Dorothea Woiczechowski-Frieds Migrations-Ruckrede: Appell gegen Feinde der Demokraten
Neuhaus. Trotz oder gerade wegen des eigenen Traumas der Verfolgung, hat sich Dorothea Woiczechowski-Fried zeitlebens für andere eingesetzt. Die jüdische Kinderärztin verwehrt sich in ihrem flammenden Appell gegen Versuche der in weiten Teilen antisemitischen AfD, Juden und Muslime gegeneinander auszuspielen.

Wenn man Dorothea Woiczechowski-Fried in die wachen Augen blickt, merkt man der zierlichen alten Dame die 80 plus nicht an. Eingebrannt in ihre Seele hat sich die Angst um ihre jüdische Mutter, die sich im Berlin der 40er Jahre als Ehefrau eines Nichtjuden freiwillig der Gestapo auslieferte – in der Hoffnung, so die Familie vor Verfolgung zu bewahren.
Diese mutige Frau wurde zwar aufgrund der Courage der Frauen und Männer, die in der Rosenstraße für die Freilassung ihrer jüdischen Angehörigen protestierten – ein im Terrorsystem der Nazis beispielloser Akt des Widerstands – tatsächlich auf freien Fuß gesetzt. Vom Misstrauen gegen den tief verwurzelten Antisemitismus konnte sie sich aber aus gutem Grund nicht befreien.
Und auch Dorothea, die spätere Kinderärztin mit einer beeindruckenden Ahnengalerie jüdischer Ärzte und Wissenschaftler, hat unter dem mehr oder weniger latenten Judenhass gelitten. Überzeugte Nazis im Lehramt ließen sie ihren Rassismus deutlich spüren. Die liebenswürdige Wahl-Tirschenreutherin kann deshalb sehr resolut sein, wenn sie Ungerechtigkeit wittert.
Eine Warnung der Holocaust-Überlebenden
Dabei hat die Mitarbeiterin von „German Doctors“ nie eine Opferrolle eingenommen, sondern sich selbst für Menschen eingesetzt, die nicht auf der Sonnenseite der westlichen Wohlstandsgesellschaften geboren sind. Zusammen mit ihrem verstorbenen Mann, dem Holocaust-Überlebenden Alexander Fried, hat sich die Bundesverdienstkreuzträgerin um die Erinnerung an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte an unseren Schulen verdient gemacht.
Dorothea Woiczechowski-Fried hat so viel zu erzählen. In ihrer Migrations-Ruckrede beschränkt sie sich aber bewusst auf eine Warnung vor dem Rechtspopulismus, der vorgibt, Juden vor arabischem Antisemitismus in Schutz zu nehmen, um vor dem Judenhass in den eigenen Reihen – oft getarnt als Anti-Globalismus – abzulenken und vor allem, um dem Anti-Islamismus weiteren Zündstoff zu geben.
Auf dem rechten Auge blind
„Ja, ich möchte über die AfD und die Juden sprechen“, beginnt Doro ihren Appell. „Ich denke viel zurück an die 60er Jahre, als wieder jüdische Friedhöfe geschändet wurden.“ Der Kommentar ihrer Mutter, die als Jüdin nur dank des Mutes des Vaters überlebt habe: „Du wirst sehen, es kommt alles wieder.“ Als ein jüdisches Ehepaar in Erlangen ermordet worden sei, hätten die Behörden als Motiv ursächlich unsaubere Geschäfte des Mannes unterstellt. „Die Mörder waren Angehörige der rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann.“
Auch hier habe sich subtil die antisemitische Einstellung der Ermittlungsbehörden gezeigt, die lange auf dem rechten Auge blind waren. Die Parallelen zu den NSU-Morden sind augenscheinlich: „Auch hier vermutete man private Ursachen, Drogengeschäfte und anderes, auch hier war seitens der Behörden eindeutige Fremdenfeindlichkeit sichtbar.“
80 Jahre nach Auschwitz wird wohl heute wieder jeder Fünfte eine antidemokratische Partei wählen. „Eine Partei, für welche die Würde des Menschen antastbar ist. Dorothea Woiczechowski-Fried
Eine Partei der Relativierung der Shoah
Etwa 2018 seien 24 jüdische Menschen der AfD beigetreten. „Dies führte zu großem Entsetzen in der jüdischen Gemeinschaft.“ Die Folge: ein Statement des Zentralrats der Juden gegen die AFD, woraus sie zitiere: „Die AfD versucht seit geraumer Zeit, mit ihrer vermeintlichen Verbundenheit mit dem Staat Israel und der angeblichen Sorge um die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland zu punkten.“ Die AfD sei der Garant jüdischen Lebens in Deutschland.
„In Wirklichkeit ist die AfD eine Partei, in der Judenhass und die Relativierung der Shoah ein Zuhause haben.“ Repräsentanten der AfD gingen Seite an Seite mit Neonazis, Hooligans, Pegida-Anhängern und Menschen, welche offen den Hitlergruß auf der Straße zeigen.“ Aus diesem Klima des Hasses und des völkischen Denkens heraus sei wiederholt ein jüdisches Restaurant in Chemnitz angegriffen worden.
Muslime sind nicht die Feinde der Juden
„Die AfD sät Hass und spaltet die Gesellschaft, sie scheut sich nicht, Geschichte umzuschreiben.“ Etwa wenn Alice Weidel in grotesker Verdrehung Adolf Hitler einen Kommunisten nenne oder Bernd Höcke das Holocaust-Denkmal in Berlin als ein Denkmal der Schande bezeichne. „Sie definiert die Anwesenheit der muslimischen Asylanten als Ursache für den vorherrschenden Antisemitismus, verschweigt aber, dass es Antisemitismus in Europa schon seit vielen Jahrhunderten gibt“ – der jetzt wieder an der Tagesordnung sei.
Muslime sind nicht die Feinde der Juden. Die Feinde der Demokraten in diesem Land sind Extremisten, egal ob aus rechtsextremer, linksextremer oder radikalmuslimischer Gesinnung heraus. Diese Partei agitiert unumwunden gegen Muslime und andere Minderheiten in Deutschland, sie versucht Muslime als Feinde der westlichen Welt und der Juden darzustellen. Dorothea Woiczechowski-Fried
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