Glosse zur Bundestagswahl – ein Porträt: „Danke, Weidel!“
Weiden. Es ist noch nicht lange her, da war eine Floskel allgegenwärtig: Steckte der saudi-arabische Kronprinz auf dem Weg zur Zerstückelung eines Journalisten im Stau fest, hieß es: „Danke, Merkel!“ Verlor der eigene Fußballverein: „Danke, Merkel!“ Es ist höchste Zeit, endlich mal der Kanzler-Kandidatin mit Schweizer Emigrationshintergrund zu danken: „Danke, Weidel!“

Dieser Weg an die Spitze Deutschland wird kein leichter sein für Alice Elisabeth Weidel, in ihrer Schulzeit am Jugenddorf-Christophorus-Gymnasium in Versmold liebevoll Lille genannt. Die Tochter des wohlhabenden Wirtschaftsingenieurs und späteren Handelsvertreters Gerhard Weidel, selbst AfD-Mitglied, und Enkelin des promovierten Juristen und NS-Funktionärs Hans Weidel, ein „treuer Anhänger der Bewegung“ und ab 1941 Heeresrichter, wuchs in der „Mähdrescherstadt“ Harsewinkel (26.000 Einwohner, Kreis Gütersloh) auf.
Wie eine Mähdrescherin wälzt die 46-Jährige seit ihrem Eintritt in die AfD Baden-Württembergs im Oktober 2013 die bundesdeutsche Politik um. Im Juli 2015 wurde sie in den Bundesvorstand der AfD, im April 2017 auf dem AfD-Bundesparteitag in Köln gemeinsam mit dem damals noch stellvertretenden Parteivorsitzenden Alexander Gauland zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2017 und über Platz 1 der Landesliste in den Bundestag gewählt.
Am 25. Mai 2021 wurde das Team Weidel und Tino Chrupalla schließlich durch eine parteiinterne Abstimmung zum Spitzenduo für den Bundestag ernannt. Auf der Aufstellungsversammlung Anfang Oktober 2024 in Ulm wurde sie als Spitzenkandidatin auf Platz 1 der baden-württembergischen Landesliste für die Bundestagswahl 2025 gereiht – erstmals in der Geschichte der Jungpartei als Kanzlerkandidatin.
Von China lernen, heißt Weltmacht lernen
Unter ihren Mitschülern galt die junge Lille als „dominanter Charakter“. Sie studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth und schloss ihr Studium 2004 als Jahrgangsbeste mit einer Arbeit über „Die Rolle der Banken in der Corporate Governance als transformationspolitisches Konzept am Beispiel der Volksrepublik China“ ab. Schon früh entwickelt die blonde Weiß-Prinzessin also ein Gespür für die neue Weltordnung, in der das Reich der Mitte eine dominante Rolle spielen dürfte.
Ein Vorbild auch für den AfD-Europa-Abgeordneten Maximilian Krah der folgerichtig jenen Jian G. als Assistenten anheuerte, der vergangenes Jahr in Dresden festgenommen wurde. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Spionage für eine fremde Macht in einem besonders schweren Fall vor. Wie die Bundesanwaltschaft mitteilte, soll Jian G. Informationen aus dem Europäischen Parlament an eine Kontaktperson beim chinesischen Geheimdienst übermittelt haben. Darüber hinaus soll er chinesische Dissidenten in Deutschland ausgespäht haben.
Scharfer Verstand der deutschen Deal-Makerin
Die Frau, die von D-Mark und Euro ganz offensichtlich mehr versteht als ihre Anhänger aus eher bescheideneren Verhältnissen – die AfD punktet noch immer besonders bei Arbeitern sowie Menschen ohne Arbeit mit mittlerer Reife oder Hauptschulabschluss – arbeitete von Juli 2005 bis Juni 2006 als Analystin im Bereich Vermögensverwaltung bei Goldman Sachs in Frankfurt.
„Sie ist hoch qualifiziert, hätte bei uns sicher alle Chancen gehabt“, sagt der US-Amerikaner James Dilworth, Weidels Chef bei Goldman Sachs und Allianz Global Investors. „Sie hat einen scharfen Verstand, ich mochte ihren Humor.“ Dilworth kennt Weidel auch als ungeduldig – und als unerbittliche Diskussionspartnerin, wenn es um die Folgen des Euro für Deutschland gehe.
Weidels GAGA-Moment: Germany Also Great Again
Ihr Humor wird auch von den US-Anhängern der MAGA-Bewegung geschätzt, die Weidel und ihre Parteifreunde gerne zur Inthronisation Donald Trumps als alten und neuen Alleinherrscher der Vereinigten Staaten und Kanadas, des Golf von Amerikas, Grönlands und des Gaza-Streifens einluden. Dass Weidel bei dieser Gelegenheit den Beitritt Deutschland als 52. Staat der USA angeboten habe, hat die Kanzler-Kandidatin weder dementiert noch bestätigt. Sie wurde dazu noch nicht einmal befragt – so viel zur Lügenpresse.
