Eigenverantwortung statt Panik: Wie wir die Wirtschaftskrise meistern können
Die Weltwirtschaft steht vor gewaltigen Herausforderungen: Protektionismus, globale Krisen und interne Schwächen in Deutschland stellen uns auf die Probe. Doch anstatt in Resignation zu verfallen, gilt es, die Chancen zu nutzen, die jede Krise bietet.

Dr. Matthias Bernhardt arbeitet als Fondsmanager, Vermögensverwalter und Dozent für Finanzmathematik und Finanzmärkte. In seinen Tätigkeiten beschäftigt er sich täglich mit Themen rund um Finanzmärkte, Investmentstrategien und Kapitalmarktforschung. Auch bei OberpfalzECHO bezieht er ab sofort Stellung zu wirtschaftlich relevanten Fragen.
Nordoberpfalz. Vor einiger Zeit erlebte ich André Rieu und sein Johann-Strauß-Orchester – ein Event, das ich wärmstens empfehlen kann. Doch der Tag war auch geprägt von einer anderen Nachricht: An dem Morgen wurde bekannt, dass Donald Trump die Wahl in den USA gewonnen hat. Sofort wuchsen in Europa die Sorgen, dass eine Trump-Regierung für uns wirtschaftlich schwierige Zeiten bedeuten könnte.
Man denke an Trumps öffentliche Kritik an internationalen Organisationen wie WTO, NATO und IWF, deren Schwächung zu einem fragmentierten globalen Wirtschaftssystem führen könnte, in dem sich unsere wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen schwerer durchsetzen ließen. Eine erneute Abwendung vom Pariser Klimaabkommen würde die europäische Klimapolitik erschweren. Eine Destabilisierung von transatlantischen Handelsbeziehungen hätte für uns als Exportnation fatale Folgen.
Bedeutet dies aber, dass wir dem schutzlos ausgeliefert sind und tatenlos zusehen müssen? Nein.
Die Herausforderungen in Deutschland – und warum uns Selbstmitleid nicht hilft
Unabhängig von der US-Politik stehen wir in Deutschland tatsächlich vor herausfordernden Zeiten, die wir uns jedoch größtenteils selbst zuschreiben müssen. Das stetig wachsende Bürokratiemonster, das wir erschaffen haben, und die Verordnungswut in Deutschland und EU hemmen Innovation und operatives Wirtschaften. Außerdem investieren wir zu wenig und zu zögerlich. Vergleicht man die Investitionsausgaben zwischen Europa und den USA, erkennt man eine sich immer weiter öffnende Schere.
Es wäre jedoch ein Fehler, uns jetzt in Selbstmitleid zu verlieren und die Schuld an unseren derzeitigen und künftigen wirtschaftlichen Problemen bei den US-Amerikanern zu suchen. Natürlich werden Trumps Entscheidungen Einfluss auf Europa haben, aber letztlich müssen wir uns selbstkritisch fragen, wie es um unsere eigene Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsplanung steht.
Auch in den USA ist nicht alles Gold, was glänzt. Ein zentraler Punkt auf Trumps Agenda sind Zölle, die er als Allheilmittel für wirtschaftliche Probleme darstellt. Höhere Zölle führen aus einer theoretisch-volkswirtschaftlichen Sicht zu einer Abnahme von EU-Exporten in die USA. Allerdings hängt die tatsächliche Wirkung von der Preissensitivität der nachgefragten Güter ab. Wenn man davon ausgeht, dass diese Elastizität relativ hoch ist, kann man auch davon ausgehen, dass die Nachfrage nach dem Euro sinkt, was in einem Wertverlust resultiert. Folglich sollte die Inflation wieder steigen, weil in US-Dollar denominierte Energie für uns teurer wird. Ein Resultat ist dann nicht nur eine schrumpfende Produktion, ein niedrigeres Bruttoinlandsprodukt und Einkommen, sondern vermutlich auch eine höhere Arbeitslosigkeit und höhere Preise. Entscheidend wird dann sein, wie sich die EZB auf der geldpolitischen und die EU auf der fiskalpolitischen Seite verhalten. Das kürzlich abgeschlossene, aber umstrittene Freihandelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten ist schonmal ein erster Schritt aus der Unabhängigkeit von den USA (und China). Wie es aber letztlich von den Konsumenten und direkt betroffenen Branchen angenommen wird, wird sich erst noch zeigen.
