Interview: Verhindert Lauterbachs „Revolution“ den Klinik-Kollaps?

Amberg/Weiden. Unnötige Operationen, abgewiesene Patienten, Personalmangel, Kliniken vor dem Kollaps: Gesundheitsminister Karl Lauterbach kündigt eine Revolution bei der Finanzierung der Krankenhäuser an. Die Chefs des Klinikums St. Marien in Amberg meinen: „Das reicht nicht!“

Interdisziplinäres Gruppenbild der Chefärzte mit Ärztlichem Leiter Dr. Harald Hollnberger (blauer Anzug): Das Klinikum St. Marien Amberg sieht sich mit der Integrativen Onkologie für Lauterbachs Reformpläne gut aufgestellt, wenn regionale Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Foto: Jürgen Herda

Im Interview mit OberpfalzECHO erklären Ärztlicher Leiter Dr. Harald Hollnberger und Klinikvorstand Manfred Wendl, welche Chancen der Reformvorschlag des Bundesgesundheitsministers bietet – und wo Karl Lauterbach zu kurz springt. Michael Hoffmann, Vorstand der Kliniken Nordoberpfalz, hat seine Einschätzung für Januar angekündigt.

Karl Lauterbach war als Staatssekretär unter Ulla Schmidt an der Einführung der Fallpauschalen beteiligt – die Motivation war damals, das System effizienter und die Krankenhausaufenthalte kürzer zu machen. Eine Fehleinschätzung?

Wendl: Wir hatten früher bis 1994 das Selbstkostendeckungsprinzip für die Kliniken in dem über Tagespauschalen abgerechnet wurde. Wenn eine Klinik gesagt hat, ich brauche 20 Millionen zur Deckung der Betriebskosten, hat sie entsprechend mit den Kassen verhandelt. Man hat dann gesagt, im Sinne der Effizienz ist es nicht gut, Geld rein über die Liegezeiten auszuzahlen. Dann hat man begonnen, das System zu differenzieren und zunächst für einzelne Bereiche Fallpauschalen eingeführt. So entstand wie in anderen Ländern, um die Leistung zu bemessen, eine Clusterung nach Operationen und Behandlungen, nach Leistung, die erbracht wird. In Deutschland hat man so ein einzigartiges System geschaffen, eine Vollfinanzierung über DRG-Fallpauschalen, anders als in anderen Ländern, die DRG-Systeme zur Leistungsmessung einsetzen.

Die Pandemie brachte das System an seine Grenzen?

Wendl: Spätestens Corona hat gezeigt, dass das so für die Finanzierung der Kliniken nicht funktioniert. Wegen der Pandemie mussten Betten freigehalten werden. Vorhaltekosten, die wegen sinkender Fallzahlen nicht finanziert sind, überforderten die Kliniken. Die ausschließliche Finanzierung der Betriebskosten über DRG-Fallpauschalen stand aber von Anfang an in der Kritik. Die DRGs haben bewirkt, dass die Liegezeiten kürzer wurden. Gleichzeitig ist ein Hamsterrad mit immer mehr Fällen entstanden, um damit die Kosten decken zu können.

Die alternde Gesellschaft spielt auch eine Rolle?

Wendl: Ja, gleichzeitig ist die Fallzahlenentwicklung auch von der Demografie getrieben, der Altersdurchschnitt ist deutlich gestiegen. Es gilt auch hier die 80:20-Regel: 80 Prozent der Patienten nehmen Krankenhausleistungen in den letzten 20 Prozent der Lebenszeit in Anspruch. Jetzt stehen wir vor einem Punkt, dass die Fallzahlen bedingt durch die Pandemie zurückgehen, weshalb der finanzielle Druck weiterwächst. Die Abkehr von der DRG-Vollfinanzierung begann bereits 2020, seit die Pflege am Bett fallzahlenunabhängig finanziert wird. Im neuen System sind auch Teile der Vorhaltekosten ausgenommen. Auch für die Notaufnahme bekommen wir seit drei Jahren eine pauschale Vergütung unabhängig von der Zahl der Patienten, aber abhängig vom Level der Notfallversorgung.

