Echo-Wahlinitiative (2): Mittelständische Unternehmen stehen unter enormen Druck

Amberg/Weiden. Es sind nicht die Konzerne, sondern mittelständische Unternehmer, die für Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der Oberpfalz sorgen. Doch genau sie leiden anders als Konzerne am stärksten unter bürokratischen Regulierungen. Im zweiten Teil der Echo-Wahlinitiative schildert unser Unternehmer-Trio, was ihre Entwicklung hemmt.

Bernd Wagners Sport Signage stattet weltweit Motorsport-Rennstrecken aus: Der Große Preis von Italien 2022 der Formel 1 in Monza war eine Feier zum 150-jährigen Jubiläum des Titelsponsors Pirelli. Aus diesem Anlass wurde das Wagner-Designteam mit der Entwicklung eines beeindruckenden, maßgeschneiderten Podiums beauftragt. Foto: Sport Signage

Mit Bernd Wagner, einem Spediteur, Logistiker und Sportausstatter, der die Strecken der Formel 1 und anderer Motorsportevents mit Brücken, Tribünen und Bewerbung ausstattet, Harald Gollwitzer, einem Spezialtiefbau-Unternehmer, der komplexe Objekte beispielsweise am Hamburger Hafen bebaut, und Siegfried Schröpf, Geschäftsführer von Grammer Solar, einem PV- und Solar-Thermik-Unternehmer der ersten Stunde mit Niederlassungen in Spanien und Chile, bilden wir einen Querschnitt der vielfältigen, mittelständischen Oberpfälzer Wirtschaft ab.

Bernd, du bist auf Rennstrecken weltweit zu Hause, kennst also auch die Situation in anderen Ländern. Was denkst du, warum bei uns vieles nicht mehr klappt, wofür Deutschland lange berühmt war – warum haben wir über Nacht verlernt, Bahnhöfe, Flugplätze und konkurrenzfähige Autos zu bauen?

Bernd Wagner: Ich bin der Meinung, das Wohlstandsdenken hat uns als starke Wirtschaftsmacht geschwächt, indem wir denken, wir sourcen alles aus, die anderen machen schon für uns, und wir sitzen hier und sind happy.

Somit haben wir eigentlich unser Werkzeug, unsere Philosophie und vielleicht auch unsere deutsche Seele verkauft. Bernd Wagner

Wir konnten stolz sein, was die Generation nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut hat, wie sie es in kürzester Zeit, in einem Zeitraum von 30, 40 Jahren geschafft hat, Marktführer und Global Player zu werden in vielen Bereichen. Innovation und die deutschen Tugenden, Fleiß, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Präzision waren weltweit das Markenzeichen für Made in Germany. Das ist komplett weggeschmolzen. Wir verlassen uns auf internationale Zulieferer und haben unsere Eigenständigkeit komplett verkauft. Jetzt, nach 10, 20 Jahren ist es schwieriger, die aktuelle Generation wieder dort hinzubringen, all das noch einmal aufleben zu lassen. Die DNA haben wir definitiv.

Das ist auch ein Beweggrund für unsere Initiative: Wir wissen, wie es ist, einen Mittelstandsbetrieb am Laufen zu halten – wie wir uns schützen und immer wieder neu aufstellen müssen. Wenn wir das können, ohne Politikexperten und Wirtschaftsweise zu sein, dann sollte es die Regierung auch können. Bernd Wagner

Ihr sagt, dass der Mittelstand zu kurz kommt in der medialen Betrachtung. Warum stehen die DAX-Unternehmen stärker im Fokus? Weil sie mehr Arbeitsplätze an einem Ort konzentrieren? In der Gesamtbetrachtung aber ist der Mittelstand doch auch das Rückgrat des Arbeitsmarktes?

Siegfried Schröpf: Die Belange des Mittelstands geraten medial zu kurz. Ich nehme wahr, dass die Probleme der DAX-Unternehmen nicht unbedingt meine sind. Wie kommen wir an Fachkräfte ran, ohne dass wir die Möglichkeit haben, wie Volkswagen horrende Gehälter und Löhne zu zahlen, die einen Maßstab setzen, dem wir hinterherhecheln müssen. Ich habe keinen Staat als Anteilseigner, der dafür sorgt, dass das schon irgendwie funktioniert.

