Initiative Klinik Retten will nach Ablehnung des Bürgerbegehrens nicht aufgeben
Tirschenreuth. Große Enttäuschung und Widerstand gegen die Entscheidung des Kreistags. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens gegen die Einschnitte am Krankenhaus Tirschenreuth wollen nicht aufgeben.
Einspruch, Beschwerde, Klage? All das zieht die „Initiative Klinik Retten“ (IKR) nach der Ablehnung des Bürgerentscheids durch den Kreistag Tirschenreuth in Betracht. Wir IKR-Sprecher Dr. Hans-Jürgen Jokiel schreibt, wolle man sich zunächst juristischen Rat einholen, ehe man eine Entscheidung treffe, wie es weitergehen soll.
„Entscheidung macht fassungslos“
Wie berichtet, hat der Kreistag Tirschenreuth am vergangenen Freitag mit 28:10 Stimmen das IKR-Bürgerbegehren aus „rechtlichen Gründen“ abgelehnt. Das sei laut Jokiel nicht nur enttäuschend, es mache geradezu fassungslos, wie und warum der Kreistag die Zulassung des Bürgerbegehrens abgelehnt habe. „Sowohl der formale Ablauf als auch die rechtliche Begründung müssen kritisiert und hinterfragt werden“, schreibt der Notarzt.
Neben den fünf Vertretern der IKR, den Notärzten Dr. Wolfgang Fortelny, Dr. Bertram Völkl, Dr. Hans-Jürgen Jokiel und Klaus Gehring, Pflegedienstleiter i. R., sowie Medienberater Manuel Jokiel waren circa 50 Zuhörer aus der Bevölkerung zur Kreistagssitzung erschienen. „Die fünfstündige Kreistagssitzung wirkte wie eine Werbeveranstaltung für die Strukturreform der Kliniken Nordoberpfalz AG“, hatte Hans-Jürgen Jokiel schon nach der Sitzung kritisiert.
„Es hätte genügt, das Bürgerbegehren rechtlich zu würdigen und dann eine Entscheidung herbeizuführen“, schreibt der Mediziner. Stattdessen habe es eine langatmige und teils verwirrende Orchestrierung mit ellenlangen Vorträgen über die Strukturreform der KNO und deren „positive Auswirkungen“ gegeben. „Ein glatte Thema-Verfehlung“, so Jokiel. Entscheidende Punkte seien nicht erwähnt worden und auch die langatmigen Statements der Fraktionssprecher hätten gebetsmühlenartig nur die bekannten Pro-KNO-Argumente wiederholt und seien somit am Thema vorbeigegangen.
„Bürger wollen die Reform nicht“
Die Landkreisbürger (fast 8000 haben die Liste unterschrieben) hätten sich durchaus eine klare und eindeutige Meinung zur KNO-Strukturreform gebildet. Jokiel: „Sie wollen diese Reform nicht und sie wollen das Krankenhaus Tirschenreuth mit seiner Grund-, Regel- und Notfallversorgung erhalten. Das ist der Punkt, der zur Abstimmung stand, und nicht eine Rechtfertigung bereits getroffener Entscheidungen.“
Die IKR kritisiert vor allem die Vorträge von Dr. Josef Kick, dem ärztlicher Leiter des Zentralen Rettungsverbands, und die vom Landkreis beauftragte medizinische Sachverständige Dr. Regina Klakow-Franck als „Themaverfehlung“ und eindeutig „Interessen-gesteuert“. Der Initiative gehe es nicht um die 12-Minuten-Hilfsfrist, sondern um die Lebensrettung bei anderen zeitkritischen Diagnosen wie Lungenembolie, Kreislaufinstabilität, akute gastrointestinale Blutung, Sepsis, Schockzustand, Geburtsstillstand mit Gefahr für Leben von Mutter und Kind oder laufende Reanimation.
„Enttäuscht und betroffen“
Enttäuscht und betroffen gemacht habe das Gutachten des Rechtsexperten Dr. Fritz Böckh. Laut dem seien Hauptgründe für die Ablehnung des Bürgerbegehrens die Übertragung der gesetzlichen Pflicht zum Betrieb von Krankenhäusern an die KNO sowie fehlerhafte Behauptungen des Bürgerbegehrens. „Hier haben wir eine deutlich andere Rechtsauffassung“, sagt Hans-Jürgen Jokiel. Die Verantwortung für die klinische Versorgung liege beim Landkreis und nicht bei der KNO AG.
„Nach Artikel 51 Abs. 3 der Bayerischen Landkreisordnung ist der Landkreis Tirschenreuth verpflichtet, „…die erforderlichen Krankenhäuser zu errichten und zu unterhalten…“. Wenn ein Landkreis die Versorgung an ein Klinikunternehmen übertrage, die aber die Mindeststandards (Erreichbarkeit einer Grund- oder Notfallversorgung) nicht einhalte, bleibe die Verantwortung beim Landkreis. „Die KNO setzt sie lediglich um oder – wie im Landkreis Tirschenreuth – nicht um. Deshalb hat der Landkreis entweder die KNO zur Einhaltung der Basis-Notfallversorgung zu veranlassen oder eine alternative Basisnotfallversorgung binnen 30 Fahrzeitminuten sicherzustellen.“
Die Regelungen zum Sicherstellungszuschlag und zur Basisnotfallversorgung setzten im stationären Notfall erreichbare 30 Fahrzeitminuten voraus. Dafür werde als Grundlage der GKV-Kliniksimulator herangezogen, der als korrektes Tool zur Ermittlung betroffener Einwohner angesehen werden. Jokiel: „Das sind im Landkreis Tirschenreuth gut 11.000 Menschen im Umkreis von 30 Kilometern. Würde man die Sorgen der Bürger wirklich verstehen (wollen), müsste es den Entscheidungsträgern vollkommen egal sein, ob 11.000 oder 3000 Menschen betroffen sind. Es geht um Menschen, noch dazu in diesem Fall um die eigenen Bürger des Landkreises.“
Aufgeben keine Option
Zusammengefasst sei nicht nachzuvollziehen und nicht zu fassen, wie sich der Kreistag Tirschenreuth über das Bürgerbegehren zum Erhalt der medizinischen Akutversorgung im Landkreis hinwegsetze. „Hier wurden Wege gesucht, um den eindeutigen Willen der Bevölkerung niederzuwalzen.“ Die IKR erwarte jetzt den schriftlichen Ablehnungsbescheid und überlege sich, wie man darauf, gegebenenfalls mit juristischen Schritten, reagieren könne. Aufgeben komme auf jeden Fall nicht infrage.
Trotz aller unterschiedlicher Auffassungen: Die Initiative will den Kontakt mit den Entscheidungsträgern nicht abreißen lassen. Dazu gehöre auch die Mitarbeit der IKR im vom Kreistag verabschiedeten 7-Punkte-Papier. Dort soll unter anderem eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Fraktionen, der Kliniken Nordoberpfalz AG, von Notärzten, niedergelassenen Ärzten, KVB, ZRF und Personen mit medizinischer Fachkompetenz gebildet werden. „Wir würden uns über solch ein Vorhaben freuen, zumal es uns bereits im Dezember angeboten wurde, aber nichts passiert ist. Wir sind gerne Teil dieses Gremiums unter der Voraussetzung eines echten Mitspracherechts – und nicht nur einer Meinungsabgabe“, schließt die Initiaitive ihr Schreiben.
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