Deutliche Worte eines Rettungssanitäters zu den Krankenhaus-Reformplänen

Tirschenreuth/Weiden. Im Ringen um die Reform der Kliniken Nordoberpfalz spricht der Tirschenreuther Rettungssanitäter Johann Sebastian Jokiel deutliche Worte zur Politik der KNO.

Die Zentrale Notaufnahme am Krankenhaus Tirschenreuth soll nur noch stundenweise geöffnet sein. Darüber regt sich der geballte Protest bei Bevölkerung, Ärzten und Pflegepersonal. Foto: Kliniken Nordoberpfalz AG

„Die Zentrale Notaufnahme am Krankenhaus Tirschenreuth ist die Anlaufstelle für Rettungsdienste sowie alle Notfallpatienten und bietet eine Basis-Notfallversorgung. Rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche, sichert ein interdisziplinäres Team die umfassende und kompetente Versorgung aller Notfallpatienten.“ So steht es (noch) auf der Homepage der Kliniken Nordoberpfalz (KNO) AG geschrieben. Wie lange noch? Werden die mit den Trägern der KNO ausgehandelten Sparpläne Realität, wird die Notaufnahme in Tirschenreuth in der bisherigen Form bald Vergangenheit sein.

„Jede Minute zählt“

Weiter ist auf der KNO-Homepage zu lesen: „Jede Minute zählt bei der Versorgung von schwer erkrankten und schwerverletzten Patienten. Genau wie die Rettungs- und Notarzt-Dienste arbeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zentralen Notaufnahme am Krankenhaus (Tirschenreuth) daran, die Zeiten zwischen dem Eintritt der Verletzung / Erkrankung und dem Beginn der Behandlung möglichst kurzzuhalten. Dafür wird die Dringlichkeit der Behandlung eingestuft – man spricht von einer Triage.“

Rettungssanitäter spricht Klartext

Unter der Überschrift „Gesundheitspolitik im Landkreis Tirschenreuth – Zwischen Fakten und
Verschleierungen“ spricht der 27 Jahre alte Rettungssanitäter Johann Sebastian Jokiel „Klartext über die einseitigen Strukturveränderungen und die Rolle von Weiden im Klinikums-Konflikt“. Die Zeitungsartikel diverser Regionalzeitungen in jüngster Vergangenheit weckten bei vielen Bürgern den Anschein, dass die Umstrukturierung der KNO bereits beschlossene Sache sei und sich Landrat Roland Grillmeier und der Tirschenreuther Kreistag von den Weidenern über den Tisch hätten ziehen lassen.

Der Tirschenreuther Rettungssanitäter Johann Sebastian Jokiel geht mit der “Weiden-First-Politik” der KNO hart ins Gericht. Foto: privat

„Hochleistungs-Ambulanz eine Schönfärberei“

„Die hochgelobte ‚Hochleistungs-Ambulanz‘ wird von den Bürgern als Schönfärberei
wahrgenommen, zur Verschleierung der gravierenden Konsequenzen einer fehlenden
regulären stationären und Notfallversorgung in den Landkreisen Tirschenreuth und Neustadt/WN“ sagt der Masterand für Wirtschaftsingenieurwesen und Absolvent der Brau- und Getränketechnologie. Genauso wenig könne auch kein „Hochleistungskiosk“ der Welt ein leerstehendes Kaufhaus ersetzen.

Für Jokiel bestehen erhebliche Zweifel an der Durchdachtheit dieses Modells des Hauptbetreibers Weiden, insbesondere wenn es um die Notfallbehandlung rund um die Uhr gehe. „Medizinische Notfälle halten sich nicht an Öffnungszeiten, eine Notaufnahme ist kein Amt. Trotz immer weiterer Odysseen sind unsere wenigen und nicht jünger werdenden Notärzte nicht die persönlichen Verlegungsärzte der KNO“, so der Sanitäter. „Wo sollen denn fortan all die Notfälle behandelt werden?“

Da helfe auch die Ankündigung des Aufsichtsratsvorsitzenden Jens Meyer nichts, geeignete Flächen in Weiden für einen eine halbe Milliarde Euro teuren Neubau zu suchen, der irgendwann ab 2040 die Minderversorgung kompensieren könnte, nicht viel. Jokiels Meinung nach sollte man für einen derartigen Neubau einen Platz an der A93 zwischen Wiesau und Windischeschenbach suchen.