Siegfried Schröpfs Grammer Solar stattet die Oberpfalz mit PV-Anlagen und Thermen aus: Bei Siegfried Schröpf kann man kostenlos Strom tanken. Foto: Grammer Solar

Was sind die konkreten Probleme des Mittelstands – wo wünscht ihr euch mehr Unterstützung?

Siegfried Schröpf: Wir müssen schauen, dass wir Fachkräfte finden. So sehr wir Kinder der Region sind und sie zu schätzen wissen, so schwer ist es dennoch, qualifiziertes Personal hierher zu bekommen – Auswärtige wissen unsere Vorzüge erst mal nicht zu schätzen. Wenn sie dann da sind, gibt’s viele, die sagen, „das habe ich nicht bereut“. Aber bekomm‘ erst mal einen hierher. Die musst du locken mit einem sehr hohen Gehalt, dann merken sie vielleicht, dass sie sich hier, anders als in München, ein Haus leisten können. Außerdem tun sich die Konzerne bei staatlichen Regulierungen leichter. Sie können auch mal schnell einen Mitarbeiter für das Lieferkettengesetz abstellen. Das sind Arbeiten, die bringen dir keine Wertschöpfung, kosten Arbeitszeit, das muss ja finanziert werden.

Und inwieweit ich entscheiden kann, ob eine Schraube in China menschenrechtskonform gemacht wurde, das weiß ich auch nicht, auch wenn ich das ausfülle. Siegfried Schröpf

Die Intention des Lieferkettengesetzes ist ja nachvollziehbar: faire Arbeitsbedingungen anzustreben – auch im Sinne des Schutzes der eigenen Wirtschaft, damit importierte Produkte nicht deshalb konkurrenzlos billig sind, weil sie im chinesischen Zwangsarbeiterlager hergestellt wurden. Nur führt die Umsetzung, dass die Unternehmen das selbst kontrollieren sollen, lediglich dazu, dass irgendwo Zertifikate ausgestellt werden, deren Echtheit kein Mensch beurteilen kann. Im Endeffekt ist das ein Feigenblatt, dann keinem Arbeiter in einem Billiglohnland etwas bringt. Harald, du bist ja in der Mittelstandunion engagiert, eine Institution, die sich eben genau um eure Belange kümmert – schildere doch mal deine Erfahrungen damit …

Harald Gollwitzer: Es gibt unheimlich viele Institutionen, die wirtschaftliche Interessen vertreten – die IHK, die Handwerkskammer, der Wirtschaftsclub Nordoberpfalz, die Familienunternehmer, die politischen Gliederungen dazu, die Verbände, die in Berlin sitzen und ihre Landesverbände. Als Mittelständler, der persönlich haftender Unternehmer ist, wird man leider oft in einen Topf mit Managern geworfen. Ich verwehre mich immer gegen diesen Begriff.

Ich bin kein Manager, der einen Fünfjahresvertrag hat, und dann vielleicht noch eine Abfindung bekommt oder freigestellt wird, weil er nicht das geleistet hat, was man sich erwartet hat. Harald Gollwitzer

Hat selbstständiges Unternehmertum in Deutschland einen sinkenden Stellenwert?

Harald Gollwitzer: Der Stellenwert eines Unternehmers hat in dieser Generation an Wert verloren. Der wird mit Neid assoziiert – da kann die Politik nichts dafür. Unsere Konkurrenten sind fast alles Konzerne. Bei uns heißt die Devise: Nicht der Große schlägt den Kleinen, sondern der Schnelle den Langsamen. Dann hast du einen Vorteil. Die Politik ist die Fortsetzung der Einstellungen in der Gesellschaft. Jede Gesellschaft bekommt die Politiker, die sie verdient und die sie wählt. Ich will kein Geld vom Staat, ich bin auch kein Freund von Subventionen. Da und dort macht es schon Sinn, aber dann muss es sich von selber tragen.

Flosser Tiefbau-Unternehmen Gollwitzer verankert in der Nordoberpfalz: Einweihung des Firmenneubaus. Foto: Gollwitzer

Überspitzt gesagt: Stirbt der Mittelstand über kurz oder lang aus?

