Interview: „Vielleicht schauen die Leuchtenberger Grafen mit auf das Geschehen“

Leuchtenberg. Das LTO bringt am Freitag „Des Kaisers Pfennigfuchser“ aus der Feder von Bernhard Setzwein auf die Bühne.

Der Schriftsteller und Dramatiker Bernhard Setzwein. Foto: Sabine Böhlau

Im Interview gibt Bernhard Setzwein einen Vorgeschmack auf den geschichtlichen Hintergrund, auf das Stück und auch einen Blick hinter die Kulissen.

OberpfalzECHO: Seit Ende des 12. Jahrhundert gibt es Landgrafen von Leuchtenberg, bis sie 1646 aussterben. Warum haben Sie sich in der langen Reihe der Adeligen ausgerechnet Landgraf Georg Ludwig (1557-1613) ausgesucht?

Bernhard Setzwein: Es ist richtig, dass das Geschlecht der Leuchtenberger im 12. Jahrhundert zum ersten Mal urkundlich fassbar wird. Spekulationen über einen noch viel weiter zurückreichenden Stammbaum gibt es dennoch. Georg Brunner schreibt in seiner Chronik der Landgrafen, sie würden zurückgehen bis zum Bayernherzog Tassilo III., der kurz vor 800 gestorben ist. Das wären also locker noch einmal 400 Jahre mehr. Ist natürlich nicht belegbar.

Dieser Georg Brunner war eine meiner ersten Informationsquellen, denn die Ausgangslage war ja die: Die Gemeinde Leuchtenberg hat sich ein Stück gewünscht, in dem es um die Leuchtenberger und um ihre Stammburg geht, die ja dieses Jahr ihre 900-jährige urkundliche Ersterwähnung feiert. Ehrlich gesagt: Allzu viel lässt sich da nicht finden, was sich zu einem zugkräftigen, unterhaltsamen Freilichttheaterstück umformen lässt.

Bis ich dann auf den erwähnten Landgraf Georg Ludwig gestoßen bin. Hier war es vor alle die Mitteilung, dass er ein enger Berater von Rudolf II. war, die mich aufhorchen ließ. Mit dem Kaiser und seinem Wirken am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges beschäftige ich mich schon seit Jahren, eine faszinierende Figur. Er verlegte die Habsburgerresidenz von Wien nach Prag und schuf an der Moldau einen Ort der Musen, an dem sich alle tummelten: Magier und Alchemisten, Künstler und Astrologen, aber auch jede Menge Quacksalber und Scharlatane.

Man suchte den Stein der Weisen, kochte in Destillierkolben Gold, glaubte die Sprache der Engel enträtseln zu können. Und auch die Sage vom menschengemachten, künstlichen Golem fällt in dieser Zeit. Und da mittendrin dabei der Leuchtenberger Landgraf. Na, wenn das alles zusammengenommen kein Theaterstoff ist!

Blick auf die Bühne. Foto. Landestheater Oberpfalz

Der Habsburgerkaiser Rudolf (1552-1612) ist also im Stück der wichtige Gegenpart von Landgraf Georg Ludwig. Wie passen die beiden zusammen: Ein Adeliger aus der Oberpfalz und ein Kaiser, der in Prag residiert?

Setzwein: Georg war ein sehr enger Berater von Rudolf. Er trug den Titel „Reichs-Commissarius und Pfennigmeister“, weil er unter anderem die Steuer für einen Türkenkrieg eintreiben sollte … einen Krieg übrigens, den Rudolf stets gescheut hat, Politik und alles, was damit zusammenhing, war ihm zuwider. Deshalb war ihm der Georg wahrscheinlich so wertvoll, den ich mir vorstelle als eine Art Wolfgang Schäuble der Renaissance. Ungeheuer pflichtbewusst.

Irgendwann verlegte er sogar seinen Hauptaufenthaltsort von Leuchtenberg beziehungsweise Pfreimd, wo die Leuchtenberger zu der Zeit residierten, nach Prag. Er wollte seinem Kaiser noch näher sein. Hatte zur Folge, dass er seine eigene Herrschaft und seine eigene Familie vernachlässigte. Sein ältester Sohn Wilhelm geriet auf die schiefe Bahn. Er ist eine weitere wichtige Figur meines Stückes und stellt quasi den Bösewicht dar. Er ist es, der das ganze Familienerbe verschleudert, und folgerichtig stirbt auch mit seinem Sohn Maximilian Adam das Geschlecht der Leuchtenberger aus. Auch diese dramatische Zuspitzung kommt natürlich dem Theaterautor sehr entgegen.

Tragisch und damit ideal für ein Drama.

Wichtige Rollen spielen auch zwei Damen: eine Konkubine namens Katharina und Bucca, eine Hofnärrin. Waren denn Frauen als Närrinnen am Hof damals gebräuchlich?

Setzwein: Das weiß ich, ehrlich gesagt, nicht genau. Während viele Figuren des Stückes ihre Entsprechungen in der historischen Realität haben, ist die Hofnärrin Bucca, eine ganz entscheidende Figur meines Stückes, eine Erfindung von mir. Ich lasse sie eine frühere Konkubine des Kaisers sein, ehe sie gegen die deutlich jüngere Katharina von Strada ausgetauscht wird. Mit der hatte Rudolf nachweislich mehrere Kinder, alle natürlich illegitim, er vermied es peinlichst, einen Thronnachfolger zu zeugen.

Rudolf macht Bucca den Vorschlag, wenn sie das Narrengewand anzieht, kann sie an seinem Hof bleiben. Das macht sie dann auch und entwickelt sich zur geheimen Strippenzieherin des gesamten Geschehens. Bucca heißt sie auch deshalb, weil sie an den Puck aus Shakespeares „Sommernachtstraum“ erinnert, von dem man übrigens das Geschlecht auch nicht genau kennt.

