Gas- und Strompreis-Spirale: Das kommt auf die Kunden der Stadtwerke Weiden zu

Weiden. Ganz Deutschland diskutiert über die Gasumlage. Ganz Deutschland? Nein, OberpfalzECHO fragt im ersten Teil unserer zweiteiligen Energie-Serie bei den Weidener Stadtwerken nach, was wirklich auf die Bürger in unserer Region zukommt.

Johann Riedl und Christine Melischko, die Vorstände der Weidener Stadtwerke. Bild: Jürgen Herda

Uniper ist in aller Munde. Ein Unternehmen, das vor Wochen kaum einer gekannt hat. Mit einem Geschäftsmodell, das die verfehlte Politik der Abhängigkeit von russischem Gas auf die Spitze trieb. Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach setzte fast ausschließlich auf den billigen Energieträger aus Putins Reich und konnte darin noch wenige Tage vor dem Einmarsch in die Ukraine keinen Fehler erkennen.

„Sein größter Fehler“ nennt er inzwischen, das nicht erkannt zu haben. Ein Fehler, der allen Steuerzahlern unkalkulierbare Milliardenbeträge kosten wird. Ein Fehler, der unter normalen marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten zwangsläufig in die Insolvenz führen würde. Wären nicht zahlreiche Stadtwerke Abnehmer von Uniper. Die Abspaltung von E.ON, gewissermaßen die Bad Bank des Energieriesen, mit Sitz in Düsseldorf gehört seit 2020 mehrheitlich dem finnischen Energiekonzern Fortum.

Zweidrittel der Gasumlage geht an Uniper

Um einen Dominoeffekt zu verhindern, erhielt Uniper im August fünf Milliarden Euro vom Staat aus einer Kreditlinie, die gerade mal zwei Wochen herhielt. Eine neuerliche Kreditlinie von neun Milliarden Euro ist ebenfalls ausgeschöpft. Vier weitere Milliarden sollen demnächst folgen. Doch wie lange wird das reichen? Die Gas-Umlage soll weitere 34 Milliarden Euro bringen – zwei Drittel davon allein an Uniper.

Nach Ansicht von Maubach „gibt es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Gasumlage erhöht werden muss“, wenn sich die „sehr, sehr hohen Preisniveaus fortsetzen“. Es gebe aber auch gute Signale: „Zum Beispiel die Tatsache, dass wir unsere Gasspeicher schon relativ gut gefüllt haben.“

Das Gaspreise werden für den Endverbraucher massiv teurer. Symbolbild: Pixabay

Stadtwerke: „Gasmarkt abhängig von der Temperatur“

In dieser unsicheren Marktlage bewegen sich auch die Weidener Stadtwerke. Woher beziehen die eigentlich derzeit ihr Gas? „Wir haben Verträge mit unterschiedlichen Anbietern“, erklärt stellvertretende Vorständin Christine Melischko. „Auch mit größeren Stadtwerken.“ Woher genau das Gas kommt? „Das sagt Ihnen niemand.“ Man dürfe sich die Vertragsgestaltung nicht so vorstellen, dass da immer Festpreise drinstünden. „Der Gasmarkt ist abhängig von der Temperatur. Generell decken wir uns jeweils bis September des Vorjahres mit dem geschätzten Bedarf des Folgejahres ein. Wenn dann das Jahr aber wärmer oder kälter wird, sind wir gezwungen, Zu- oder Abverkäufe über den Spotmarkt abzuwickeln.“

„Wir werden derzeit von 11 Anbietern beliefert“, konkretisiert Vorstand Johann Riedl. „Kältere Perioden, für welche ein Zukauf an den Märkten erforderlich ist, können bei dieser Preisgestaltung zurzeit teuer werden.“ Allerdings hätten die Weidener Stadtwerke immer auf Absicherungsprodukte gesetzt, die die Schwankungen zum Teil ausglichen. Derzeit versorge man 6.700 Anschlüsse, an denen etwa 9.400 Haushalte hingen. „Wir liefern aber auch für Kunden, vor allem regionale Großkunden mit Zweitniederlassungen an anderen Standorten, bereits seit 2007 Gas und Strom Deutschland weit“, ergänzt Melischko.

