Die Windenergie kommt in Bayern und in der Oberpfalz nur schleppend voran

Neustadt/WN/Tirschenreuth. Vor gut einem Jahr stellte Wirtschaftsminister Robert Habeck seine Strategie vor, den Ausbau der Windkraft im Land voranzutreiben. In Bayern und in der nördlichen Oberpfalz bleibt man noch deutlich hinter den Zielen zurück.

Der Ausbau der Windenergie kommt in Bayern nur schleppend voran. Das Foto zeigt ein Windrad bei Freudenberg (Landkreis Amberg-Sulzbach), wo man seit vielen Jahren beachtliche Einnahmen durch die Windenergie generiert. Archivbild: Bürgerwind Freudenberger Oberland GmbH & Co. KG

Windkraft – sauber, aber hochumstritten: Ärgernis im Landschaftsbild, Lärmhorror in Ortsnähe, Albtraum für Vogelschützer. Die Folge: Akzeptanzverlust. Wie geht es weiter mit der Windkraft? Die Bürger für die Windkraft gewinnen – das kann gehen, wenn möglichst viele Menschen am Gewinn teilhaben können, zum Beispiel mit Bürgerwind-Gesellschaften. Sie werden bevorzugt genehmigt.

Gegenüber den sehr schwachen vergangenen Jahren ist die Zahl der Genehmigungen für neue Windkraftanlagen in Deutschland deutlich nach oben gegangen. Laut den aktuellen Zahlen der Bundesnetzagentur wurden im Jahr 2023 insgesamt 1466 neue Windräder genehmigt. Das Bundeswirtschaftsministerium teilte mit, dass im vergangenen Jahr so viele Windrad-Genehmigungen erteilt wurden wie seit 2016 nicht mehr. Es seien fast acht Gigawatt an Stromleistung neu genehmigt worden, das sei ein Plus von 80 Prozent. “Allerdings beginnen jüngst in Kraft getretene Maßnahmen gerade erst zu wirken”, so das Ministerium. “Weitere sind angeschoben. Sie haben bei konsequenter Umsetzung Potenzial für noch mehr Beschleunigung.”

Bayern weiter abgehängt

Im Vergleich der Bundesländer zeigen sich erhebliche Unterschiede. Der Aufwärtstrend ist aber fast überall deutlich zu erkennen. Spitzenreiter bei den Neugenehmigungen ist Nordrhein-Westfalen mit deutlichem Abstand. Hier wurden 364 neue Windräder genehmigt. Das flächenmäßig größte Bundesland Bayern bleibt weiter abgehängt. Mit lediglich 17 Genehmigungen liegt Bayern auch deutlich hinter den kleineren Bundesländern und mit Abstand auf dem letzten Platz unter den Flächenstaaten. Im vergangenen Jahr gingen im Freistaat sieben neue Windkraftanlagen in Betrieb. 45 wurden beantragt. Das geht aus einer Antwort des Bauministeriums auf eine Landtagsanfrage der Grünen hervor. Damit liegt Bayern weiter hinter den Ausbauzahlen der ersten Phase der Energiewende bis 2014 zurück.

Etwas besser, aber lange noch nicht gut, sieht es in Bayern heuer aus. In den ersten fünf Monaten des Jahres wurde für 90 Windenergieanlagen die Genehmigung beantragt, 16 davon wurden genehmigt. Wie das Bayerische Wirtschaftsministerium auf Anfrage des Nordbayerischen Kurier berichtete, stammen 27 Anträge aus Oberfranken (drei Anlagen genehmigt). Die durchschnittliche Leistung pro beantragter Anlage liege bei rund 6,7 Megawatt. „Der Ausbau der Windkraft in Bayern ist weiterhin ein Totalausfall“, kritisiert Martin Stümpfig, Energiefachmann der Grünen-Landtagsfraktion. Das Wirrtschaftsministerium ist dennoch zuversichtlich, das Ziel von 1000 neuen Windrädern bis 2030 zu erreichen. Der Antragstau geht bis ins Jahr 2014 zurück, als der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) trotz großer Bedenken und Einwände aus der bayerischen Wirtschaft und der Opposition den Bau von Windrädern und Stromtrassen bremste.

