Jahn in der Dritten Liga: Regensburg zuletzt bei den Löwen, als in München die Stangen flogen
München. Neuauflage der Relegations-Sensation: Vor sechs Jahren erlebte 1860 München in der Relegation gegen Regensburg sein Waterloo. Der SSV Jahn gewann sein bislang letztes Spiel bei den Löwen mit 2:0 und stieg in die Zweite Bundesliga auf. So sieht man sich wieder.
Wer in meinem Geburtsjahr 1966 Deutscher Meister wird, kann nicht völlig verkehrt sein. Im Ernst: Als Jahn-Fan durfte man sich auf Giesings Höhen nur selten freuen. Die Löwen vernaschten Regensburg in der Bayernliga zweimal mit je sieben Treffern. Den Regensburgern von 1889 bleibt bei den Älteren von 1860 meist die Knackersemmel im Hals stecken.
Einmal aber, als es wirklich darauf ankommt, sind die Regensburger hellwach: Bei der Relegation 2017 reisen die Oberpfälzer mit einem bescheidenen 1:1-Remis aus dem Hinspiel an. Nach einer halben Stunde trifft Kolja Pusch nach Flanke von Eric Thommy zum 0:1. Noch vor der Pause macht Marc Lais per Kopf den Sack halb zu, 0:2 (41.).
Löwen-Starensemble bricht in sich zusammen
Die Löwen sind konsterniert. Nach dem unendlich quälenden Hickhack zwischen Präsidium und Investor Hasan Ismaik, der gescheiterten Verpflichtung von Trainerstar Sven-Göran Eriksson als zweiten (!) Trainer neben Alexander Schmidt, den wahnwitzigen Rekrutierungen von Spielern wie den brasilianischen Stürmer Ribamar (3,2 Millionen) oder Bundesligakickern wie Ivica Olić oder Stefan Aigner, die ihren Zenit überschritten hatten, dem Last-Minute-Engagement von FC-Porto-Trainer Vítor Pereira und Ian Ayre vom FC Liverpool als neuem Geschäftsführer, ist auf dem Rasen nur noch ein Häufchen Elend zu besichtigen.
Das als Turm von Babylon geplante Kartenhaus fällt in sich zusammen. Die ganze Arroganz, die die Fans noch vor dem Spiel in die Kamera blöken – „Bei Magdeburg hätte ich mir Sorgen gemacht, aber Regensburg ist kein Problem!“ – entlädt sich in einer Gewaltorgie. Zuschauer reißen Geländerstangen und Sitzschalen aus der Verankerung und schleudern sie auf den Platz. Jahn-Keeper Philipp Pentke bleibt arschcool und räumt die lebensgefährlichen Wurfgeschosse ungerührt aus seinem Fünfer. Das Spiel ist mehr als eine Viertelstunde unterbrochen.
Durchmarsch der Oberpfälzer
„Reißt’s euch zam“, leuchtet es von der Videotafel. Aus dem 1860-Block tönt es hämisch: „Nie mehr 2. Liga“. Die Prophezeiung hat bis heute ihre Gültigkeit. Der einst so stolze Arbeiterverein stürzt aufgrund der Überheblichkeit seines Managements brutal ab. Die Löwen müssen nach Lizenzentzug zwei Ligen tiefer in die Regionalliga Bayern. Das Scheitern der ersten Mannschaft hat den Zwangsabstieg der U 21, U 19, U17 und U 16 zur Folge – ein Fünffach-Desaster!
Der Außenseiter aus Regensburg dagegen macht an diesem letzten Dienstag im Mai den direkten Durchmarsch von der Regionalliga in die Zweite Bundesliga perfekt. Dass schon kurz nach dem Spiel bekannt wird, dass Kolja Pusch den Verein verlässt und auch Aufstiegstrainer Heiko Herrlich dem Lockruf Rudi Völlers nach Leverkusen nicht widerstehen kann, trübt die Euphorie nur wenig. Mit Achim Beierlorzer an der Seitenlinie beginnt die stärkste sportliche Ära der Jahn-Geschichte – und mit Beierlorzer als Sportchef ist der Erfolg nach dem Abstieg wieder zurück in der Oberpfalz.
Joe Enochs freut sich auf ausverkauften Löwenkäfig
Jahn-Trainer Joe Enochs will von alldem nichts wissen: „Ich konzentriere mich auf die Gegenwart.“ Und in der führt der SSV Jahn die Tabelle bei einem Spiel mehr als das punktgleiche Dynamo Dresden an. Auch nach dem sechsten Sieg in Folge ist dem Kalifornier nicht nach Surfen auf der Superwelle. „Das ist eine coole Momentaufnahme.“ Die letzten drei knappen Siege hätten aber gezeigt, wie eng die Dritte Liga sei: „Kleinigkeiten entscheiden diese Spiele“, sagt er, „die machen wir momentan sehr ordentlich.“ Wie Dominik Kother gegen Preußen Münster oder Christian Viet mit seinem Weitschuss in Halle. „Das hat uns wieder zurück ins Spiel gebracht.“
Mit Ausnahme von Niclas Anspach und Leopold Wurm, die beide zurück im Training sind, kann der Jahn-Trainer aus dem Vollen schöpfen. Das sei auch gut so, denn: „1860 ist sehr gut besetzt, die können gegen jeden Gegner gewinnen.“ Mit den Zuschauern im Rücken entwickelten sie sehr viel Wucht. „Ich habe selber das Spiel gegen Freiburg angeschaut, wie sie den SC dominiert haben, wie sie angelaufen sind, das war schon eine sehr reife Leistung.“ Deswegen müsse man erneut an die Leistungsgrenze gehen, um da was mitzunehmen. Mithelfen sollen 1500 Jahn-Fans, die das Regensburger Kartenkontingent bereits aufgebraucht haben: „Wir haben es in Ingolstadt gesehen, wie das helfen kann“, freut er sich auf einen Support wie beim 4:2 im Audi-Park.
Die Lage der Löwen
Die Personallage beim TSV 1860 ist angespannt. Leroy Kwadwo (Rotsperre), Niklas Lang (5. Gelbe Karte) und Morris Schröter (Gelb-Rot-Sperre) müssen pausieren. Cheftrainer Maurizio Jacobacci und Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer wurden mit einem Innenraumverbot belegt. Assistent Stefan Reisinger muss deswegen ran. Mit dabei dagegen ist mindestens ein früherer Jahn-Spieler: Albion Vrenezis (fünfte) Gelbe Karte vom Spiel bei Viktoria Köln wurde annulliert – es war eine Verwechslung.
Die personell gebeutelten Löwen würden deshalb gerne vertragswidrig den Ex-Regensburger Joel Zwarts einsetzen. Die Münchener sollen bereit sein, dafür sogar den Geldbeutel aufzumachen. Beim Wechsel des niederländischen Stürmers (vier Tore) hat sich der Jahn eine Klausel in den Vertrag schreiben lassen: Kommt der 24-Jährige gegen die Oberpfälzer zum Einsatz, muss 1860 eine fünfstellige Summe auf den Tisch legen.
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