Es geht um Leben und Sekunden – Warum jeder von uns Ersthelfer sein muss

Nordoberpfalz. Ein Ersthelfer aus Eslarn beschreibt, wie er nach einem Auffahrunfall eingriff und erste Hilfe leistete, während andere untätig zuschauten. Unzählige Menschen geraten in Deutschland jährlich in eine Notlage und erhalten keine Unterstützung. Doch die Hilfe von Laien könnte entscheidend sein.

Foto: Symbolbild/Polizei

“Da lag er einfach. Mitten auf der Straße.”

Lea B. wird den Moment nie vergessen. Es war ein warmer Frühlingstag, als sie sah, wie der Fahrradfahrer vor ihr plötzlich ins Schlingern geriet und stürzte. Die Autos hielten, die Menschen blieben stehen – aber keiner rührte sich.
„Ich habe gezögert. Vielleicht eine Sekunde. Dann bin ich hingelaufen.“ Was Lea damals nicht wusste: Diese eine Entscheidung könnte dem Mann das Leben gerettet haben.

Die stille Katastrophe: Wenn niemand hilft

In Deutschland erleiden jährlich über 70.000 Menschen einen plötzlichen Herzstillstand. In solchen Momenten zählt jede Sekunde. Doch nur etwa ein Drittel aller Betroffenen erhalten überhaupt Hilfe, bevor der Rettungsdienst eintrifft. Dabei könnten laut Deutschem Rat für Wiederbelebung allein durch mutige Laien jährlich über 10.000 Menschen zusätzlich gerettet werden.

Das Problem ist nicht fehlendes Wissen, sondern Angst:

„Ich habe Angst, etwas falsch zu machen.“
„Ich weiß nicht mehr genau, wie das mit der Reanimation geht.“
„Was, wenn ich rechtlich belangt werde?“

Doch: Wer hilft, kann nicht haftbar gemacht werden – es sei denn, er handelt vorsätzlich oder grob fahrlässig. Und auch wenn man keine lebensrettenden Maßnahmen durchführen kann oder sich nicht traut: Schon die Alarmierung des Notrufs oder das Absichern der Unfallstelle zählt als Erste Hilfe.

Die unsichtbaren Helden – Was Ersthelfer wirklich leisten

Nicht jeder kann beatmen oder reanimieren. Aber jeder kann etwas tun:

  • Unfallstelle absichern: Warnblinkanlage an, Warnweste überziehen, Warndreieck aufstellen.
  • Notruf wählen (112): Wo ist es passiert? Was ist passiert? Wie viele Betroffene? Welche Verletzungen? Warten auf Rückfragen.
  • Hilfsmittel bereitstellen: Verbandkasten, Decke, Rettungsdecke – alles kann helfen, einen Schock zu verhindern oder Wunden zu versorgen.
  • Psychische Erste Hilfe leisten: Die verletzte Person ansprechen, beruhigen, das Gefühl vermitteln: „Ich bin da.“

Diese scheinbar kleinen Handlungen können in der Rettungskette entscheidend sein. Sie stabilisieren, überbrücken und bereiten den Weg für professionelle Hilfe.

Rettungskette – so funktioniert sie im Ernstfall

  1. Absichern und Eigenschutz beachten
  2. Notruf absetzen (112)
  3. Lebensrettende Sofortmaßnahmen einleiten (z. B. Herzdruckmassage)
  4. Weitere Erste Hilfe leisten
  5. Psychische Betreuung und Übergabe an Rettungsdienst

Jede dieser Stufen kann und soll von Laien übernommen werden – nicht perfekt, sondern beherzt.

Reanimation? Ja, du kannst das.

„Prüfen – Rufen – Drücken“ ist das Motto der bundesweiten Kampagne „Ein Leben retten“.
Und so einfach geht’s:

  • Prüfen: Atmet die Person? Reagiert sie?
  • Rufen: Notruf 112 wählen.
  • Drücken: 100–120 Mal pro Minute auf die Mitte des Brustkorbs drücken – etwa im Takt von „Stayin’ Alive“ von den Bee Gees.

Keine Beatmung, kein Spezialwissen – nur Mut.

Symbolbild Pixabay – Tumisu

Was, wenn ich nichts habe?

Manchmal ist der Erste-Hilfe-Kasten nicht greifbar. Aber auch dann zählt jedes Handeln:

  • Die eigene Jacke als Unterlage oder Wärmeschutz verwenden.
  • Mit dem Handy Licht spenden oder das Display als Warnsignal nutzen.
  • Laut rufen: „Ich brauche Hilfe! Wer kennt sich aus? Hat jemand einen Verbandkasten?“

Technik kann helfen – aber nicht handeln

Inzwischen gibt es Apps wie Katretter oder Mobile Retter, die geschulte Ersthelfer per GPS orten und zum Notfallort lotsen – oft schneller als der Rettungsdienst. Auch die Zahl der öffentlich zugänglichen Defibrillatoren (AEDs) wächst stetig. Aber: Keine App kann die erste Reaktion ersetzen.