Was halten Sie von der Expertenkommission, die im Mai eingesetzt wurde – welche Interessen sind hier beteiligt?

Wendl: Ich kenne nicht alle Mitglieder, aber es sollen meines Wissens keine Vertreter der Krankenhäuser oder Kassen dabei sein. Es scheint tatsächlich eine reine Expertenrunde mit Wissenschaftlern zu sein, die sich seit Jahren zu verschiedenen Themen des Gesundheitswesens positionieren. Aus unserer Sicht ist das aber auch schwierig, weil hier der Praxisbezug fehlt.

Hollnberger: Wir leiden seit Jahren darunter, dass wir immer strikter bestimmte Strukturen ständig vorhalten müssen, deren Einhaltung im Detail geprüft wird. Wir können komplexe Leistungen nur dann abrechnen, wenn alle Strukturparameter exakt eingehalten wurden. Dass man jetzt Vorhalteleistungen finanziell stärker berücksichtigen will, ist richtig. Ob die Vorschläge ausreichen, geht aus dem Positionspapier noch nicht hervor.

Ziel jetzt sei es, vom Zwang zur billigen Massenversorgung wegzukommen und gerade den Bestand ländlicher Krankenhäuser für die Grundversorgung und Schwerpunktversorgung zu garantieren: Ist mit den Vorschlägen der Kommission dieses Ziel zu erreichen?

Wendl: Die Idee an sich finden wir gut und unterstützen sie. Die Frage, ob die Art und Weise, wie Lauterbach die Vorhaltung finanzieren möchte, ausreicht, ist noch nicht beantwortet. Ich habe Zweifel, dass wir mit einem Anteil von 40 bis 60 Prozent Vorhaltekosten gerade bei ländlichen Krankenhäusern hinkommen. Allein das Pflegebudget macht derzeit schon rund 30 Prozent unserer Kosten aus. Der von den Fallzahlen unabhängige Kostenanteil ist höher. Ob das eine Kinderklinik ist, die rund um die Uhr besetzt sein muss, oder andere Stationen mit Mindest-Personalbesetzungen in den Schichten. Wir müssen rund um die Uhr Rufdienste wie zum Beispiel einen Kardiologen oder Unfallchirurgen vorhalten. Ob dann nachts ein oder fünf Unfälle zu behandeln sind, ein oder fünf Herzinfarkte, spielt keine so große Rolle. Die Ausgestaltung ist allerdings noch wenig greifbar.

Klinikvorstand Manfred Wendl (links) und Ärztlicher Leiter Dr. Harald Hollnberger. Archivbild: Klinikum St. Marien

Welche Befürchtungen haben die Experten, wenn die Politik sagen würde, wir übernehmen die tatsächlichen Kosten?

Wendl: Man will nicht zum reinen Kostendeckungssystem zurückkehren, aus Angst, dass sich die Krankenhäuser dann zurücklehnen, weil sie sagen, wir bekommen das eh finanziert. Deshalb plädiert man für ein Mischsystem, bei dem ein bestimmter Anteil immer finanziert wird, der leistungsbezogene Anteil aber zurückgefahren wird. Es steht allerdings auch in dem Papier, dass das Geld nur umverteilt wird, das heißt die variablen Vergütungen so gekürzt werden, dass die Vorhaltekosten damit gedeckt werden können. Insofern wird das System vielleicht gerechter, aber nicht zwangsläufig stabiler.

Lauterbach weist unter anderem daraufhin, dass bisher unnötige OPs etwa bei sterbenskranken Menschen durchgeführt worden seien, die keinen allzu großen medizinischen Nutzen hätten. Oder eben das Geschäftsmodell Knie, Hüfte, Rücken. Wie ist da Ihre Erfahrung?

Wendl: Ich habe einmal die Endo-Klinik in Hamburg besucht. Die setzen 2.000 Prothesen im Jahr ein. Das ist hocheffizient, die haben so eine deutlich höhere Kostendeckung pro Operation als ein Krankenhaus, das ein breites Versorgungsspektrum in mehreren Fachrichtungen für eine Notfallversorgung vorhalten muss.