Harald Gollwitzer: Bernd und ich haben das Glück, dass wir Kinder haben, die in unser Unternehmen mit einsteigen wollen. Das ist die Ausnahme, oder zumindest ist das nicht so häufig der Fall. Das kann an den Kindern liegen oder an denen, die die Kinder großgezogen haben – man darf die Schuld nicht immer nur bei den anderen suchen, man muss schon vor der eigenen Türe kehren.

Welche Faktoren erschweren euch das Leben?

Bernd Wagner: Es wird mehr gefordert, du musst mehr leisten, man trägt mehr Verantwortung denn je, weil einfach das ganze Drumherum schwieriger geworden ist – mit Vorgaben, Auflagen, Datenschutz. Das ist schon ein Druck, der auf unseren Schultern lastet. Um auf die Ursprungsfrage zurückzukommen, was wir gebraucht hätten: Die Jahre zuvor hätten wir Manpower gebraucht. Da mache ich der Politik schon einen Vorwurf. Wenn ich es Leuten schmackhaft mache, was der Arbeitsplatz wert ist, kannst du die auch leicht wieder motivieren, in die Arbeit zu gehen.

Aber wenn es keinen großen Unterschied gibt zwischen Bürgergeld und Gehalt, fragen sich viele, warum soll ich arbeiten, wenn ich nur auf 150 Euro verzichten muss? Bernd Wagner

Unsere Schwerpunktthemen

14. Januar: Ein Ruck fehlt in Deutschland

  • Deutschlands Meta-Krise: Nach Corona und Russischem Angriffskrieg die Metakrise – wir verlieren unser Geschäftsmodell, weil Trump den US-Schutz für Europa aufkündigt, das billige Gas als Futter unserer Industrie weg ist, der Protektionismus unsere Exporte gefährdet und die Industrie in einigen Bereichen den Anschluss verloren hat. Was tun?
  • Investitionen mit knappen Mitteln: Durch Schröders aus der Not geborenen Agenda 2010 wurde Deutschland zum Globalisierungsgewinner. Und ist wieder zurückgefallen als Investitionsstau-Meister. Wie durchschneiden wir den Gordischen Knoten, um mit knappen Mitteln die Wirtschaft in Schwung, Schulen, Straßen und Brücken instand und die Bundeswehr in Verteidigungsbereitschaft zu setzen?
  • Alle reden vom Bürokratieabbau: Keiner schafft es. In Jahrzehnten des „Mehr Demokratie wagen“ sind Mitbestimmungsrechte bei Baumaßnahmen, im Umwelt-, Verbraucher- und Datenschutz gewachsen, die eine wirtschaftliche Entwicklung fesseln. Wie kann man sich davon auch juristisch sauber befreien, ohne zu viel Porzellan zu zerschlagen?

21. Januar: Wie bekommen wir die Inflation in den Griff?

  • Hohe Lebensmittelpreise, unbezahlbare Mieten in Großstädten, schwindelerregende Immobilienpreise: Das Leben ist teuer geworden, selbst in ländlichen Regionen wie der nördlichen Oberpfalz. Aber höhere Löhne heizen die Produktionskosten und damit die Inflation weiter an. Was sind die Ursachen, was kann man dagegen tun?
  • Krisen und Kriege als Preistreiber bei Energie und Lebensmittel: Auch wenn die Energiepreise gefallen sind, billig ist anders. Ein Krieg in der Kornkammer Europas trägt sicher nicht zur Entlastung bei. Dazu kommen Mehrkosten durch den Klimawandel. Die CSU fordert die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, die SPD ist offen für Preisdeckel – hilft das weiter?
  • Preiserhöhungen im Windschatten der Krisen: Haben sich die Handelskonzerne einfach ein sattes Plus mit faulen Ausreden gegönnt? Das Kartellamt hat die Preisentwicklung untersucht und – beispielsweise bei Sonnenblumenöl und Butter – „keine Anhaltspunkte für Preisabsprachen oder den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung“ gefunden. Verbraucherschützer halten die Datengrundlage für unzureichend und fordern eine staatliche Beobachtungsstelle nach dem Vorbild anderer EU-Länder, mit dem Ziel, die Mechanismen der Preisbildung vom Acker bis zum Supermarktregal besser zu durchleuchten.
  • Selbst das Häuschen im ländlichen Raum bald unerschwinglich? Es war lange das Lebensmodell auf dem Land: das Häuschen als Altersvorsorge. Inzwischen kostet selbst ein Modul-Holzbau mit Grundstück eine halbe Million. Was macht das Bauen so teuer? Rohstoffpreise, Handwerkerleistungen und immer mehr Auflagen: Leben Menschen in Italien und Frankreich wirklich so viel gefährlicher, ungesünder oder umweltschädlicher ohne deutsche Brandschutz-, und Klimaschutzauflagen?

