmittag lud er alle Bauern des Dorfes ins Gasthaus Vetter ein. Im Saal standen auf einem Tisch brennende Kerzen und ein Kreuz. Feierlich gelobten die Männer, dass sie in Zukunft „Maria Lichtmess“ am 2. Februar als Feiertag begehen und durch den Empfang der Sakramente heiligen wollten. „Waren damit auch die drängenden Probleme nicht gelöst, so hatte man doch wieder Hoffnung geschöpft, als man auseinanderging“, heißt es in einer Überlieferung.

Anscheinend hat das Gelöbnis im Wirtshaussaal geholfen, denn seitdem hat es in der Pfarrei keine Tierseuche mehr gegeben und der Feiertag wird von einigen noch heute in Ehren gehalten, auch wenn er seine einstige Bedeutung auf jeden Fall verloren hat.

Blick in die Pfarrchronik

Bei einem Blick in die Pfarrchronik findet man bei den Aufzeichnungen von Pater Augustin Klier einen Eintrag zu einer schweren Rinderseuche. So schrieb er im Jahr 1796 folgendes: „Kaum waren die größten Kriegsgefahren (damit waren die Franzosen gemeint, die im August 1796 in Kastl waren) in unserer Gegend überstanden, so trat im Monat September noch ein größeres Übel ein, welches gemeiniglich eine richtige Folge des Krieges ist. Eine in jeder Rücksicht gefährliche Viehseuche unter dem Hornvieh raffte nach und nach fast im ganzen Land eine unzählige Menge der Ochsen, Kühe und Kälber hin. Auch das hiesige Dorf betraf dieses Unglück, so dass aus manchem Stall 3, 5, 8, auch noch mehr Stücke gefallen sind. Anfangs musste das tote Vieh samt der Haut eingegraben werden. Endlich durfte man die Haut dennoch abziehen. Das gefallene Vieh wurde hier in Kastl auf das sogenannte Rethangerl eingescharrt. Der hiesige Pfarrhofstall blieb, dem Himmel zu Dank, noch unbeschädigt. Es war eine ungarische Krankheit, wofür fast kein Mittel geholfen hat.

Doch um das Vieh von dem Falle zu präservieren, war folgendes das Beste. Alle Tage machte man einen Rauch von Gramlreis (Wachholder) 3 Mal in dem Stall. Alle 8 Tage wurden in die Ecken des Stalls 6 Zwiebeln, jede in 4 Teile zerschnitten und abgeschält, an einem Faden aufgehängt, die man nach dem Gebrauch allemal wieder verbrennen musste. Dann nahm man 1 Lot Angelikawurzel, 2 Lot Allandwurz. Beide Gattungen wurden zu Pulver gestoßen und dann diese 3 Lot zusammenvermischt. Von diesem Pulver gab man jedem Vieh die Woche 3 mal 2 Kaffeelöffel voll in einem gesottenen oder auch ungesottenen Erdapfel ein. Auch wurde öfters die Nase des Viehs mit Wagenschmiere geschmiert. Dem kranken Vieh aber gab man alle Tage 2 Kaffeelöffel voll.

Historischer Erntedankumzug Kastl Maul und Klauenseuche
Ein Bild des heiligen Wendelin in der Pfarrkirche in Kastl

Auch hat man dem gesunden Vieh immer viel Salz unter das Futter oder Wasser gemengt und Geißböcke in dem Stall behalten. Es ist daher das Vieh von dem 1. September an nicht mehr aus dem Stall gekommen, noch weniger aber eine fremde Person in selben gelassen worden. Diese Seuche hatte über 4 Monate fortdauernd angehalten, wodurch ein großer Mangel an Fleisch und Butter verursacht wurde. Zu dem Ende ist in hiesiger Pfarr in allen Dörfern das Vieh auf öffentlichen Weiden benediciert (geweiht) und gesegnet worden. Auch hat die hiesige Gemeinde zu Ehren des hl. Wendelinus ein solemnes Hochamt halten lassen und den Festtag dieses Heiligen gänzlich gefeiert, wo nachmittags die öffentliche Bittstund unter Aussetzung des Ciboriums gehalten wurde.“

Bilder: Verschiedene Zeitungsanzeigen der damaligen Kemnather Zeitung, archiviert in der bayerischen Staatsbibliothek in München

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