Tatsächlich sind Zölle jedoch weder eine nachhaltige noch eine umfassend wirksame Lösung. Selbst wenn Trump seine Ankündigungen vollständig umsetzen sollte, wird der Erfolg fraglich sein. Die Zolleinnahmen werden vermutlich nicht ausreichen, um die Mindereinnahmen aus der geplanten Körperschaftsteuersenkung zu kompensieren, was zu einem steigenden Haushaltsdefizit führen dürfte. Hinzu kommt: Höhere Zölle auf chinesische Importe könnten die Inflation in den USA befeuern. Angesichts dessen ist es fraglich, wie lange die Notenbank noch an niedrigen Zinsen festhalten kann. Es wird entscheidend sein, wie sich andere Faktoren wie Arbeitslosigkeit oder Wachstum entwickeln werden. Ein höheres Zinsniveau bei wachsendem Defizit wird für Trump aber auf jeden Fall selbst zum Problem.
Europa muss aufwachen
Trumps Wiederwahl sollte ein Weckruf für uns Europäer sein. Schon vor acht Jahren hätte er uns zum Umdenken bewegen können, aber damals war noch nicht klar, wie seine Politik tatsächlich aussehen würde. Heute wissen wir es besser, und es ist höchste Zeit, dass wir uns auf unsere eigenen Stärken besinnen und auf die globalen Herausforderungen gemeinsam europäische Antworten finden.
Deutschland ist quasi übersäht mit mittelständischen Weltmarktführern und birgt viel Expertise im Maschinen- und Fahrzeugbau sowie in der Chemie. Zudem haben wir eine stabile Demokratie und eine unabhängige Justiz. Und trotz politischer Herausforderungen bleibt die EU ein Symbol für Stabilität und Rechtssicherheit. Unser Kontinent ist reich an Kultur, Geschichte und Vielfalt. Diese Werte und die Freiheit, in der wir leben, sind unbezahlbar. Gerade in Krisenzeiten dürfen wir diese Stärken zum einen nicht aus den Augen verlieren und zum anderen dafür sorgen, sie zu erhalten.
Zwar stecken wir in einer tiefen Krise, doch die Schuld allein bei der Regierung zu suchen oder sich in Resignation zu verlieren, führt uns nicht weiter. Sicher ist, dass die Politik nach den Rückschlägen der letzten Jahre dringend lösungs- und zukunftsorientiert handeln muss und das Ziel ihrer Maßnahmen klar und transparent kommuniziert. Nur so kann die Gesellschaft Stabilität gewinnen und Unternehmen können die Planbarkeit erhalten, die sie dringend brauchen. Wie bedeutend eine klare Kommunikation für die Stabilität eines Landes sein kann, zeigt das folgende historische Beispiel.
Jede Krise ist eine Chance – das Beispiel Griechenland
Krisen bringen immer auch Chancen, und diese lassen sich nutzen, wenn man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Ein treffendes Beispiel dafür lieferte mir das Konzert von André Rieu, als die Sopranistin Christina Petrou das griechische Volkslied „Ta pedia tou Pirea“ sang. Es erinnerte mich an die schwierigen Zeiten, die Griechenland vor etwa zehn Jahren durchlebte. Als Auslöser der Staatsschuldenkrise und oft als „kranker Mann Europas“ bezeichnet, stand das Land am Abgrund.
