Jahn in Liga 2: Gelingt mit starkem Wintertransfer-Quartett der Turnaround?
Regensburg. So tief man die Erwartungen nach dem Aufstieg auch hängt: Ein letzter Platz wird von den Fußball-Fans selten verziehen. Mit Sargis Adamyan, Tim Handwerker, Anssi Suhonen und Frederic Ananou holt der SSV Jahn deshalb Hochkaräter für den Abstiegskampf nach Regensburg.

Profi-Fußball ist ein gnadenloses Geschäft. So sehr Achim Beierlorzer in seiner ersten Ära als Jahn-Trainer mit Monstermentaliät, spektakulären Kantersiegen wie dem 5:0 beim HSV und Platz 5 im ersten Jahr eine Euphorie entfachte – so unterirdisch fällt jetzt auf den sozialen Medien die Kritik am Sportchef aus.
Dass sich schon ganz andere Vereine und prominente Sportchefs mit deutlich höheren Budgets und Millionen-Transfers verhoben haben, wenn man an Hertha BSC, den HSV oder Schalke denkt, wird dabei geflissentlich ignoriert. Dabei ist es für einen Verein wie dem SSV Jahn Regensburg mit begrenzten Mitteln um Längen schwieriger, den Schwergewichten der Zweiten Bundesliga – der besten der Welt, wie manche behaupten – ein konkurrenzfähiges Team entgegenzustellen.
Da muss jeder Handgriff sitzen, muss jeder Neuzugang sofort einschlagen, darf kein Verletzungspech dazukommen. Und dann stehen auf dem Platz eben auch nur junge Kerle, die bei Misserfolgen und Pfiffen von den Rängen die Köpfe hängen lassen. Dennoch steckt Jahn-Sportchef Achim Beierlorzer den seinen nicht in den Sand, sondern bläst im Echo-Interview zur Offensive.
Herr Beierlorzer, ich weiß ja nicht, wie’s Ihnen damit geht. Aber wenn ich die vielen Facebook-Posts mit vernichtender Kritik an Ihnen und dem Trainer-Team lese, frage ich mich schon, wo diese Fans in den zwei Jahren waren, als Sie Ihre Kompetenz nach dem letzten Aufstieg mit Monster-Mentalität und einstelligen Tabellenplätzen unter Beweis gestellt haben. Greift Sie das an?
Beierlorzer: Ich bin nicht auf den sozialen Medien wie beispielsweise Facebook unterwegs. Ehrlich gesagt musste ich intern erst nachfragen, worum es hier überhaupt geht. Ich kann dazu nur sagen – jeder darf seine freie Meinung äußern, solange eine gewisse Grenze nicht überschritten wird. Ich sage aber auch nicht, dass es mich überhaupt nicht stört. Denn ich spreche für den ganzen Verein, wenn ich sage: Wir überdenken permanent unsere Situation, eruieren alle Möglichkeiten und setzen sehr viel Invest daran, um die 2. Bundesliga zu halten und erfolgreich zu sein. Ich kann verstehen, dass viele Menschen, die den SSV Jahn lieben und verfolgen, frustriert sind, weil wir Letzter sind und in einem langen Zeitraum keine Tore geschossen haben.
Aber ich kann Ihnen versprechen: Wir wollen mit aller Macht in dieser anspruchsvollen Liga bleiben. Achim Beierlorzer
Natürlich versteht man alle, die mit Herz und Seele bei jedem Jahn-Spiel dabei sind: Die Enttäuschung ist groß – wird euch nicht anders ergehen. Welche Mosaiksteinchen passen denn aus Ihrer Sicht in dieser Saison nicht so zusammen, wie Sie sich das vorgestellt hatten?
Beierlorzer: Man muss für die Antwort noch einmal ein Jahr zurückdrehen, als wir im Sommer 2023 aus der 2. Liga abgestiegen sind und faktisch keine Mannschaft mehr vorhanden war. Wir hatten noch drei Spieler unter Vertrag, die zuvor regelmäßig spielten. Unser Anspruch war in dieser Phase, für diese schwierige 3. Liga eine Mannschaft zusammenzustellen, die dort bestehen und perspektivisch Richtung 2. Bundesliga blicken kann.