Hollnberger: Bei planbaren OPs spielt zudem die Indikationsqualität eine wichtige Rolle. Bei einem Tumor ist das etwas anderes, bei einem Knie kann man oft noch zuwarten mit der OP.

Wendl: Das war in der DRG-Vollfinanzierung sicher ein Fehleranreiz. Der Benefit für eine Klinik ist umso höher, je größer die Fallzahl ist. Das wird für diese Kliniken künftig schwieriger, das Anreizsystem geht nach unten. Einen Umbau des Systems hätte es nicht bedurft, um Fehlanreize zu reduzieren. Man hätte auch sagen können, ab nächstes Jahr bekommt ihr beispielsweise 500 Euro weniger für eine Hüfte. Die Frage ist, ob eine OP etwa nach einem Oberschenkelhalsbruch dann im Einzelfall noch kostendeckend ist?

Wird damit das Problem entscheidend behoben?

Wendl: Ich glaube nicht, weil nur durch die Änderung des Vergütungssystems noch nicht die Strukturen in der stationären Gesundheitsversorgung verändert werden. Eine Strukturveränderung möchte man durch die Einteilung der Kliniken in drei Levels erreichen. Was dann mit dem Umsatzvolumen der Kliniken passiert, die man rausnimmt, ist noch nicht klar. Aber auch wenn diese Finanzmittel im System bleiben, wird das auch nicht für alle reichen. Besser wird’s erst, wenn man etwa sagt, die Leistungsgruppe Herzinfarkt dürfen nur bestimmte Häuser mit der erforderlichen Strukturqualität erbringen. Dadurch kann eine größere Kosteneffizienz und eine höhere Versorgungsqualität entstehen.

Welche Kliniken fallen aus der Finanzierung raus – und was passiert mit denen dann?

Wendl: Es gibt den Vorschlag eines Levels 1i für eine integrierte stationäre/ambulante Versorgung – das sind kleine Kliniken, die keine Basis-Notfallversorgung leisten können. In diesen Einrichtungen sollen Patient über Nacht zur Beobachtung bleiben können. Entweder angestellte oder niedergelassene Ärzte sollen die Versorgung sicherstellen. Derartige Konzepte sind bereits bisher unter dem Begriff „Intersektorales Gesundheitszentrum“ diskutiert worden – so etwa auch für das Krankenhaus in Waldsassen.

Ist die Größenordnung der Zentren bereits definiert – könnte das für Kliniken im ländlichen Raum wie in Amberg oder Weiden zum Problem werden?

Wendl: Welche Idee Lauterbach verfolgt, kann man am Beispiel Onkologie nachvollziehen. Die Behandlung bestimmter Erkrankungen kann dann nur noch ein zertifiziertes Zentrum leisten. Darmkrebs kann nicht mehr jedes Krankenhaus operieren.

Hollnberger: Ich weiß schon, warum er das Beispiel Onkologie nimmt. Die WiZen-Studie, die über neun Jahre durchgeführt wurde, kann belegen, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit für Patienten, die in zertifizierten Zentren behandelt werden, signifikant besser ist. Wir unterstützen diese Zentrumsbildung und halten eine Schwerpunktversorgung in zertifizierten Zentren für nötig. Wir haben allerdings das Problem, dass der gemeinsame Bundesausschuss zum Teil Mindestmengen vorgibt, die im ländlichen Raum nicht immer zu erreichen sind. Mir wäre es lieber, man definiert Leistungsmengen, angepasst an die Strukturen der jeweiligen Regionen.

Wendl: Die Idee der Reform ist gut und überfällig. Was ich nicht gut finde, alles rein auf Zahlen runterzubrechen, die zentral vorgegeben werden. Das kann zu einer Benachteiligung des ländlichen Raums führen. Nehmen wir an, im ostbayerischen Raum erfüllen fünf Kliniken die Leistungsmengen in onkologischen Kategorien ganz knapp nicht, dann haben wir außer in Regensburg keine onkologische Versorgung mehr. In Berlin oder München ist das kein Problem, wenn drei Kliniken rausfallen. Aber im ländlichen Bereich kann das schwierig werden.