28. Januar: Die Rente – Sicher und genug zum Leben?

  • Das deutsche Drei-Säulen-Modell aus gesetzlicher Rente, privater (Riester-Rente) und betrieblicher Vorsorge funktioniert mehr schlecht als recht. Viel zu wenige sorgen vor. Wer vorsorgt, spart meist zu wenig. Viele können sich die zusätzliche Vorsorge nicht leisten. Der DGB fordert eine dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus bei mindestens 50 Prozent, keine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters, eine Anrechnung von Kindererziehung, Pflege etc., und eine Finanzierung versicherungsfremder Leistungen durch den Bund. Ist das auch unter Bedingungen einer Rezession realistisch?
  • Ösi-Modell: Kann das stattliche, aber teure österreichische Modell Vorbild auch für Deutschland sein? 
  • Schwedisches Modell: Sind die Skandinavier beim Rentensystem um Jahrzehnte voraus? Das sagen Experten. 
  • Kombi-Modell: Ließen sich bei einer Anlehnung an das Ösi-System versicherungsfremde Leistungen, die Österreich nicht kennt, harmonisieren? Wie die Mütterrente oder die abschlagsfreie „Rente mit 63“. Oder auch Leistungen, die es in beiden Ländern gibt, auch wenn sie zum Teil anders heißen, wie Grundsicherung im Alter, Witwen- und Waisenrenten und Erwerbsminderungsrenten?
  • Ist eine Kombination aller Systeme denkbar?

4. Februar: Fachkräftemangel, Migration und Integration

  • Menschlichkeit und Kontrolle verbinden: Migrationsforscher Gerald Knaus fordert eine Migrationspolitik, die sowohl menschlich als auch kontrolliert ist. Das bedeutet, dass Migration geordnet und legal ablaufen muss, ohne die Rechte von Geflüchteten und Migranten zu verletzen. Er lehnt eine Politik der Abschottung ab, spricht sich jedoch für klare Regeln aus, um unkontrollierte Migration und illegale Schleusertätigkeit einzudämmen.
  • Kooperation mit Drittstaaten: Er setzt auf Abkommen mit Drittstaaten, ähnlich wie das EU-Türkei-Abkommen, um Migration zu steuern. Diese Vereinbarung sollte auf Gegenseitigkeit, rechtstaatlichen Grundsätzen und gerechterer Lastenteilung beruhen. Ziel ist es, Migranten vor gefährlichen Routen zu schützen und sichere, legale Wege zu eröffnen.
  • Förderung legaler Wege: Um irreguläre Migration einzudämmen, fordert er die Schaffung legaler Alternativen wie Arbeitsmigration, Resettlement-Programme und temporäre Schutzmechanismen. Witron und BHS haben eigene Schulen in Entwicklungsländern etabliert, die Arbeitsagentur vermittelt ausgebildete Fachkräfte aus Südamerika.
  • Integration: Wie viel Mittel und Ressourcen stehen tatsächlich zur Verfügung, wie viele Hürden bei der Einreise, bei der Anerkennung von Qualifikationen, bei Sprachkursen behindern die Integration?

11. Februar: Resümee – Wie meistern wir die Chancen der Krise?

Diskutieren Sie mit, schicken Sie uns zu den Themenblöcken ihre Fragen, Anregungen und Vorschläge – aber bitte berücksichtigen Sie: Wir wollen uns nicht im Weltuntergangsmodus einrichten, sondern suchen nach Lösungen, wollen die Ärmel hochkrempeln und im besten Fall Politiker aus unserer Region motivieren, unsere Impulse in den politischen Prozess einzuspeisen. Stellen Sie sich vor, es wäre Parlament, und die Abgeordneten handelten im Interesse ihrer Wähler!

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