Dann sind wir trotz einer holprigen Rückrunde in der Relegation direkt aufgestiegen. Unser Kader bestand aus vielen Spieler, die wir speziell für diese 3. Liga geholt und die alle mindestens Zweijahresverträge hatten. Dennoch konnten wir uns nun im Sommer 2024 bei nur zwei Abgängen mit Konrad Faber und Valdrin Mustafa, der eine Kompensierung für den verletzten Eric Hottmann war, mit acht Neuzugängen verstärken.
Hat die Mannschaft aus Ihrer Sicht ausreichend Qualität für die Zweite Liga?
Beierlorzer: Wir haben versucht, weitere Qualität und Zweitliga-Erfahrung in die Mannschaft zu bringen. Dennoch war es schwierig, aus den genannten Gründen einen homogenen Zweitliga-Kader zusammenzustellen. Viele Spieler sind in einem Entwicklungsprozess und es braucht einfach Zeit, um als Mannschaft weiter zusammenzufinden und die Jahn Spielidee weiter zu verinnerlichen.
Es war deshalb von Beginn an klar, dass es für den ein oder anderen erst einmal schwer werden würde, in dieser 2. Bundesliga zu bestehen. Achim Beierlorzer
Es ist zudem nur glaubwürdig, einen offenen und korrekten Umgang mit den Spielern zu pflegen, die wir vor einem Jahr noch verpflichtet haben und die Bestandteil des Teams waren. Innerhalb dieses Rahmens waren wir im vergangenen Sommer also tätig und konnten eine Mannschaft zusammenstellen, bei der ich weiterhin ein gutes Gefühl habe, auch wenn sich das in der Hinrunde der laufenden Saison noch nicht in den Ergebnissen widergespiegelt hat.
Klar, wir waren immer mit der Prämisse einverstanden, dass wir nach dem Aufstieg erst mal kleinere Brötchen backen müssen: Aber beim letzten Aufstieg hat es ja auch überraschend gut geklappt. Und auch da waren Hochkaräter wie der HSV mit dabei, und Sie haben eine regelrechte Euphorie entfacht.
Beierlorzer: Da muss ich widersprechen. Diese Euphorie kam in der Saison 2017/18 auch erst nach 8 oder 9 Spieltagen. Bis dahin hatte mir mancher auch schon jede Kompetenz abgesprochen. Ich denke nur an das Aue-Spiel im Oktober, das wir in Überzahl mit 0:1 verloren hatten, ein absoluter Tiefpunkt. Ein paar Tage später das Pokal-Aus mit 2:5 gegen Heidenheim, wo wir sehr kritisiert wurden.
Die Euphorie kam mit der Zeit, nach tollen Siegen gegen Fürth und Kaiserslautern. Erst dann kamen wir so langsam raus aus dem Quark und haben die positive Entwicklung vorantreiben können. Ich hoffe und bin zuversichtlich, dass das bei uns nun auch passieren wird, wenn auch mit Verspätung wegen der beschriebenen anderen Ausgangslage vor der Saison. Wir haben nun im Winter auf dem Transfermarkt nachgelegt, um noch mehr Zweiliga-Qualität zu holen, und hoffen, dass uns die Neuzugänge jetzt auch sofort weiterhelfen.
Ohne einzelne Spieler zu düpieren: Hadern Sie mit den Leistungen einiger Neuzugänge – Kai Pröger mal ausgenommen?
Beierlorzer: Ich möchte hier keine Kritik an einzelnen Spielern äußern. Was ich gesehen habe und die Art und Weise, wie sie im Training und auch auf dem Platz auftreten, haben alle Spieler versucht, den Bock umzustoßen und erfolgreich zu sein. Es gilt weiterhin, das Maximum aus sich herauszuholen. Die Mannschaft ist erst eineinhalb, teilweise erst ein halbes Jahr zusammen. Zu dem Zeitpunkt 2017, als ich nach dem vorangegangenen Aufstieg die Mannschaft übernommen hatte, war sie schon deutlich länger unter Heiko Herrlich zusammen. Das war eine gefestigte Mannschaft, die wir gezielt mit Neuzugängen für die zweite Bundesliga verstärken konnten.