„Weiden-First Politik“

Entsprechende Pläne dafür habe es schon gegeben, genauso wie ein Gutachten im Zuge der KNO-Gründung, das ursprünglich die Schließung des Standorts Weiden zugunsten der
wirtschaftlicheren nördlichen Häuser vorgesehen habe. Das seien zwei Tatsachen, die mit der fast zwei Dekaden dauernden „Weiden-First Politik“ in Vergessenheit geraten seien. Jokiel: „Die Wiederholung des Mantras der Alternativlosigkeit durch die regionalen Politik-Fürsten empfinde ich als arglistige Täuschung der ländlichen Bevölkerung.“

Der Verband der Gesetzlichen Krankenkassen habe klare Kriterien für eine ausreichende
Krankenhausversorgung erarbeitet: KNO-Vorstand Michael Hoffmann müsse sich vorwerfen lassen, lediglich ein Konzept auf Kosten der Bevölkerung der zwei Landkreise erarbeitet zu haben, jedoch keine Alternativen. „In den vergangenen 17 Jahren wurden immer Einschnitte in Neustadt und Tirschenreuth gemacht, aber niemals im Mutterhaus Weiden, das im Gegenteil unnötig hochgerüstet wurde.“

Keine Konsolidierung durch Finanzspritzen

Die flächendeckende Versorgung werde so endgültig der Weidener Großmannssucht geopfert und der gesundheitspolitische Kahlschlag werde als alternativlos verkauft, weil Herr Hoffmann sonst Insolvenz anmelden müsse. „Und der Bürgermeister der Kreisstadt spricht in der Misere wieder nur die Worthülse des vorsichtigen Optimismus aus. Mit der Drohkarte Insolvenz glaube der KNO-Vorstand, die erforderlichen Unterschriften für eine
erneute Finanzspritze zu erhalten. Konsolidiert hat sich dadurch in den letzten 17 Jahren nichts.“

Schonungslos auf den Prüfstand

Vor einer Insolvenz müsse am meisten Weiden Angst haben. „Dann helfen auch keine Bilanzverschönerungen mehr oder die Verkündung von Defizitzahlen an den Bürger als Schreckensszenario.“ Bei einer Insolvenz käme alles schonungslos auf den Prüfstand, auch Weiden. „Da hilft dann auch die Weidener Stimmenmehrheit im Aufsichts- und Verwaltungsrat nichts mehr.

Da wird nach den exorbitanten Abfindungen in jüngster Vergangenheit gefragt, nach den Gehältern in manchen Chefetagen, neuer Tiefgarage ohne Funkempfang, Heli-Platz, Bedarf einer Neurochirurgie oder den Da-Vinci-OP-Roboter“, sagt Johann Sebastian Jokiel.

Weiden keine dritte Säule

Das Klinikum Weiden sei im Krankenhausbedarfsplan ein Mittelzentrum und keine dritte Säule zu den Unikliniken Regensburg und Erlangen. „Statt den 160.000 Bürgern in zwei Flächenlandkreisen unsinniger Weise die dringend notwendige Krankenhaus-Akutversorgung wegzustreichen, muss der Rotstift auch mal am Klinikum Weiden, dem ausufernden Verwaltungsapparat sowie den Aufwandspauschalen der fachfremden Aufsichts- und Verwaltungsräte angesetzt werden“, resümiert der Tirschenreuther Rettungssanitäter.

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3 Kommentare

xx IrMi - 11.01.2024

traurig, teuer, unsinnig – aber leider wahr

RS - 10.01.2024

Das Krankenhaus in TIR ist Klasse. Wir mussten in 2022 (weil in WEN jeder OP besetzt war) und dann in 2023 die Notaufnahme in Anspruch nehmen. Auch der folgende stationäre Aufenthalt war medizinisch und menschlich spitze. Engagierte freundliche Behandlung, klasse Ärzte. Ich bin übrigens aus Weiden und dankbar dass wir in TIR behandelt wurden. Kürzungen wären bei den Gehältern der Vorstände angebracht, nicht im Krankenhaus TIR.

Norbert Schnödt - 10.01.2024

Diesem Bericht kann man eigentlich nichts mehr hinzufügen. Hier wird endlich einmal Klartext gesprochen.