Ein Weg des Glaubens – die Wallfahrt aus Kastl zur Basilika Gößweinstein
Kastl. Seit 1866 pilgern Gläubige aus Kastl zur Basilika in Gößweinstein, um ein Gelöbnis einzulösen und so ihren Glauben und die Traditionen ihrer Vorfahren zu ehren.

Die Geschichte der Wallfahrt von Kastl in der Oberpfalz zur majestätischen Basilika in Gößweinstein reicht zurück bis ins Jahr 1866 – ein Jahr, das von Angst, Krieg und der Hoffnung auf göttlichen Beistand geprägt war. Inmitten des Bruderkrieges zwischen Bayern und Preußen fürchteten die Menschen aus Kastl um ihr Leben und ihre Heimat.
Ein Sommer der Angst – Wie alles begann
Es war im Hochsommer des Jahres 1866, als das ländliche Bayern von einer Welle der Angst erfasst wurde. In Nordostbayern, wo Wiesen blühen, Kirchtürme still in den Himmel ragen und die Menschen ihre Felder bestellen, zog plötzlich das dunkle Dröhnen des Krieges auf. Die Nachrichten vom Preußisch-Österreichischen Krieg – einem Bruderkrieg unter Deutschen – hatten längst auch die Oberpfalz erreicht. Doch nun war der Krieg nicht mehr bloße Schlagzeile oder Gerücht. Er war greifbar nah.
Am 29. Juli 1866 kam es bei Seybothenreuth, zwischen Kemnath und Bayreuth, zu einem blutigen Gefecht zwischen preußischen Truppen und einer bayerischen Reitereinheit, den Kürassieren. Diese, vom Rückzug und dem Zögern der eigenen Führung frustriert, hatten sich entschlossen, gegen den Befehl zum Angriff überzugehen – wohl wissend, dass sie den preußischen Gewehren kaum etwas entgegenzusetzen hatten. Sie fielen tapfer, viele wurden niedergeschossen.
Die Schlacht war kurz, heftig – und verloren gegangen. Was die bayerischen Soldaten nicht aufhalten konnten, war der Vormarsch der Preußen – rasch, organisiert, und mit eiserner Disziplin. Die Kunde vom Gefecht bei Seybothenreuth verbreitete sich wie ein Lauffeuer: „Die Preußen kommen!“ Auch in den abgelegenen Dörfern der Oberpfalz begannen die Menschen zu fürchten, was der Krieg für sie bedeuten könnte.
Furcht vor Gewalt und Zerstörung
In Kastl und den umliegenden Orten wuchs die Panik mit jeder Stunde. Die preußischen Soldaten, so hieß es, würden auf dem Weg nach Amberg durch das Land ziehen – und zwar nicht als Besucher, sondern als Eroberer. Plünderung, Brandschatzung, Gewalt, ja sogar Vergewaltigungen und Morde wurden befürchtet. In der Erinnerung lebten die Schrecken der napoleonischen Kriege noch fort, in denen ganze Dörfer verwüstet und Existenzen vernichtet worden waren.
Viele Familien verließen ihre Höfe, versteckten sich in den Wäldern, verbargen Vorräte, Geld, Werkzeug – ja selbst Vieh – in Felsspalten, Erdhöhlen oder unter Bretterböden. Das Gefühl der Wehrlosigkeit lastete schwer. Die bayerische Armee war auf dem Rückzug, Hilfe war nicht zu erwarten. In dieser bedrückenden Ausnahmesituation wuchs etwas, das in solchen Momenten oft die einzige Hoffnung bleibt: der Glaube.
So versammelten sich in Kastl einige Männer – Bauern, Handwerker, Tagelöhner. Menschen, die nichts mehr zu geben hatten als ihre Arbeit, ihr Vertrauen und ihre Hoffnung. In einer stillen Stunde hoben sie ihre Hände und gelobten: Sollte das Dorf vor Krieg und Zerstörung verschont bleiben, wolle man jedes Jahr eine Wallfahrt zur Heiligsten Dreifaltigkeit nach Gößweinstein unternehmen – aus Dankbarkeit, als Zeichen des Glaubens, als Bitte um Frieden.
