Jahn in Liga 2: In Ulm gefloppt, gegen Hertha top

Regensburg. Verstehe einer diesen SSV Jahn: Von wegen Fußball ist ganz einfach. Dem unterirdischen Auftritt beim direkten Abstiegsmitbewerber Ulm folgt eine leidenschaftliche Schlacht gegen die ambitionierte Hertha aus Berlin. Regensburg hat wieder Anschluss.

Jahn Regensburgs Christian Kühlwetter behält gegen Hertha BSC vom Punkt die Nerven. Foto: dpa

Wenn du glaubst, es geht nichts mehr: Das 1:5 von Ulm war eine Oberpfälzer Bankrotterklärung, gerade nach den Hoffnungen, die alle Verantwortlichen und Fans in die Winter-Transfers gesetzt hatten. Was sollte man da schon gegen ein formstarkes Hertha BSC ausrichten?

Doch erstens kommt es anders, und zweitens, als man denkt: Regensburg liefert den Berlinern eine packende, eine leidenschaftliche, keineswegs nur Abwehrschlacht – der SSV Jahn spielt mit auf Augenhöhe, hat insgesamt die besseren Chancen und sichert sich nach anstrengenden, zum Schluss auch nervenaufreibenden 94 Minuten den verdienten vierten Saisonsieg.

Land in Sicht: 3 Punkte zum Relegationsplatz

Es hilft alles nichts: Wer die Regensburger bereits abgeschrieben, wer sich mit dem Gang zurück in Liga 3, mit womöglich daraus resultierenden Auflösungserscheinungen abgefunden hatte und nur noch wollte, dass dieser bittere Kelch des ewigen Schlusslichts möglichst schnell an uns vorbeigeht, muss sich jetzt wieder aufraffen.

Natürlich ist mit 14 Punkten aus 20 Spielen und 33 Miesen in der Tordifferenz noch längst kein Blumentopf gewonnen. Dennoch, es ist wieder Land in Sicht: Nach Niederlagen von Ulm und Braunschweig beträgt der Abstand nur noch zwei Punkte auf die Niedersachsen und drei auf den schwäbischen Relegationsplatz – nicht auszudenken, wo der Jahn jetzt stünde, hätte er in Ulm eine vergleichbare Leistung auf den Platz gebracht!

Jahn Regensburgs Rechtsaußen-Maschine Kai Pröger ist vom Auftritt in Münster enttäuscht. Foto: jrh

Nach 20 Sekunden auf Betriebstemperatur

Und der Jahn legt schon nach 20 Sekunden los: Eric Hottmann verfehlt Sargis Adamyans Flachpass am zweiten Pfosten um Zentimeter (1.). Von Beginn an auf Betriebstemperatur ist auch wieder Kai Pröger, der nach der Schaffenspause von Ulm auf rechts gewohnt dynamisch antritt und Deyovaisio Zeefuik mit Beinschuss düpiert – Linus Gechter kann gerade noch Hottmanns Flanke blocken (4.). Fünf starke Regensburger Anfangsminuten scheinen die Berliner durchaus zu beeindrucken.

Auch Adamyan ist deutlich präsenter als bei seinen zwei ersten Auftritten: Gewitzt wurstelt er sich an der Hertha-Abwehr vorbei, steiler Ball auf Hottmann, Berlins Keeper Marius Gersbeck, um dessen Einsatzes in der Hauptstadt etwas Wirbel gegeben hatte, macht sich noch ebenso lang und verhindert die Regensburger Führung (14.).

Jahn Regensburgs Luis Breunig schmeißt sich gegen Hertha BSC in jeden Zweikampf. Foto: jrh

Verträumter Ziegele zwingt Gebhardt zur Parade

Klar, das hatte man erwartet: Die Hertha hat Ballbesitz, der Jahn dafür die besseren Chancen. Nach vorne bringen die Berliner bislang nichts Produktives zustande. Dass es dann doch gefährlich wird, liegt nicht am Gäste-Sturm, sondern an Robin Ziegele, der bei seiner versuchten Kopfball-Rückgabe wohl noch von seiner Vertragsverlängerung träumt und Jahn-Keeper Felix Gebhardt zur ersten Parade zwingt (20.).

