Jahn auswärts sieglos durch Liga 2: 17-mal probiert, 17-mal ist es nicht passiert
Darmstadt. Aus is' und gar is' und schad is', dass' wahr is: Der Traum vom ersten Auswärtsdreier des SSV Jahn beim SV Darmstadt 98 ist nur bis zur Pause lebendig. Der doppelte Hornby und ein Nachspielzeit-Elfer als letzter Sargnagel, Kempes Abschied als emotionales Highlight.

Die letzte Chance des SSV Jahn dem Auswärtsfluch beim SV Darmstadt 98 zu trotzen und nicht in die Fußstapfen von Eintracht Braunschweig zu treten, die dieses unfreiwillige Kunststück vor fast 20 Jahren zuletzt fertigbrachten.
Der 17. Anlauf sollte es also richten: Abschiedsspiel, Sonnenschein, Lilien im Schongang. Nach 45 Minuten plus 1 beginnt der Traum Form anzunehmen. Die Oberpfälzer führen nicht unverdient gegen eher müde Südhessen – doch Fußball schreibt keine Halbzeit-Märchen. Für „bemüht“ gibt’s nun mal keine Tabellenpunkte.
Dabei geht’s erst einmal gar nicht gut los mit dem Plan: „unser erster Dreier in der Fremde“: Fraser Hornby zimmert eine Nürnberger-Butterflanke ins lange Eck (1.) – doch der VAR winkt ab: Handspiel beim ersten Kontakt. Jubel eingefroren. Bittere Ironie: Ausgerechnet Hornby dreht das Spiel in der 2. Halbzeit völlig regulär im Alleingang (57., 64.).
Minuten der Hoffnung: Wurm in Winkel
Regensburger Ecke, die neue Wunderwaffe von Tim Handwerker: Die Lilien räumen so halbherzig auf wie ein WG-Bewohner nach durchzechter Nacht am Sonntagmorgen, Leopold Wurm bedankt sich und schaufelt wie bei Hoch-3 im Pausenhof die Kugel am aufgeregt durch den Fünfer hektelnden Darmstädter Hühnerhaufen vorbei in den linken Giebel. 0:1 (8.). Schockstille am Böllenfalltor, Jubel im Gästeblock: „Vielleicht heute? Wirklich?“
Pause! 0:1! Zu diesem Zeitpunkt hätte der Jahn in einer Halbzeit mehr Auswärtspunkte gesammelt als in der gesamten Saison – doch die für Regensburger Fußball-Verhältnisse „historische Wende“, bleibt aus. SV-Chefcoach Flo Kohfeldt weckt Darmstadt auf, Hornby, wir erwähnten es, trifft doppelt, und der Jahn hält sich brav an die eingeübte Dramaturgie:
Erste Hälfte: Hoffnung.
Zweite Hälfte: Realität.
Der doppelte Hornby und Nachspiel-Elfer
Die Wende ist schnell erzählt – irgendwann zwischen 57. Minute und dem Spalier für Lilien-Legende Tobias Kempe verlieren die Regensburger komplett die Übersicht. Der emsige hessische Schwede Isac Lidberg steckt durch, Hornby tanzt an, wuchtet den Ball per Vollspann flach ins lange Eck: Ausgleich, Stadion wach. Dazwischen macht Noah Ganaus noch so Ganaus-Sachen: Kunstvolle Solos mit verpassten Abschlüssen.
Killian Corredor wischt von links eine honigsüße Flanke hinein, Hornby rauscht im richtigen Moment heran, drückt das Leder mit den Zehenspitzen über die Linie: 2:1, Spiel gedreht, Kempe strahlt von der Seitenlinie. Und als wäre das nicht genug, lässt der eingewechselte Anssi Suhonen, der kurz zuvor mit einem Solo nah dran ist am Ausgleich, Corredor über den ausgestreckten Schuh fliegen – Elfmeter. Felix Gebhardt pariert den Schuss des Gefoulten bei seinem Comeback glänzend, doch die gesamte Jahn-Abwehr pennt an der Strafraumgrenze, zwei Darmstädter allein vorm armen Felix, Andreas Müller nagelt das Ding unter die Latte, 3:1 (90. + 3).
Bonus-Szene: „Kempe, du bleibst hier!“
Nach einer guten Stunde hält das Stadion den Atem an: Tobias Kempe – Freistoß-Feinmechaniker, Aufstiegsheld, Lilien-Herz seit über einem Jahrzehnt – wird zum letzten Mal ausgewechselt. Mitspieler bilden Spalier, das Böllenfalltor steht. Kempe dreht eine Ehrenrunde, herzt, küsst und umarmt, was bei 3 nicht auf dem Stadiondach ist – besonders aber natürlich Frau und Familie im Publikum.