Sicher ist dagegen, dass die diplomatische Spitzenkraft aus Deutsch-Switzerland die Freundlichkeiten der Gastgeber mit Schmeicheleien in der US-amerikanischen Zeitschrift „The American Conservative“ zurückzahlte: Deutschland sei „eine Kolonie“ der USA, ohne Recht auf eigenständige Entscheidungen über ihre Energie- und Außenpolitik. Wir alle seien „Sklaven der USA“, was sich auch in der NATO manifestiere. Sie setzt damit der belächelten feministischen Außenpolitik der verhassten Grünen Außenministerin Annalena Baerbock, den konsequenten Revanchismus einer staatlichen Mücke gegenüber dem orangenen Elefanten im internationalen Raum entgegen.
Weidels Doktorvater Oberender und die Kliniken Nordoberpfalz
Der Oberpfalz hatte sie sich bereits bei ihrem Studium in Bayreuth genähert. Dass sie anschließend ihre Doktorarbeit beim Gesundheitsökonomen Peter Oberender – selbst Hauptzeichner der Wahlalternative 2013, aus der die AfD hervorging – an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth über „die Zukunft des chinesischen Rentensystems“ fabrizierte, kann kein Zufall sein. Wer sollte sich mit Renten besser auskennen als ein Volk von 1,4 Milliarden Menschen, mit sinkender Anzahl an Arbeitskräften bei gleichzeitig stark steigender Zahl an Rentnern?
Dass die Oberender Klinik-Beratungs-AG seit Jahren auch tat- und Manpower-kräftig die Kliniken Nordoberpfalz AG berät, zeigt: Lille setzt sich auch für den kleinen, kranken Mann der Nordoberpfalz ein. Bei Promotions- und Auslandsaufenthalten in China konnte sie die zukünftige Supermacht zudem hautnah studieren und sich vom freiheitsliebenden System Xi Jinpings inspirieren lassen. Nicht von ungefähr ermutigt der starke Mann der Kommunistischen Partei Chinas Regimekritiker immer wieder mit dem legendär gewordenen Appell: „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!“, zur tabulosen Meinungsfreiheit in den Umerziehungslagern für Uiguren in der Region Xinjiang.
In den Fußstapfen des X-Humanisten Elon Musk
Als leitende Mitarbeiterin bei der Credit Suisse in Singapur und von März 2011 bis Mai 2013 bei Allianz Global Investors in Frankfurt am Main geht sie früh auf Tuchfühlung mit den einfachen Menschen in den Großbanken. Sie kennt die Nöte und Sorgen der Banker und Investoren und ist mit ihrem strengen, aber immer wohlwollenden Vater d’accord, wenn der sagt: „Ich habe keine Sympathie für Leute, die ihren Lebensunterhalt nicht auf dem freien Markt bestreiten können!“
Nach einer kurzen Station beim Heristo-Konzern, der Lebensmittel und Heimtiernahrung für die notleidende Bevölkerung Deutschlands produziert und vertreibt, machte sie sich als Unternehmensberaterin selbständig, um bei Rocket Internet SE, ein Beteiligungsunternehmen mit Sitz in Berlin, das Anteile an unterschiedlichen Start-ups mit Schwerpunkt auf vorwiegend internetbasierten Geschäftsmodellen hält, in die Fußstapfen ihres Bewunderers und gleichzeitig humanistischen Vorbilds Elon Musk zu treten.
Tear this Windmills down!
Mit dem Raketen- und Tesla-Genie verbindet sie eine große Leidenschaft für die E-Mobilität und alternative Energien – Zitat: „Wir reißen alle Windparks nieder, nieder, nieder!“ Man sieht, die vielseitig gebildete Politikerin kennt ihren Cervantes und Don Quichotte und dessen Kampf gegen die Windmühlen. Gleichzeitig gelingt ihr mit diesem sprachlichen Kunstwerk über die „Windmühlen der Schande“ sowohl eine Anspielung auf Björn Höckes Zitat vom Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ sowie Ronald Reagans prophetischen Appell: „Mr. Gorbatschow, tear this Wall down – reißen Sie diese Mauer nieder!“
Dass sie beim, von Millionen gebannten Zuhörern auf dem brutal aufklärerischen sozialen Netzwerk X – former known as Twitter – verfolgten, virtuellen Plausch mit Elon Musk auch noch Adolf Hitler, der 1928 erklärt hatte, die NSDAP sei nicht sozialistisch, weil seine braven Nazis anders als linke Ideologen mit ihrem fiesen Gleichheitsideal aller Menschen Sozialisten, Kommunisten und andere „Untermenschen“ verfolgt und ermordet hätten, als lupenreinen Kommunisten entzaubern konnte, verblüffte sogar ihren früheren Gönner und Förderer Alexander „Vogelschiss“ Gauland.