„Ich hätte nie gedacht, dass ich das kann.“

Lea B. hat später erfahren, dass der Radfahrer einen Kreislaufkollaps hatte. Ihre Reaktion – den Notruf wählen, ihn in die stabile Seitenlage bringen, mit ihrer Jacke zudecken – war genau richtig. „Ich hatte so eine Angst, etwas falsch zu machen. Aber der Notarzt meinte nur: Sie haben alles richtig gemacht.“

Symbolbild Pixabay – Hansuan_Fabregas

Fazit: Jeder kann Leben retten. Du auch.

Erste Hilfe ist kein Privileg der Profis – sie ist Bürgerpflicht, Mitmenschlichkeit und der wichtigste Akt der Zivilcourage. Wer handelt, rettet nicht nur Leben – er verändert sie. Und wer es einmal getan hat, weiß: Es war das Richtige.

Die Geschichte eines Ersthelfers aus Eslarn

Wir haben mit einem Ersthelfer, der anonym bleiben möchte, aus dem Gemeindegebiet von Eslarn gesprochen. Er war genau in einer solchen Situation und schildert uns, was er erlebt hat und wie er sich dabei gefühlt hat.

Was war geschehen?
Ich hörte einen Knall. Nach ca. 20 Sekunden entschied ich mich nachzusehen, auch weil meine Freunde sagten: “da war ein Auffahrunfall”.

Ich ging die Straße hoch, rief „ist alles okay?“. Ich sah jemanden auf der Straße liegen und einen der telefoniert. Ich hoffte, dass er den Notruf anrief. Ich fing an zu rennen. Als ich angekommen war, versuchte ich den Puls am Hals zu fühlen, aber da war keiner.

Wie ging es weiter?

Ich beugte mich über den Verletzen und fasste seinen Arm, um den Puls zu fühlen. Wieder nichts. Meine Hand …blutverschmiert… eine Blutlache von gefühlten 1,5 Liter. Für mich war klar, das war es, „Ende“, leider.

Mindestens 20 Sekunden trat keiner der Schaulustigen zu ihm und kümmerte sich um ihn. Ich schrie die Leute an, “Warnblinker anschalten”, “Warndreieck aufstellen”, “runter von der Straße!!!”. Endlich stellte wenigstens einer ein Warndreieck auf!

Ich rannte in meine Wohnung, Hände waschen und sagte lautstark zu meinen Freunden: “ich brauche eine Decke”.

Der Grund: etwa 15 Leute standen am Unfallort und schauten auf den armen (in dem Moment für mich toten) Kerl. Die Leute gingen einfach auf die Straße und ergötzten sich. Es war erschreckend.

Das muss schockierend gewesen sein, erzähl weiter.
Als ich zurückkam, stand ein Bekannter des Opfers bei ihm und sagte „Bernhard” (Name von der Redaktion geändert). Er kniete sich nieder und sagte dann: “er atmet und lebt”. Ich legte die Decke und die Warnweste auf die Seite. Ich schrie die 20 Personen an, sie sollen mir einen Verbandskasten bringen! Keiner rührte sich. Also rannte ich selbst los, um einen zu holen. Da seh ich Blaulicht – endlich, die Zeit kommt einem ewig vor. Ich winke mit der Warnweste und „übergab den Einsatz“ an die Polizisten, mit den Worten “er atmet, es braucht ne Verbandstasche”.

Ich hoffe alle „Zeugen“ wurden angezeigt, wegen unterlassener Hilfeleistung. Nicht mal den Arsch bewegen, um einen Verbandskasten zu holen, grad so das sie ihr Handy nicht ausgepackt haben zum Filmen. Ich hab das Vertrauen in die Menschlichkeit verloren.

Bei diesen Worten spürt man förmlich die Frustration unseres Ersthelfers. Um so mehr möchten wir an alle da draußen appellieren: Mach den ersten Schritt: Frisch dein Wissen auf. Besuch einen Kurs. Prüf deinen Verbandkasten.
Denn: Du bist das erste Glied der Rettungskette.

Organisationen bei denen du deine Kenntnisse auffrischen kannst

BRK Kreisverband Weiden-Neustadt/WN
📍 Ulrich-Schönberger-Straße 11, 92637 Weiden
📞 0961 39008-0
🌐 www.kvweiden.brk.de

Malteser Hilfsdienst Weiden
📍 Zur Centralwerkstätte 11a, 92637 Weiden
📞 0961 38987-0
📧 malteser.weiden@malteser.org
🌐 www.malteser-weiden.de

LUKE’S Erste Hilfe Kurs
📍 Brenner-Schäffer-Straße 27, 92637 Weiden
🌐 www.lukes-erstehilfe.de

DLRG Ortsverband Weiden
📍 Postanschrift über Website, Veranstaltungen in Weiden
📧 medizin@weiden.dlrg.de
🌐 www.weiden.dlrg.de

KEB Neustadt-Weiden
📍 Fichtestraße 15, 92637 Weiden
📞 0961 3899920
📧 info@keb-nw.de
🌐 www.keb-neustadt-weiden.de

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