Auf der anderen Seite ist der extrem aufgedrehte Hottmann auf rechts schon wieder an Toni Leistner vorbei, seine Hereingabe blockt Gechter zur Ecke – da wäre viel mehr drin gewesen, nicht nur Adamyan wartete einschussbereit kurz vorm Fünfer (30.). Und auch bei der zweiten Berliner Halbchance zeigt sich Ziegele hilfsbereit: Derry Scherhant darf der Verteidiger 30 Zentimeter vor der Grundlinie keinesfalls mit einem Foul stoppen – dafür sieht er Gelb, die aussichtsreiche Freistoßposition am linken Strafraumrand verdaddeln die Berliner (37.).

Daumendrücken für den SSV Jahn vor dem Elfer gegen Hertha BSC. Foto: jrh

Kühlwetter souverän vom Punkt

Andi Geipls Ecken bleiben weiter überschaubar gefährlich für die Gegner – dennoch bekommen die Berliner die Kugel nicht sauber aus dem 16er geklärt, unübersichtliche Situation, Spieler fallen wie Kraut und Rüben übereinander, in konzentrierter Hocke beobachtet Schiri Robert Kampka das Gestochere von Pascal Klemens an Hottmann und Rasim Bulic – und zeigt auf den Punkt (43.).

Warum da Geipl noch mit dem Schiri diskutiert, erschließt sich nicht – wird doch noch in Kölns dunklen Kellern geprüft? Christian Kühlwetter steht ungeduldig mit dem Ball am Wartepoint und darf sich die Kugel dann endlich zurechtlegen. Anders als bei seinem letzten Elferwackler verwandelt der Ex-Heidenheimer diesmal mit einem sauberen Strick ins linke Eck, 1:0 (45.).

Jahn Regensburgs Christian Kühlwetter behält gegen Hertha BSC vom Punkt die Nerven. Foto: jrh

Reese bringt Berliner Schwung

Klar, Hertha-Trainer Cristian Fiel will jetzt andere Seiten aufziehen und bringt den noch nicht 100-Prozent fitten Fabian Reese für Smail Prevljak (46.) – und die Berliner Sturmhoffnung bringt tatsächlich gleich neuen Schwung auf Berlins linker Seite. Erst aber zeigt Pröger, was in seiner bulligen Maschine steckt, schnappt sich das verquere Zuspiel von Ibrahim Maza, spurtet auf rechts bis in den Strafraum und verfehlt das lange Eck um ein großes Lineal (53.).

Das ruft Reese auf den Plan, der seinerseits mit einer präzisen Flanke aus dem linken Halbfeld Marten Winkler anvisiert, der am zweiten Pfosten fast von der Grundlinie die Kugel nicht mehr entscheidend drücken kann (58.). Das gleiche Spiel noch einmal: Reese von links an den zweiten Pfosten, Maza legt auf Michael Cuisance ab, dessen Hackentrick in Leere läuft (62.). Und nochmal drängelt Berlin auf den Ausgleich, Cuisance steckt durch, Scherhant hält aus 16 Metern stramm drauf, knapp über die Latte, aber Gepard Gebhardt wäre da gewesen (72.).

Joker Elias Huth nickt in der Nachspielzeit zur Entscheidung gegen Hertha BSC ein. Foto: dpa

Joker Huth nickt ein

Doch das macht der Jahn heute richtig gut. Statt sich hinten reinzustellen und die Angriffe der Hertha über sich ergehen zu lassen, bleibt das Störfeuer der Regensburger über den ganzen Platz auf hohem Niveau. Die Folge: viele Ballgewinne durch hohes Pressing. Pröger überrascht mit einem schnellen Freistoß die Hertha-Abwehr, die noch keine Mauer gebildet hat – der stramme Flachschuss aus 30 Metern zischt knapp links am Pfosten vorbei (77.).

Letzte wütende, aber überhastete Attacken der Berliner über Maza, der Reese auf die Reise schickt, zunächst vorbei an Luis Breunig, aber der große Blonde kämpft sich zurück und schmeißt sich Reese in den Weg (89.). Langsam werden Erinnerungen an Darmstadt wach: Und tatsächlich, auch diesmal sticht der Jahn in letzter Minute: Ballverlust Hertha nach Einwurf in der eigenen Hälfte, der fleißige Sebastian Ernst flankt an den zweiten Pfosten, Joker Elias Huth hat sich am Fünfer positioniert und nickt das Ding ins rechte Eck, voilà 2:0 (90 + 2).

Und heute schaffen es die Regensburger sogar ohne Gegentreffer über die Ziellinie: Sportchef Achim Beierlorzer und Cheftrainer Andi Patz fällt beim Schlusspfiff sichtlich ein Riesengebirge von der Seele, befreites Aufatmen vor den nächsten gewaltigen Herausforderungen in Fürth und gegen den HSV!

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