Die meisten Kommunen machen mit

Wie sieht es mit dem Ausbau der Windenergie in der Region aus? Aktuell sind nur 0,1 Prozent der Fläche in der nördlichen und mittleren Oberpfalz für Windräder ausgeschrieben – und davon wird nicht einmal alles genutzt. Grundsätzlich geeignet wären aber zwölf bis 20 Prozent, so eine Potenzialanalyse der Regierung der Oberpfalz. Diese 0,1 Prozent müssen jetzt gesteigert werden – und zwar, weil der Bund die Windkraft ankurbeln will. Zuständig dafür ist der Regionale Planungsverband Oberpfalz Nord. Bereits Ende 2022 bat dieser seine 125 Mitgliedskommunen und die vier Landkreise Amberg-Sulzbach, Neustadt/WN, Schwandorf und Tirschenreuth um Mitwirkung bei der Fortschreibung des Regionalplans Windenergie. Mehr als 90 Prozent der Kommunen meldeten geeignete Räume für die Nutzung von Windenergie auf ihrem Gemeindegebiet. “Eine spürbar positive Einstellung der Kommunen, ihren Beitrag zum Erreichen des Flächenziels zu leisten”, lobte Neustadts Landrat und Verbandsvorsitzender Andreas Meier (CSU) Anfang des Jahres.

Diese positive Einstellung ist dringend nötig, hat sich aber bei der jüngsten Zusammenkunft des Regionalen Planungsverbands in Neustadt/WN vor einer Woche nicht gerade verfestigt. Keiner der Bürgermeister und Landräte aus den vier Landkreisen und kreisfreien Städte zeigte sich laut O-Netz überzeugt von den Plänen. Viele kritisierten die Vorgaben als “Zumutung und Eingriff in die Planungshoheit der Gemeinden”. Wohl auch deshalb haben zahlreiche Kommunen ihre “Hausaufgaben”, sprich die Meldung von Vorranggebieten für Windkraftanlagen, nicht oder nur unzureichend gemacht. Laut Bundeswirtschaftsministerium müssen bis Ende 2027 1,1 und bis Ende 2032 sogar 1,8 Prozent der Landfläche für Windkraft reserviert werden. Falls dieser Schwellenwert nicht erreicht wird, gibt es eine “generelle Privilegierung der Windkraft”. Das bedeutet, dass dann die 10H-Regelung sowie Ausschlussgebiete in Regional- und Bauleitplänen der Kommunen außer Kraft gesetzt werden.

Was bedeutet die 10H-Regel?

Die bayerische 10H-Regelung ist eine Mindestabstandregelung für Windkraftanlagen zu Siedlungen und wurde 2014 von der CSU unter Ministerpräsident Horst Seehofer beschlossen. Ein modernes 200 Meter hohes Windrad muss demnach einen Abstand von zwei Kilometern (10 × 200 m) zu Wohnbebauungen haben.

Am 16. November 2023 wurde die 10H-Regelung gelockert. Das bedeutet, dass beispielsweise in Wäldern, nahe Gewerbegebieten, an Autobahnen, Bahntrassen und Wind-Vorrang- sowie Vorbehaltsgebieten der Abstand der Windräder zur Wohnbebauung auf 1000 Meter reduziert wird. In Wind-Vorranggebieten wurde dieser Abstand im Juni 2023 gemäß der Vorgabe des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auf rund 800 Meter zu Wohnbebauung verringert.  