Hälfte aller Haushalte vom Gas abhängig

Derzeit würden laut Riedl rund die Hälfte der Haushalte mit Erdgas versorgt. Richtig sei, dass die Stadtwerke in den vergangenen Jahren immer wieder Gas-Neuanschlüsse verlegt hätten. „Wir haben versucht, das Gasnetz zu erweitern“, sagt Riedl, „das wird aber nicht mehr fortgeführt.“ Außerdem sei das Einzugsgebiet nicht in allen Teilen mit Gas erreichbar. Die meisten großen Nordoberpfälzer Unternehmen seien vom Gas abhängig. „Das sind aber nicht zwangsläufig auch Vertriebskunden von uns“, sagt Riedl. „Die größten Verbraucher im Netz kaufen teilweise direkt“, ergänzt Melischko. „Wir haben aktuell im Stadtgebiet Weiden an die 50 Großkunden am Erdgasnetz.“

Was bedeutet das nun aber konkret für die Gaskunden – was kommt heuer auf die Verbraucher mit Preiserhöhungen und Gasumlage zu? „Zum 1. Oktober werden zwei neue Umlagen eingeführt und eine bestehende Umlage wird erhöht“, erklärt Melischko. „Die Gasbeschaffungsumlage beträgt 2,419 Cent/kWh (netto) und die Gasspeicherumlage 0,059 Cent/kWh (netto) – das sind die neuen Umlagen.“ Die Bilanzierungsumlage erhöhe sich auf 0,57 Cent/kWh (netto) und die Konvertierungsumlage auf 0,038 Cent/kWh (netto). Diese beiden Umlagen wurden bereits 2015 eingeführt. „Wir wissen, dass diese Preissteigerungen für unsere Kunden eine enorme Belastung bedeuten. Als Energieversorger können wir diese Umlagen aber nicht beeinflussen, und sie müssen daher von uns weitergereicht werden.“

Verzehnfachung des Preises

Allein die Börsenpreise sprächen aber eine deutliche Sprache. „Wir hatten seit Januar 2021 mehr als eine Verzehnfachung von 17 auf über 200 Euro – ohne Umlagen, Steuern und Netzentgelte“, macht Melischko wenig Hoffnung auf Entspannung. Die Gasbeschaffungsumlage, die nur einen verhältnismäßig geringen Anteil an der Preisspirale hat, werde an Importeure weitergereicht, die günstig Gas aus Russland bezogen haben, jetzt aber auf teureres Flüssiggas beispielsweise aus Norwegen ausweichen müssen.

„Einen Ausgleich für diese Mehrkosten kann jedes betroffene Unternehmen beim Trading Hub Europe (THE), das marktgebietsverantwortliche Unternehmen für den deutschen Gasmarkt, beantragen“, beschreibt Melischko das Prozedere. Das THE rechne das auf die Gesamtheit der Kunden um und berechne diese Umlage den Bilanzkreisverantwortlichen: „Die geben das Ergebnis über die Gasbeschaffungsumlage an uns weiter.“

Teure Pleite der Billiganbieter

Zusätzlich verkompliziere die Pleiteserie von Billiganbietern die Preisfindung. Die Stadtwerke hätten bei unterschiedlichen Lieferanten drei bis vier Jahre im Vorfeld immer wieder Tranchen gekauft und jetzt den Vorteil, noch auf diesem Level beziehen zu können. Die Billiganbieter dagegen hätten eine Short-Strategie gefahren. Solange das Gas günstig war, sei das rentabel gewesen. Bei exorbitant hohen Preisen aber zur wirtschaftlichen Bruchlandung geführt. „Wir haben deshalb jetzt eine Situation, dass viele Grundversorger mit am günstigsten im Markt sind.“

Aufgrund der vielen Wechsler hätten aber auch die Stadtwerke zu wenig Gas gekauft. „Keiner hat damit gerechnet, dass die alle im großen Stil zurückkommen“, sagt Melischko. „Deshalb brauchen wir jetzt größere Mengen als ursprünglich geplant, die wir wieder teuer an den Märkten nachkaufen müssen.“ Da die Grundversorgung verpflichtend sei, könne man keinen Kunden abweisen. „Der Sondervertrag war allerdings schon immer aufgrund einer Preisgarantie etwas günstiger, dafür war der Kunde ein Jahr gebunden.“

Notfallpläne für Gasmangellage

Was passiert konkret, falls das Gas nicht mehr für alle reicht? „Wenn die Gasmangellage wirklich eintritt“, erklärt Melischko, „greifen Notfallpläne.“ Die Bundesnetzagentur übernimmt dann die Verteilung. „Wir haben als Stadtwerke Weiden bereits seit 2015 einen Leitfaden, Krisenvorsorge Erdgas‘, dessen Kriterien sich an den Leitfaden des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) stützen.“ Im Notfall werde die Belieferung von nicht geschützten Letztverbrauchern mit Erdgas so weit eingeschränkt, dass die Versorgung geschützter Verbraucher wie Haushalte oder die systemrelevante Produktion aufrechterhalten werden kann.“

Aber auch hier gebe es noch viele Unbekannte: „Wer zählt zu den schützenswerten Branchen?“ Glashersteller gehörten nicht generell dazu. „Wenn aber Röhrchen für die Medizin oder Babygläser hergestellt werden, dann schon.“ Das sei aber nirgends geregelt. Dazu kämen die Gesetze der Physik. „Ein Gasnetz funktioniert mit Druck“, sagt Melischko. „Inwieweit dieser im Fall einer Gasmangellage aufrechterhalten werden kann, ist schwer vorauszusagen.“

Wer soll den Gashahn zudrehen?