Die Geschichte lehrt: Die Preußen kamen nicht. Sie zogen auf Nebenwegen über Neustadt am Kulm und Eschenbach nach Amberg weiter – Kastl und das ganze Gebiet der Pfarrei blieben unversehrt. Für die Menschen damals war das kein Zufall, sondern ein Zeichen Gottes. So wurde aus der Angst eine Tradition, aus der Bedrängnis ein Weg des Glaubens: die Wallfahrt nach Gößweinstein, die bis heute Bestand hat.
Die Basilika Gößweinstein – ein Ort des Himmels Inmitten der malerischen Fränkischen Schweiz erhebt sich die Wallfahrtsbasilika zur Heiligsten Dreifaltigkeit – ein Bauwerk, das seinesgleichen sucht.
„Dass weiterhin diese Tradition aufrecht erhalten wird, so wie es unsere Vorfahren versprochen haben“, war für Josef Weidner stets eine Herzensangelegenheit. 2005 blickte er auf 30 Jahre als Wallfahrtsleiter zurück. Er sah es als seine Lebensaufgabe, das Vermächtnis der Vorfahren zu bewahren – mit Hingabe, Organisationstalent und viel persönlichem Einsatz.
Strecke über 50 Kilometer lang
Mehr als 50 Kilometer misst der Fußmarsch von Kastl bis zur Basilika. Jahr für Jahr treten Männer und Frauen, Jugendliche und Senioren diesen Weg an – betend, schweigend, singend. In sternklaren Nächten, bei drückender Hitze oder Nieselregen führt der Weg über Felder, durch Wälder und Dörfer.
Früher wurde die Strecke nur teilweise zu Fuß zurückgelegt: Man ging nach Reissach und fuhr von dort mit der Bahn nach Pegnitz, bevor die Wallfahrt fortgesetzt wurde. Doch Josef Weidner wagte vor vielen Jahren mit einer kleinen Gruppe den Neuanfang. „Damals waren wir 34 Leute“, erinnert er sich an den ersten kompletten Fußmarsch von Kastl bis Gößweinstein. Um 2 Uhr morgens Rast in Sassenreuth, Frühstück um 6 Uhr in Pegnitz – alles war genau geplant. Die Teilnehmerzahl wuchs, vor allem unter Jugendlichen. „Wahrscheinlich brauchten sie die längere Strecke, weil sie beim kürzeren Weg zu wenig ausgelastet waren“, scherzte er.
Große Unterstützung erhielt er dabei über viele Jahre von Anton Bömmel und den örtlichen Feuerwehren. Auch die Polizei sicherte die Wallfahrt ab, insbesondere an gefährlichen Kreuzungen. „Probleme gab’s selten – mal ein Gewitter, mal ein uneinsichtiger Autofahrer, aber das regelt die Polizei.“
Ein Staffelstab wird weitergegeben – und lebt weiter 2015, nach rund 40 Jahren als Pilgerführer, übergab er sein Amt an Frida Zeitler. Seither leitet sie mit genauso viel Herzblut die Wallfahrt – mittlerweile auch schon wieder seit zehn Jahren.
Am 14. September großer Erntedankzug
Dass Glaube, Tradition und das dörfliche Miteinander in Kastl keine Vergangenheit, sondern Gegenwart sind, zeigt auch der große historische Erntedankzug, der am 14. September 2025 wieder zahlreiche Besucher in die Gemeinde locken wird.
Wer diese Werte spüren, sehen und erleben möchte, ist herzlich eingeladen: zum historischen Erntedankzug am Sonntag, den 14. September 2025. Mehr Informationen und das vollständige Festprogramm finden Sie unter www.Erntedankfest-Kastl.de. Ein Fest für Jung und Alt – und ein Zeichen, dass die Geschichte der Oberpfalz weitergeht. Schritt für Schritt. Jahr für Jahr.
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