Filmfestspiele Marienbad: Mariánské Lázně wird zum Heilbad für Cineasten
Mariánské Lázně/Marienbad. Zwischen flirrendem Zelluloid und rauschender Stille: Die 10. Ausgabe der Filmfestspiele Marienbad lädt Liebhaber des bewegten Bildes zum cineastischen Marathon. Vom 12. bis 15. Juni im Stadttheater und im Chopin-Haus.

Für Cineasten ist Marienbad kein unbeschriebenes Blatt. Der große französische Regisseur Alain Resnais setzte dem Kurbad der Kaiser und Künstler mit „Letztes Jahr in Marienbad“ 1961 ein Denkmal – auch wenn „die erfreulichste und modernste Stadt des Kontinents“ (Mark Twain) darin nur eine Nebenrolle spielt.
Inmitten der nostalgischen Eleganz zwischen Boheminium Park und Singender Fontäne entführt die Heimat des experimentellen Kinos in eine Welt, in der das Knistern der Filmprojektion genauso heilsam wirkt wie die 40 Heilquellen, die aus Zapfhähnen in den Kolonnaden sprudeln.
Zehn Jahre Filmfestspiele Marienbad – ein kleiner Wimpernschlag in der Geschichte des europäischen Autorenkinos, und doch eine Dekade voller Experimentierfreude, Spurensuche und filmischer Grenzgänge. Unter dem Motto „Die Heilung durch Lärm“ wird dieses Jubiläum zum Manifest für all jene, die im Rauschen, Knistern und Knacken nicht nur Störung, sondern Befreiung finden.
Ein Jahrzehnt Kino-Avantgarde: „Heilung durch Lärm“
Programmdirektor Tomáš Vobořil nennt „Lärm, Störungen, Fehler und Unterbrechungen“ nicht bloße akustische Phänomene, sondern Werkzeuge, die eingefahrene Seh- und Hörgewohnheiten aufbrechen – um Platz zu schaffen für Befreiung und Erneuerung. Wenn die Filmvorführung beginnt, spürt das Publikum, wie das Feedback einer alten Röhre zum poetischen Akt der Dekonstruktion avanciert, das Brummen der Spule zum Katalysator für meditative Momente – tiefer als jeder Dialog aus dem Drehbuch.
Der Besitz eines Festivalpasses aus dem Online-Shop von GoOut öffnet die Tore zu sämtlichen Filmvorführungen und den begleitenden Veranstaltungen – ein Privileg, das all jenen zusteht, die Kino nicht bloß konsumieren, sondern als Kunstform begreifen wollen, die unser Denken irritiert und erweitert.
Musik als Resonanzkörper des Kinos
„In diesem Jahr starten wir bewusst mit dem Musikprogramm“, verkündet Geschäftsführerin Anna Kopecká. Um „Die Heilung durch Lärm“ zu verstehen, bedarf es nicht nur des Blicks auf die Leinwand, sondern des gesamten Spektrums akustischer Erlebnisse, die Mariánské Lázně dieses Jahr durchziehen werden.