Und überhaupt. „Wer hat denn überhaupt das Durchgriffsrecht?“, will Riedl wissen. „Wir können zum Kunden nur sagen, bitte abdrehen!‘, aber wenn er es nicht tut?“, zweifelt er an der Praxistauglichkeit des Notfallplans. „Oder in der Vorstufe: Wir ordnen eine Reduzierung an, fahren Sie den Verbrauch um 40 Prozent runter.‘ Und wenn nicht?“ Das gelte auch für industrielle Großkunden. „Ich habe Zugriff aufs Netz, aber wer dann im Krisenfall der Sünder ist, weiß ich pauschal nicht“, erklärt Riedl.

Letztlich spiele das Klima eine entscheidende Rolle. „Wenn es ein milder Winter wird, kommt es nicht so extrem“, denkt Melischko. „Bei kaltem Winter werden Verbraucher eventuell gezwungen sein, früher zu reduzieren.“ Die Bundesregierung appelliere deshalb aus gutem Grund an alle Verbraucher, Energie zu sparen oder nach Möglichkeit die Heizung zu ertüchtigen. „Das würde auf alle Fälle Geld sparen.“

Keine gute Idee: Heizlüfter sind Stromfresser und könnten zum Blackout führen. Bild: privat

Blackout-Risiko Heizlüfter

Apropos Strom: Gibt es auch einen Notfallplan, wenn Tausende Haushalte im Winter ihre Heizlüfter anwerfen? „Das Bayernwerk hat Notfallpläne“, sagt Melischko. „Heizlüfter haben alle 2 kW“, warnt Riedl. „Wenn es zu einer Überlastung kommt, müssen die Verbraucher ihre Dinger abschalten, sonst können wir das Netz nicht wieder hochfahren.“

Auch Melischko weist eindringlich darauf hin, dass das Heizen mit Strom keine kluge Alternative ist: „Das kostet bei den ebenfalls um den Faktor 10 gestiegenen Börsenstrompreisen auch viel Geld.“ Heizlüfter in einzelnen Räumen anzustellen, ohne sich über den Verbrauch Gedanken zu machen, sei keine gute Idee. „Ich muss mich fragen: Brauche ich wirklich in jedem Raum 23 Grad oder reichen im Schlafzimmer nicht auch 16 Grad – das würde schon viel helfen.“

Im zweiten Teil unserer Energie-Serie fragt OberpfalzECHO bei den Weidener Stadtwerken nach, wie das kommunale Tochterunternehmen vor Ort auf die Energiekrise reagiert.

Die Stadträte Ali Zant und Laura Weber. Bild: Gabi Eichl

Grüne Stadtratsfraktion beantragt Verzicht auf Strom- und Gassperren

Die Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen beantragt, die Verwaltungsräte des Kommunalunternehmens Stadtwerke sollen von den Stadtwerken den Verzicht auf Strom- und Gassperren bis einschließlich 31. Juli 2023 fordern.

Begründung: Wir erleben aktuell eine Energiekrise mit stark steigenden Preisen. Die Preistreiberei einiger Energiekonzerne und Spekulationsgeschäfte auf den Energiemärkten verschärfen das Problem. Menschen mit geringem Einkommen werden von der Inflation überrollt und haben oft auch noch mit den durch die Pandemie verursachten Einkommensverlusten zu kämpfen.

Angesichts dieser Not müssen wir als Stadtgesellschaft dafür Sorge tragen, dass in diesem Herbst und Winter keine Heizung durch eine Zwangsmaßnahme abgeschaltet bleibt, dass durch Stromsperren ein Kühlschrank nicht läuft oder für die Schule wichtige digitale Geräte nicht mehr geladen werden können. Da die Pandemie noch nicht vorbei ist und wir nicht sicher wissen, ob es wieder Distanzunterricht gibt und die Menschen wieder mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbringen müssen, ist es wichtig, dass niemand fürchten muss, dies im Kalten oder Dunkeln tun zu müssen.

Etwaige Einnahmeverluste der Stadtwerke, die durch den Verzicht auf Strom- und Gassperren entstehen können, werden vorerst gestundet. Sollte sich abzeichnen, dass Beiträge langfristig nicht gezahlt werden können, soll in Abstimmung mit dem Sozialdezernat der Stadtrat über die weitere Vorgehensweise beschließen.

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