Kaum ist die Legende abgefeiert, dreht einer seiner legitimen Nachfolger das Spiel auf links: Hornbys zweiter Stich. Kempe kann’s verschmerzen, dass ihm ein letzter Kunstschuss ins Glück verwehrt blieb, als hätte der Fußballgott ihm geflüstert: „Ergebnis egal, Legenden bleiben.“ Für den Jahn bedeutete die Szene wenigstens das: Die tränenreiche Sportromantik überlagert auch diese Niederlage.
Zeugnis: „Durchaus bemüht“
Die Regensburger Pressemappe kann die Teamleistung für die Saison 2024/25 so zusammenfassen: „Die Mannschaft zeigte sich über weite Strecken bemüht …“ Lehrkräfte kennen das: Der Satz meint „reicht leider nicht“. Zu viele Stockfehler. Zu viel Slalom im Aufbau. Zu wenig Punch im letzten Drittel. Ironie des Jahres: Daheim ergattert der Jahn Tabellenplatz 12 – auswärts tiefste Kreidezeit.
Die Lilien feiern Tobias Kempe als Legende, Hornby schießt den Abschieds-Doppelpack, Kohfeldt klatscht höflich. Auch hier: Ein graues Jahr mit lauem Ende. Nur die Elfer-Lotterie von Corredor / Gebhardt sorgt für Herzrasen. Und für Regensburg steht unterm Strich:
- 17 Anläufe, 0 Siege: ein Rekord fürs Jahn-Museum.
- Gebhardt-Elferkiller: kleines Souvenir für die Statistik.
- Raychouni: bezahlt Lehrgeld, liefert aber wenigstens Leidenschaft.
- Beierlorzer: muss in 80 Tagen einen Kader erfinden, der diese Liga rockt, nicht nur besucht.

Epilog vor Liga 3
Liga 3 wartet mit Rostock, 1860, Ingolstadt – große Kurven, knackige Derby-Nächte. Der Jahn bringt immerhin eine Heimstärke im Handgepäck und ein Talent-Quartett, das ohne Zweitliga-Druck wachsen darf – wenn es denn bleiben würde. Holt Sportchef Achim Beierlorzer jetzt den Glücksbringer an die Seitenlinie (Köllner? Ruthenbeck? Joker X?), kann sich das nächste Kapitel wieder wie Aufbruch lesen.
Heute bleibt nur das Stigma: ein heiß begehrter erster Auswärtssieg, 17 Mal verpasst.
Lektionen 2024/25:
- Für Halbzeit-Führungen gibt es keine Punkte.
- „Durchaus bemüht“ ist die höflichste Form von zu schwach.
- Wer den Galgenhumor verliert, hat schon verloren.
Die Fans singen bis zum Abpfiff – und das ist vielleicht das Wichtigste, was in Darmstadt passierte. Auf Wiedersehen, Liga 2. Wir können jetzt nur besser werden.
Auf- & Abstiegsthriller: 34. Spieltag 2. Liga 2024/25
🥇 1. 1. FC Köln (61 Punkte): Meistertitel in der Post-Keller-Ära: Friedhelm Funkel entzaubert die Roten Teufel mit 4:0.
🔄 2. HSV (59 Punkte): 2:3-Geschenk an das Kleeblatt, das damit den Klassenerhalt festzurrt.
⚔️ 3. SVE (58 Punkte): Saar-Idylle Elverszwerg knockt Schalke mit 1:2 aus, misst sich mit Fußballdorf-Kollegen vom 1. FC Heidenheim (16. BL) in der Relegation!
15. Preußen Münster (37 Punkte): 2:2 in Ulm – Tor in Minute 88 sichert den direkten Klassenerhalt: Aufsteiger ≠ Fahrstuhl. Fans stürmen Rasen, singen „Nie mehr Liga 3!“
⚠️ 16. Eintracht Braunschweig (34 Punkte): Herbe 1:4-Klatsche gegen Kloses Club, Nachsitzen in der Relegation gegen Saarbrücken (3. Liga).
⬇️ 17. SSV Ulm 1846 (30 Punkte): Ein Pünktchen gegen Münster – Abstieg trotz solidem Start. „Spatzen“ flattern zurück in Liga 3.
⬇️ 18. SSV Jahn Regensburg (25 Punkte): 17 Auswärtsversuche = 0 Siege; Schulter-Tor-Statistik rettet keine Klasse. Neustart in Haifischbecken 3. Liga.
Relegationstermine:
- Elversberg vs. Heidenheim: 22./26. Mai
- Braunschweig vs. Saarbrücken: 23./27. Mai
Kurz & schmerzhaft:
- Köln: Meister ohne Keller – Ironie des Jahres.
- Fürth: Fränkisches Stehaufmännchen bleibt der Liga 2 erhalten.
- Elversberg: Saarländisches Fußballdorf gegen schwäbisches Kickerdorf Heidenheim.
- Münster: Aufsteiger bleibt – Ulm geht.
- Braunschweig: Gelb-Blauer Zitteraal, Teil 2.
- Jahn: Abstieg unterschrieben, Umzugswagen rollt.
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