Ärztlicher Leiter Dr. Harald Hollnberger (links) und Dr. med. Marc Dauer, Chefarzt für Innere Medizin, im Gespräch. Foto: Jürgen Herda

Was halten Sie von der Einteilung in drei Stufen lokal, regional und überregional – was würde das für Ihr Klinikum bedeuten?

Wendl: Stufe 1 ist die Grundversorgung, unterteilt in 1i, wie schon beschrieben, und 1n, mit Häusern, die mindestens eine Chirurgie und innere Medizin haben sowie die Basisnotfallversorgung abdecken. Im Level 2 ist die Regel- und Schwerpunktversorgung, wo bereits überregionale Aufgaben erfüllt werden – da sind wir dabei. In der Gruppe 3 sind die Maximalversorger wie die Universitätskliniken in Erlangen oder Regensburg.

Wir sind sicher in Stufe 2, welche Kriterien wir darüber hinaus von Stufe 3 erfüllen, kann man noch nicht sagen. Wenn man jetzt der Stufe 2 zugeordnet ist, darf man nur Leistungen aus Level 1 und 2 erfüllen. Das kann zu Einschränkungen führen. Darmkrebs wird bisher auch in vielen kleinen Kliniken operiert, die der Stufe 1 zugeordnet sind. Bei Darmkrebsbehandlungen ist zu erwarten, dass diese der Stufe 2 zugeordnet werden, das dürfen viele kleine Krankenhäuser dann nicht mehr behandeln.

Könnten stärkere Kooperationen mit größeren Krankenhäusern oder Unikliniken eine Lösung sein?

Wendl: Im Papier wird rein auf Krankenhausstandorte abgezielt, die Zusammenarbeit mit der Uniklinik reicht da nicht. Die Voraussetzungen für die Leistungserbringung müssen an jedem Standort erfüllt werden.

Sie hatten sich dafür ausgesprochen, Expertenzentren zu bilden, Stichwort Onkologie, wie es jetzt vorgeschlagen wird – ein richtiger Schritt also?

Wendl: Die Frage wird sein, wie das in der Praxis umgesetzt wird, wie die Bundesländer, in deren Verantwortung die Krankenhausplanung liegt, das ausgestalten. Bisher ist das ja nur ein Konzeptpapier.

Hollnberger: Prinzipiell begrüßen wir die Versorgung in Zentren und auch die stärkere Einbeziehung der Kliniken in die ambulante Versorgung. Für den ländlichen Raum wäre es aber besser, wenn man sich überlegen würde: Wir haben bestimmte Erkrankungen mit verknüpften Häufigkeiten pro Einwohnerzahl – wie verteilt man diese auf die vorhandenen Häuser so, dass die Versorgung innerhalb der Region möglich ist?

Können Sie das an einem Beispiel erläutern?

Hollnberger: Beispiel Lungentumorerkrankungen: Da gab es schon eine Besprechung mit der Uniklinik Regensburg im CCCO-Netzwerk (Anm. d. Red.: Comprehensive Cancer Center Ostbayern). Nach derzeitigem Stand dürften nur noch die Uniklinik und die Barmherzigen Brüder diese Erkrankung ab 2025 operativ behandeln. Beide Kliniken könnten aber die Patientenzahl aus der Region gar nicht bewältigen. Wir sind da im Gespräch, welche Kooperationsmodelle wir nutzen können, um alle Patienten in der ostbayerischen Region auch hier versorgen zu können – dazu wäre aber die Zuweisung bestimmter Patienten notwendig, um die jeweils geforderte Leistungsmenge für ein bis zwei weitere Standorte zu erreichen.

Wendl: Was mir bei dieser Form der Krankenhausplanung fehlt, ist, welche Fahrstrecken man den Patienten zumuten will. Das müsste dringend zu den Mindestzahlen ergänzt werden, weil ansonsten die Patienten zwei Stunden im Auto sitzen. Das ginge relativ einfach, indem man sagt, für diese Leistungsbereiche darf man maximal 10, 20 oder 30 Minuten im Auto sitzen müssen. So eine Definition ist für den ländlichen Bereich dringend notwendig, weil man bei niedriger Einwohnerdichte ansonsten nicht dahin kommt, die notwendigen Krankenhäuser zu sichern.