Aber Sie hatten sich doch zu Beginn der Saison sicher mehr erwartet?
Beierlorzer: Wir wussten, dass es aufgrund der beschriebenen Ausgangslage nur um die Zielvorgabe Klassenerhalt gehen konnte. Die Mannschaft muss sich erst an diese Liga gewöhnen. Dass es uns so getroffen hat, ist natürlich hart.
Meiner Meinung nach hat uns teilweise auch das nötige Glück gefehlt. Das ging schon in der ersten Saisonphase los. Achim Beierlorzer
Um zwei Beispiele zu nennen: Wir haben ein sehr gutes Spiel bei Hertha BSC gemacht, das wir erst in der Nachspielzeit mit zwei Toren verlieren, obwohl wir schon vorher Tore hätten schießen müssen. Dazu kamen verletzte Spieler dazu, wie Oscar Schönfelder, der mit Kreuzbandriss das ganze Jahr ausfällt, oder Bene Saller, der uns mit einer sehr hartnäckigen Verletzung im Adduktorenbereich lange nicht zur Verfügung steht. Dadurch hatten wir auf beiden defensiven Außenbahnen auf einmal Personalsorgen.
Haben Sie im Saisonverlauf eine positive Entwicklung wahrgenommen?
Beierlorzer: Was man in den fünf vergangenen Spielen gesehen hat: Wir hatten Magdeburg am Rande der Niederlage und verschießen einen Elfmeter, hätten in Braunschweig mit vielen guten Torchancen gewinnen können, haben gegen Köln denkbar unglücklich verloren, machen ein gutes Spiel in Karlsruhe, das wir mit zu viel individuellen Fehlern verlieren – und belohnen uns dann endlich gegen Darmstadt, wo wir verdient gewinnen. Nach der Hälfte der Saison waren wir immer auf Schlagdistanz. Und jetzt haben wir gesagt: Wir holen noch einmal Qualität mit vier zweitligaerfahrenen Spielern – zuletzt noch mit Frederic Ananou vom belgischen Erstligisten VV St. Truiden einen schnellen und robusten Außenbahnspieler mit Drang nach vorne.
Sargis Adamyan wäre auch mein Wunschkandidat gewesen. Wie schätzen Sie seinen Leistungsstand ein: Ist er noch mit dem Hattrick-Schützen von Hamburg zu vergleichen? Und wie schnell trauen Sie den beiden anderen zu, einen Mentalitätsruck durch die Mannschaft mitinitiieren zu können?
Beierlorzer: Ich habe ihn jetzt bei etlichen Trainingseinheiten gesehen. Man sieht, dass er seit seinem Abgang in die Bundesliga noch einmal einen Schritt gemacht hat. Es geht im Fußball auch um die Erfahrung, im richtigen Moment, das Richtige zu machen. So wie er jetzt in die Tiefe geht, die Bälle kontrolliert, seine technischen Fähigkeiten in die Waagschale wirft, ist er ein toller Spieler, der uns weiterhelfen wird. Natürlich ist das immer so eine Geschichte bei Stürmern:
Manchmal schießt man, und der Ball geht an den Innenpfosten und rein – ein andermal fliegt er an den Außenpfosten und geht vorbei. Achim Beierlorzer
Natürlich braucht er auch das Momentum. Aber wenn das klappt, sind alle vier Verstärkungen: Anssi Suhonen ist ein quirliger Mittelfeldspieler mit Drang nach vorne, aber auch ein fleißiger Läufer nach hinten. Mit Tim Handwerker können wir zudem die linke Seite doppelt besetzen.
Gibt es bei den Leihspielern eine Perspektive auch über die Saison hinaus?
Beierlorzer: Das ist nicht ausgeschlossen, dass sie länger bleiben. Natürlich hat Sargis beispielsweise noch einen entsprechenden Vertrag bei Köln, aber wir werden mit den Vereinen im Gespräch bleiben. Für den Moment müssen wir aber erst einmal schauen, in der Liga zu bleiben. Danach können wir dann nachjustieren.