Der Kaiser ist in Ihrem Stück ein Monarch, der sich mehr für Geheimnisse und Sensationen als für Politik interessiert. Auch an einem Nachfolger durch Heirat zeigt er kaum Interesse. Er kümmert sich lieber um seine Wunderkammer. Was hat es mit diesem Kuriositätenkabinett auf sich?

Setzwein: Ja, das ist auch eine tolle Geschichte mit diesen Wunderkammern im Burgbauch des Hradschin. Rudolf war ein exzessiver Sammler, nicht nur von Kunstwerken aller Art – für ein Bild von Albrecht Dürer gab er Unsummen aus –, sondern auch von Dingen, die uns kurios erscheinen wie etwa: Holznägel aus der Arche Noah, das Horn eines Narwals, von dem man freilich annahm, es gehöre zu einem Einhorn, Wundertinkturen sowie Bezoare, das sind Magen-Verklumpungen, die gewisse Tier hervorwürgen. Schaut aus wie ein seltsamer Stein, man hat sie in kostbare Schmuckstücke gefasst und hielt sie für Zaubermittel.

Das alles hat Rudolf gesammelt, aber nicht für irgendwelche staunenden Besucher seiner Wunderkammern. Im Gegenteil, niemand sollte das alles sehen. Er ließ die Keller im Hradschin zumauern, irgendwann verlor er wohl den Überblick, wo was versteckt ist. Ein irgendwie irrsinniger Dagobert Duck des Renaissancezeitalters, der auf einem unvorstellbaren Schatz hockt, der nach seinem Tod in alle Winde zerstreut wurde.

Des Kaisers Pfennigfuchser

Weitere Infos zum Stück gibt es hier.

Warum glauben Sie, hat ihm ausgerechnet Landgraf Georg so lange die Treue gehalten?

Setzwein: Wenn man sich vor Augen führt, was für ein problematischer Charakter dieser Rudolf war, ist es noch schwieriger, diese Frage beantworten. Wahrscheinlich war Georg ein sehr treuer, gewissenhafter und pflichtbewusster Mensch. Einer, den man an einen gewissen Platz stellen kann, damit er dort seine Aufgabe erfüllt, und der sich von diesem Platz niemals entfernen wird, was auch passiert.

Ich meine, man könnte ja auch die Frage stellen: Warum hat Donald Trump immer noch Berater, die felsenfest zu ihm halten? Solche Parallelen kann man, denke ich, in meinem Stück durchaus sehen und ziehen. Oder warum gibt es immer noch Berater von diesem wahnsinnigen Putin? Wobei: Richtig bösartig und diabolisch war Rudolf wohl nicht. Obwohl auch er Goldmacher, die ihm das gewünschte Ergebnis nicht präsentieren konnten, Golddukaten nämlich, in Käfige sperren ließ und an Bäumen im Burggraben aufhing, wo sie dann verfaulten.

Schaut man sich die Biografie des Kaisers an, taucht der Name des Leuchtenberger Adeligen nicht auf. Wurde die Bedeutung seiner Rolle für den Kaiser unterschätzt?

Setzwein: Dazu war Landgraf Georg wahrscheinlich ein zu kleines Rädchen. Ich bin dankbar, dass er in der Chronik von Georg Brunner relativ ausführlich dargestellt wird. Und jetzt durch das Stück auch den heutigen Oberpfälzerinnen und Oberpfälzern bekannt gemacht wird.

Man kann durch das Stück, denke ich doch, einiges an Lokalgeschichte erfahren. Und auch, warum die Oberpfalz den Weg genommen hat, den sie schließlich genommen hat. Da kommt ja auch dem Dreißigjährige Krieg eine entscheidende Rolle zu, der am Ende des Stückes noch mit hineinspielt.

Das Engagement des Landgrafen für den Herrscher geht so weit, dass er seinen Wohnsitz nach Prag verlegt. Seine eigene Herrschaft vernachlässigt er, um seine Burgen in Pfreimd und Leuchtenberg kümmert er sich kaum noch. Der Anfang vom Ende der Leuchtenberger?

Setzwein: Ja, und was ich eben noch erwähnte: auch die allgemeine politische Großwetterlage. Georgs Sohn Wilhelm soll tatsächlich einen gewaltigen Schuldenberg aufgehäuft haben. Dass die Landgrafschaft dann aber nicht mehr auf die Beine kam, hing sicher auch mit den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges zusammen, der die Oberpfalz besonders hart hergenommen hat. Und dann noch das Schicksal, dass der Sohn von Wilhelm, Maximilian Adam, selber nur einen männlichen Nachkommen hatte, der schon bald nach der Geburt gestorben ist. Damit erlosch das Geschlecht der Leuchtenberger.

Das Stück ist eine Auftragsarbeit für das Landestheater Oberpfalz (LTO) zum 900-jährigen Jubiläum der Burg Leuchtenberg. Wie wichtig ist es für Sie, dass „Des Kaisers Pfennigfuchser“ gerade an diesem historischen Ort uraufgeführt wird?

Setzwein: Das ist natürlich ein Glücksfall. Den ich in meiner Theaterarbeit schon mehrfach hatte: dass nämlich Ort und Stück eine ganz enge Verbindung eingehen. Und dass das Stück durch den Geist des Ortes, den Genius loci, gewissermaßen zusätzlich aufgeladen wird. Vielleicht schauen ja die Leuchtenberger Grafen durch irgendwelche Ritzen des Gemäuers mit auf das Geschehen.

* Diese Felder sind erforderlich.