„Sexuelle Fantasien“ der CDU
Apropos Weltpolitik: In der Tradition des Hitler-Stalin-Pakts bekämpft Alice im politischen Wunderland die deutsche Russland-Politik mit deren „Enthusiasmus“ für militärische Unterstützung der Ukraine als „einen staatlich verordneten Kriegswahn“, der jede realistische Einschätzung der militärischen Lage ignoriere. In Bezug auf die CDU sprach sie deshalb „von sexuellen Fantasien impotenter Menschen“, die sich in vermeintlichen Kriegsaufrufen einen Weg bahnen würden.
Zusammen mit ihrer Forderung, das „Demokratiedefizit“ der EU aufzulösen oder aus der EU nach dem glanzvollen Vorbild Großbritanniens auszutreten, das so endlich die polnischen Lastwagen- und Taxifahrer, Gemüsehändler und Pflegekräfte von der Insel remigrieren konnte, könnte Weidel damit dem Traum von einer Insel der Wohlstandsvernichtung mitten in Europa näherkommen.
Zarenreich in den Grenzen von 1948
Dass führende Ökonomen einen solchen Isolationismus der Exportnation Deutschland für den wirtschaftlichen Super-GAU halten, ficht die künftige Statthalterin Putins in Berlin nicht an. Weiß sie doch mit dem Herrscher im Kreml einen deutschsprachigen Sponsor an ihrer Seite, der in seinem Zarenreich in den Grenzen von 1948 gerne einen Teil Deutschlands als Woiwodschaft übernehmen würde.
Dann wäre der Weg für den russischen Auslandsgeheimdienst zum Berliner Tiergarten, um Regimekritiker zu eliminieren, nicht mehr gar so weit. Und die neuen Bundesländer bekommen endlich ihre Mauer zurück, die sie vor „Burkas, Kopftuchmädchen, alimentierten Messermännern und sonstigen Taugenichtsen“ schützt.
Gelebte LGBTQIA*-Dialektik
Ihr politisches Meisterwerk aber gelang der Volksdeutschen mit oberschlesischen Vorfahren freilich mit ihrem frauhaften eintreten für die LGBTQIA*-Community – Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender/Transsexual, Queer/Questioning, Intersex, Asexual – in ihrer linksliberalen schweizerischen Wahlheimatstadt Biel. Die mit der AfD befreundete SVP hat dieses Problemviertel mit den vielen Graffitis, dunkelhäutigen Menschen und Frauen mit Kopftuch filmisch porträtiert und gefragt: „Wollt ihr so eine Schweiz?“
Nicht so Weidel, die in einem dialektischen Akt bismarckscher Größe im deutschen Wahlkampf fordert: „Das Recht auf Adoption muss Ehepaaren vorbehalten bleiben”, denn Kinder müssten „von Vater und Mutter umsorgt aufwachsen“. Im für deutsche Wähler unsichtbaren Biel freilich zieht sie mit ihrer Lebensgefährtin Sarah B., geboren in Sri Lanka, gemeinsam die ebenfalls dunkelhäutigen Kinder groß. Patrick Schröder, Weidener Liebhaber der Regenbogenfahne und stellvertretender NPD-Landesvorsitzender, wäre stolz auf diesen Schachzug.
Mehr Dummokratie wagen: „Danke, Weidel!“
Wer sich also nach einem Deutschland sehnt,
- das zu seiner historischen Größe der frühneuzeitlichen Kleinstaaterei zurückkehrt,
- politisch und wirtschaftlich auf dem Niveau der guten alten Stoapfalz, wo die Kartoffel die wichtigste Ressource war,
- Mauern und Zäune als 4000 Kilometer lange kulturhistorische Denkmäler schätzt,
- gerne einen Kotau vor weltpolitischen Despoten in Moskau und Peking machen möchte,
- und die Meinungsfreiheit von Gulags und Giftanschlägen für demokratische Errungenschaften hält,
der sollte am Sonntag unbedingt sein Kreuz bei der AfD machen. Es ist Zeit, „Danke, Weidel!“ zu sagen! Danke, dass du uns mit einem Oberpfälzer AfD-Polizisten, der nach einem Einsatz an der Grenze seit Jahren mit Burn-out im Maximilianeum sitzt, vor der Gefahr einer erfundenen Islamisierung durch gut sechs Prozent Muslime in Deutschland schützen willst. In einer Gefahrenlage, in der es laut polizeilicher Kriminalstatistik im Jahr 2023 mit 2858 versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten etwas mehr als die Hälfte der 5140 Morde und Mordversuche von 1993 gab.
Dass die Häufung der schrecklichen Anschläge unmittelbar vor Wahlen in Deutschland auch damit zusammenhängen könnten, dass laut Recherchen von SPIEGEL und „The Insider“ russische Agenten in Afghanistan offenbar für Anschläge der Taliban bezahlten – darunter mindestens zwei Asylbewerber in Deutschland – ändert übrigens nichts daran, dass auch bei den „Altparteien“ Konsens herrscht, Gewaltverbrecher unbesehen ihrer wahnwitzigen Motive auszuweisen.
* Diese Felder sind erforderlich.