“Investoren reiben sich die Hände”

Verbandsvorsitzender Andreas Meier appellierte deshalb an seine Kollegen, die Planungen voranzutreiben, auch wenn das vielen nicht gefalle. “Je länger weitere Meldungen ausbleiben und der Regionalplan nicht fortgeschrieben wird, desto mehr reiben sich die Investoren die Hände.” Denn diese Windkraftfirmen versuchten jetzt schon, mit Grundeigentümern Vorverträge abzuschließen. “Je mehr Zeit vergeht, desto weniger kann eine Kommune dies verhindern”, betonte Meier.

Axel Koch und Patrick Dichtler von der Regierung der Oberpfalz erläuterten bei der Versammlung, dass zunächst drei bis vier Prozent der Landesfläche gemeldet werden müssten. Nur so könne man die geforderten 1,8 Prozent erreichen, die dann die geeignetsten Standorte abbilden sollen. Bisher könne man mit maximal 2,4 Prozent der nord- und mitteloberpfälzischen Fläche arbeiten.

Der Wind-Regionalplan Oberfalz Nord. Grafik: Regierung der Oberpfalz

Zügig Flächen melden

Wie gehts weiter mit den Windenergieplänen des Regionalen Planungsverbands? Die Kommunen sollen zügig Flächen nachmelden, die dann einzeln untersucht werden. Der Planungsverband beschließt ein formelles Anhörungsverfahren, das bis Ende Oktober dauert. Das Ergebnis wird in der nächsten Sitzung vorgestellt, dem wohl das nächste Anhörungsverfahren folgt, ehe es einen Beschluss gibt und die Fortschreibung des Regionalplans mit den Windstandorten in Kraft treten kann. Demgegenüber steht das Damoklesschwert der geforderten 1,1 Prozent der Flächen für Windkraft bis 2027.

In Regionen und Kommunen ohne verbindlichen Windkraftsteuerungskonzepte sind aktuell Windenergieanlagen (WEA) in vielen Räumen zulässig, in denen bislang die 10H-Regelung sowie weitere Schutzverordnungen den Bau von Windrädern verhindert haben. Das betrifft auch die Planungsregion Oberpfalz-Nord. Laut Planungsverband sind unter Berücksichtigung der erforderlichen Windgüte aktuell circa zwölf Prozent der Fläche in der Region beplanbar.

Der Windpark Erbendorf/Wildenreuth wurde 2003 gebaut. Die drei Windräder leisten insgesamt 2,55 Megawatt. Foto: Wind7

Es gibt noch viel zu tun

Will der Planungsverband seine Ziele vor allem im Norden des Regierungsbezirks erreichen, gibt es noch viel zu tun. Bisher drehen sich nämlich in den Landkreisen Neustadt/WN (zwei in Waidhaus, eine bei Altzirkendorf/Kirchenthumbach) und Tirschenreuth (Bärnau, Erbendorf, Falkenberg) nur jeweils drei Windenergieanlagen mit circa 15 Windrädern. Zurzeit liegen dem Landratsamt Neustadt/WN zwei Anträge auf die Errichtung und den Betrieb von insgesamt sechs Windenergieanlagen vor (Tännesberg und Parkstein).

Bundeswehr-Veto verhindert Windenergieanlagen

Ein erst vor wenigen Monaten bekanntgewordenes weiteres Problem für den Bau von Windenergieanlagen ist die Bundeswehr. Vermehrt legt sie seither ihr Veto gegen Vorhaben ein, die eine bestimmte Höhe über dem Meeresspiegel (762 m) überschreiten. Grund: Solche Anlagen würden das Radar beeinträchtigen.

Die Firma Natural Energy Solutions (NES) hatte zuvor mehrere Jahre vergeblich versucht, beim Landratsamt Tirschenreuth die Genehmigung für acht Windenergieanlagen im Hessenreuther Wald zu bekommen. Die Windenergieanlagen sollten zwischen 200 und 233 Meter hoch werden und hätten zwischen 6,0 und 6,2 Megawatt leisten sollen.

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