- Monika Načeva: Poesie der Verfolgten
Die Sängerin und Schauspielerin Monika Načeva wird – begleitet von den Klanggestaltern Zdeněk „Regál“ Jurčík, Vojtěch Procházka und Michal Koval – Stücke aus ihrem neuen Album Jdem temným dnem (Wir gehen durch einen dunklen Tag) interpretieren. Hier werden die poetischen Texte jener Künstler lebendig, die unter dem ehemaligen Regime mundtot gemacht werden sollten: Věra Jirousová, Jáchym Topol, Pavel Zajíček und Ivan Martin Jirous. Ihre Stimme trägt den Staub der Geschichte, und in jeder Nuance schwingt die Botschaft, dass Lärm, das Ringen um Ausdruck unter Zensur, letztlich zu einer Form der Freiheit wird. - Kvietah: Klangkosmos einer Entdeckung
Mit dem Anděl-Award für die „Entdeckung des Jahres“ ausgezeichnet, bringt Kvietah ihr Album Díky, včely (Danke, Bienen) mit – ein Fundus an sanften, zugleich eindringlichen Melodien, in denen sich die Natur als utopischer Gegenentwurf zur städtischen Kakophonie zeigt. Ihre Lieder kennen die Schattenseiten des Altbewährten und öffnen schon beim ersten Hören Räume, in denen das Flüstern der Bienen den Schlussakkord eines Aufbruchs ankündigt. - Jakub Kudláč & Jonatán Pastirčák: Filmklänge in neuer Dimension
Ein Höhepunkt erwartet all jene, die sich für Filmmusik jenseits kalkulierter Schönklangkulissen begeistern: Komponist Jakub Kudláč, bekannt für seine Klangwelten in Bohdan Slámas Shadow Country und Michal Hogenauers A Certain Kind of Silence, teilt die Bühne mit Jonatán Pastirčák, dem visionären Produzenten hinter Pjoni und Isama Zing. Gemeinsam lassen sie Töne erklingen, die nicht mehr bloßer Soundtrack sind, sondern als narrative Entitäten Eigenleben entfalten – ein Zusammenspiel, in dem sich Rauschen in Harmonie verwandelt. - Džian Baban: Ein Abend zwischen Fiktion und Wirklichkeit
Der Drehbuchautor und Komponist Džian Baban inszeniert eine besondere Fusion aus Bild und Ton: Zunächst wird sein Film Das Gesetz der Zeit projiziert, bevor er jene Klänge vorstellt, die für einen Film komponiert wurden, der niemals realisiert wurde. Ein audiovisuelles Experiment, in dem Schweigen und Lärm gleichermaßen regieren.

Lokal verwurzelt, international vernetzt
Neu in diesem Jahr ist die Kooperation mit dem traditionsreichen Club Na dvorku (Im Hinterhof). Mariánské Lázně ist mehr als eine Kulisse: Die Stadt wird zum lebendigen Organismus, dessen Orte – von der geschwungenen Eleganz der Kolonnaden bis zu den intimen Räumen des Clubs – verschiedenen Ausdrucksformen von „Lärm“ eine Bühne bieten.
Anna Kopecká betont, wie wichtig es sei, nicht nur Touristen anzusprechen, sondern die lokale Bevölkerung ins Festivalgeschehen zu integrieren. Egal, ob es ein nächtlicher Spaziergang zu einer Open-Air-Vorführung ist oder ein intensives Konzerterlebnis im Herzen der Altstadt: Die Menschen vor Ort sind Teil dieses kollektiven Rituals.
Heimat für experimentelles Kino
Was die Filmfestspiele Marienbad seit 2015 auszeichnet, ist die Hingabe zu einem Kino, das sich jeder Konvention verweigert. Als internationales Festival für experimentelle, marginale Formen des Filmemachens sowie für künstlerisch anspruchsvolle Filme bietet es Filmemacherinnen und Filmemachern eine Plattform, die das Medium selbst befragen und sprengen. Doch gleichzeitig öffnet es die Türen für ein Publikum, das jenseits von Mainstream Antworten auf existenzielle Fragen sucht, die nur Kino im Zustand radikaler Reduktion stellen kann.
Unterstützt von Institutionen wie dem Tschechischen Filmfonds, dem Kulturministerium, der Region Karlovy Vary, der Stadt Mariánské Lázně und dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, zeigt das Festival Filme, die nicht nur auf Leinwänden existieren, sondern Wirklichkeit neu zu entwerfen wagen. Werke, in denen das Bildrauschen selbst zur Erzähltechnik wird, die Störung zur Metapher für Befreiung und in der jedes Framing zu suggerieren vermag: Heilung geschieht nicht in der Stille, sondern im Rauschen des Werks – und in der Gemeinschaft jener, die sich darauf einlassen.
Lassen Sie sich ein auf das Abenteuer, das Kino als kathartische Erfahrung neu zu entdecken. Mariánské Lázně wartet mit offenen Armen – und mit dem Versprechen, dass hier, zwischen historischen Fassaden und dampfenden Quellen, Lärm nicht nur Lärm bleibt, sondern zur Essenz einer neuen Wahrnehmung wird.
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