Ist schon ein Zeitplan für die Umsetzung der Reform absehbar?

Wendl: Das ist aus meiner Sicht ein weiterer Kritikpunkt. Es ist eine Konvergenzphase für die Umstellung auf das neue System von fünf Jahren vorgesehen. Erst nach fünf Jahren soll die komplette Finanzierung über Vorhaltepauschalen und die angepassten DRG-Pauschalen erfolgen. Ich fürchte, dass das System bis dahin kollabiert ist. Ich auch sehe keinen Grund, warum man sich fünf Jahre Zeit lässt. Bei der Einführung des DRG-Systems gab es so eine Konvergenzphase. Damals gab es aber Berechnungen, welche Krankenhäuser zu den Gewinnern und welche zu den Verlierern zählen würden.

Bei der jetzigen Reform sollen die Häuser dadurch stabilisiert werden, dass man ihnen einen bestimmten Prozentsatz der Vorhaltekosten zuteilt. Angesichts der akuten Finanznot der Kliniken ist es nicht nachvollziehbar, warum man diese stabilisierende Komponente erst nach fünf Jahren komplett einführen möchte. Das angestrebte System ist sehr komplex, es wird sicher zwei, drei Jahre brauchen, um das erforderliche Datenmaterial so aufzubauen, dass man es umsetzen kann. So beheben wir die akute Finanznot nicht, auch weil kein zusätzliches Geld ins System kommt.

Gefordert wird, die Bezahlung von Ausrüstung und Personal von Fallpauschalen abzukoppeln. Ist das nicht bereits der Fall?

Wendl: Das wurde für die Pflege am Bett gemacht, aber da rudert man teilweise bereits wieder zurück. Die Frage ist auch, wie man zum Beispiel die Finanzierung des notwendigen Verwaltungs- und Küchenpersonals bewertet. Die Idee, wir nehmen pauschal bestimmte Dinge aus der DRG-Fallpauschalenfinanzierung raus, ist schon ein richtiger Ansatz. Es gibt sogenannte sprungfixe Kosten im Krankenhausbetrieb.

Ein Beispiel: Ob ich für 100 oder 150 Patienten koche, macht noch keinen Unterschied aus. Aber wenn ich für 300 koche, dann schon. Ich brauche Regelungen, wie viel Personal man im Regelfall für eine bestimmte Struktur dieser Größe benötigt. Man möchte auch nicht, dass die Betriebskosten für die Ausrüstung der Kliniken in jedem Fall voll von den Krankenkassen bezahlt werden müssen. Da könnte es dazu kommen, dass sich jedes Krankenhaus einen Roboter anschafft, den die Kasse bezahlen muss, auch wenn es eigentlich medizinisch nicht sinnvoll ist.

Die Betriebskosten inklusive Personal bezahlen die Kassen, Investitionskosten sollen die Bundesländer bezahlen – soweit ich mich erinnere, beklagen Sie, dass die Investitionskosten aber bisher eben nicht voll übernommen werden?

Wendl: Das wurde im Krankenhausfinanzierungsgesetz von 1972 festgelegt. Wir sind aber von diesem Grundsatz bereits weg, weil die Länder für die Investitionen nicht ausreichend Mittel zur Verfügung stellen. Bayern leistet zwar einen relativ hohen Betrag. Aber wenn ich eine Vergleichszahl nenne, wird klar, wo die Diskrepanz liegt: 1991 überwies der Freistaat 660 Millionen Euro für die Investitionen der bayerischen Klinken, dieses Jahr 650 Millionen.