Viele EU-Gelder sind in das Land geflossen, doch das allein reicht nicht, um ein Land wieder auf eigene Beine zu kriegen. Griechenland selbst hat große Anstrengungen unternommen, um sich wieder aufzupäppeln. Das war alles kein Zuckerschlecken und hat den Griechen viel abverlangt. Mit umfassenden Reformen (zur Senkung des Haushaltsdefizits, zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung sowie zur Sicherung der Rente und Stabilität des Arbeitsmarkts) hat sich das Land aus der Krise gekämpft und seine Wettbewerbsfähigkeit deutlich gesteigert. Heute gilt es in der EU als wirtschaftliches Erfolgsmodell, das Stabilität und Wachstum wiedergefunden hat.
Wir und die Medien
In unserer heutigen Welt ist es wichtiger denn je, Informationen kritisch zu hinterfragen, da sie in den sozialen Medien häufig verzerrt oder gezielt manipuliert werden. Ein aktuelles Beispiel: Im Oktober sprach Friedrich Merz auf dem CSU-Parteitag über die hohen Bargeldbestände der Deutschen, insgesamt 2,8 Billionen Euro. Er stellte die Frage, wie viel erreicht werden könnte, wenn nur 10 % dieses Kapitals für Infrastruktur und Bildung mobilisiert würden – mit einer angemessenen Verzinsung für die Anleger. Doch ein kurzer, aus dem Zusammenhang gerissener Ausschnitt seiner Rede sorgte für Empörung, da fälschlicherweise von einer möglichen „Enteignung“ die Rede war.
Diese Art der Panikmache schürt Unsicherheit und führt Menschen oft zu überstürzten Entscheidungen, die langfristig schädlich sein können. Merz hatte ausdrücklich von einer Investition in den Standort Deutschland gesprochen, nicht von Enteignung.
Der Vorfall verdeutlicht, dass man nicht drum herumkommt, Informationen genau zu reflektieren und gegebenenfalls selbst zu recherchieren. Die eigentliche Botschaft ist nämlich die, dass Investitionen unerlässlich sind, um den Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern – eine Aufgabe, die nicht nur den Staat betrifft, sondern auch die Bürger.
Eigenverantwortung und Kapitalmarkt – beides unerlässlich
Leider werden öffentliche Mittel in Deutschland oft für das kurzfristige Stopfen von Haushaltslöchern verwendet, was reine Konsumausgaben sind und keine Investitionen. Darum sind wir alle mehr gefordert denn je, Eigenverantwortung zu übernehmen, anstatt uns blind auf den Staat zu verlassen.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Rente: Seit Jahren ist bekannt, dass wir auf eine massive Versorgungslücke im Alter zusteuern. Trotzdem verlassen sich viele Menschen darauf, dass der Staat die Lösung bereithält, und verzichten darauf, privat vorzusorgen. Dabei ist gerade der Kapitalmarkt ein wichtiges Instrument, um sich finanziell für die Zukunft abzusichern. Jeder Einzelne muss wieder mehr Verantwortung übernehmen und sich aktiv daran beteiligen, dass der Laden Deutschland läuft.
Die Wahl und die Börsen: Vertrauen Sie auf den Markt
Zurück zu Trump: Oft werde ich gefragt, wie sich die Wahl Trumps auf die Börse auswirken wird. Diese Frage greift jedoch zu kurz, denn kurzfristige Marktschwankungen sollten uns nicht davon abhalten, langfristig zu investieren und eigenverantwortlich zu handeln. Wie Larry Fink, CEO von Blackrock, kürzlich betonte, wird Trumps Wiederwahl keinen signifikanten Einfluss auf die langfristige Entwicklung der Finanzmärkte haben.
André Rieu schloss sein Konzert mit den Worten: „Vertrauen Sie auf die Macht der Musik.“ Ich übernehme dieses Zitat für meine Zwecke und sage: Vertrauen Sie auf die Macht des Marktes.
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