Nur der Vollständigkeit halber: Marvin Knoll und Aias Aosmann waren auch mal zwei Ausnahmespieler, die den Jahn besser gemacht hatten. Soweit ich das sehe, sind sie vereinslos. Haben Sie über die mal nachgedacht – gerade unsere Standards sind nicht gerade der Gold-Standard der Freistoßkunst?
Beierlorzer: Das stimmt, deshalb haben wir mit Handwerker und Suhonen zwei Standardspieler verpflichtet, die es übrigens auch mit dem linken Fuß können. Marvin hat meines Wissens seine Karriere beendet, er hat ja noch ein Jahr unter mir trainiert. Und Aias Aosman war noch vor meiner Zeit, den kenne ich nur noch, als ich mir den Jahn 2014 zum ersten Mal angeschaut habe. Deswegen kann und möchte ich es nicht beurteilen, ob er uns weiterhelfen könnte.
Sind der Abgang von Dominik Kother und Mansour Ouro-Tagba auch als finanzielle Rochade zu betrachten – oder haben sie angesichts der Neuzugänge keine Perspektive mehr gesehen?
Beierlorzer: Dominik kam mit dem Wunsch zu uns, sich verändern zu wollen. Wir hatten ja andere Pläne mit ihm, wollten ihn zu seinem sehr guten Spieler in der 2. Bundesliga entwickeln und hätten uns natürlich insgesamt mehr erwartet. Jedoch ist es schwierig, mit einem Spieler weiterzuarbeiten, wenn er sich nicht mehr zu 100 Prozent mit dem SSV Jahn identifiziert. Deshalb haben wir geschaut, so schnell wie möglich eine Lösung zu finden.
Bei Mansour war das eine spezielle Geschichte. Ich wollte ihn eigentlich für zwei Jahre direkt verpflichten, dann kam uns Köln dazwischen. Achim Beierlorzer
Jetzt kam er mit seinem Berater auf uns zu, und die beiden haben sich mehr Spielpraxis gewünscht. Fakt ist, er hatte zu wenig Spielzeit, die er sich jedoch auch nicht erarbeitet hat. Der 1. FC Köln aber möchte ihn weiterentwickeln. Jetzt wird er in der zweiten Mannschaft des FC in der Regionalliga Spielzeit bekommen.
Wie ist die Stimmung nach dieser kleinen Runderneuerung in der Mannschaft: Aufbruchsstimmung oder auch ein wenig Verunsicherung, was das für das Mannschaftsgefüge und jeden einzelnen bedeutet?
Beierlorzer: Man kann als Spieler nicht erwarten, dass wir alles so weiterlaufen lassen – sonst wären wir ja nicht Letzter. Dass sich die Konkurrenzsituation jetzt verschärft, ist schon beabsichtigt. Das ist ein wichtiger Moment auch für die Mannschaft. Damit reize ich die Spieler, sich verbessern zu wollen. Es kann sein, dass das dem einen oder anderen nicht so behagt, aber wir brauchen Spieler, die diese Herausforderung suchen und die Energie haben, alles reinzuwerfen.
Erfolgreiche Jahn-Tests gegen Löwen und Unterhaching
Der SSV Jahn Regensburg ist erfolgreich in das Kalenderjahr 2025 gestartet: Mit 2:1 (1:1) besiegte die Jahnelf im Testspiel den TSV 1860 München. Eric Hottmann und Bryan Hein erzielten die Tore für den SSV in intensiven 90 Minuten auf dem Trainingsgelände am Kaulbachweg.
Und der Jahn hat auch die Generalprobe vor dem Auftakt in die Rückrunde erfolgreich bestreiten können. Nach intensiven 120 Testspielminuten siegt die Mannschaft von Chef-Trainer Andreas Patz mit 4:1 (1:0, 3:0) bei der SpVgg Unterhaching. Anssi Suhonen traf gegen den Drittligisten doppelt, zudem konnten sich Noah Ganaus und Jonas Bauer in die Torschützenliste eintragen.
* Diese Felder sind erforderlich.