Hollnberger: Wir liegen damit bei einer Förderquote von 65 bis 70 Prozent bei Bauvorhaben – das macht bei einer Investitionssumme von 10 Millionen 3,5 Millionen Euro, die aus dem Klinikbetrieb oder vom Träger finanziert werden müssen. Österreich dagegen finanziert das zu 100 Prozent. Auch wenn Bayern mehr Investitionen unterstützt als andere Bundesländer, ist das kein Ruhmesblatt. Der Ansatz muss sein, dass notwendige Investitionen in die Kliniken nicht zulasten der Träger und des Klinikbetriebes gehen dürfen.

Wendl: Die Kassen weisen seit langem darauf hin, dass die Kliniken besser dastünden, wenn die Länder ausreichend finanzieren würden. Es gibt die Forderung, den Zuschuss in Bayern auf 900 Millionen Euro schon alleine wegen der Inflation und den Preissteigerungen am Bau zu erhöhen.

Wenn man an die ständigen Zuschüsse der Landkreise Neustadt/Waldnaab, Tirschenreuth und der Stadt Weiden denkt, müsste doch auch von der Kommunalpolitik Druck auf die Staatsregierung ausgeübt werden?

Wendl: Da wird’s noch komplexer. Den Topf von 650 Millionen Euro für 2022 füllen zu 50 Prozent der Freistaat und zu 50 Prozent die kreisfreien Städte und Landkreise. Es gibt aber viele Landreise, die kein großes Interesse daran haben. Die Stadt Regensburg zum Beispiel hat kein eigenes kommunales Krankenhaus – nur die privaten Barmherzigen und St. Josef sowie die staatliche Uniklinik. Das Interesse dafür in die Umlage einzuzahlen, hält sich deswegen in Grenzen.

Hollnberger: Das ist letztendlich eine Mangelverwaltung. Wenn die Gelder im Topf nicht ausreichen, ich aber zu 100 Prozent fördere, müsste ich bei gleicher Fördersumme einige Kliniken aus der Finanzierung rausnehmen. Das wäre dann auch eine echte Krankenhausbedarfsplanung. Dazu müsste die Politik dann bereit sein. Man müsste die Krankenhäuser, wie sie dastehen, danach beurteilen, ob eine Fördermaßnahme sinnvoll ist. Wir haben im internationalen Vergleich etwa mit Frankreich oder der Schweiz 35 Prozent mehr stationäre Betten – man müsste dann Betten abbauen. Mein Wunsch wäre es gewesen, primär über diesen Weg zu gehen.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert ein Gesamtkonzept: Was fehlt aus deren Sicht?

Wendl: Dazu wird sie sich demnächst positionieren. Mir fehlt eine übergeordnete Planung – für eine bestimme Bevölkerungsstruktur braucht es eine daran angepasste Krankenhausstruktur, deren Vorhaltung auch finanziert wird. Stattdessen versucht man, es wieder über hochkomplexe Regelungen der Abrechnung und durch einen weiter hohen wirtschaftlichen Druck auf die Kliniken zu lösen, wobei man nicht weiß, was zum Schluss dabei rauskommt.

Hollnberger: In dieser Planung müsste auch die Besonderheit von städtischer und ländlicher Region adäquat berücksichtigt werden.

Studie zur Wirksamkeit der Versorgung in onkologischen Zentren (WiZen-Studie)

  • Das WiZen-Projekt zeigt auf einer großen Datenbasis, dass eine Behandlung in den zertifizierten Zentren der Deutschen Krebsgesellschaft einen deutlichen Überlebensvorteil für Patienten bedeutet: Ihr Risiko zu versterben wurde um bis zu 26 Prozent gesenkt.
  • In einem zertifizierten Zentrum arbeiten alle für die jeweilige Tumorerkrankung relevanten Fachdisziplinen zusammen, berufs- und sektorenübergreifend – von der Früherkennung über die Diagnostik und Therapie bis zur Nachsorge und Palliation. 
  • Damit ist ein immer wiederkehrender Prozess der kritischen Auseinandersetzung mit den eigenen Strukturen, Prozessen und Ergebnissen nachhaltig implementiert.
  • Mit Stand zum 31. März 2022 gab es 1.778 zertifizierte Zentren, davon 148 Zentren im Ausland. Die Zentren sind an etwa 430 Krankenhäusern in Deutschland vertreten.

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