Jahn in Liga 2: Spiel gegen Nürnberg gedreht, Galgenfrist verlängert
Regensburg. Und wenn man glaubt, es geht nichts mehr, kommt Nürnbergs Eigentor daher: Nach erwarteter Club-Überlegenheit und verdienter 1:0-Führung zur Pause dreht der SSV Jahn das Oberpfalz-Franken-Derby in einer schlafmützigen Viertelstunde des 1. FC Nürnberg.

Man war schon fast geneigt, sich mit dem scheinbar Unabänderlichen abzufinden: Nach dem 2:1-Sieg des SSV Ulm am Samstag gegen Darmstadt und dem Halbzeit-Rückstand gegen einen 1. FC Nürnberg, der schon an den Aufstiegsrängen schnupperte, musste man brutaler Zweckoptimist sein, um auf eine abenteuerliche Aufholjagd der bemühten, aber denkbar harmlosen Oberpfälzer zu setzen.
Da unterschätzt man aber die Hilfsbereitschaft der Franken. Denn der Club ruht sich nach der Pause auf dem Gefühl der eigenen spielerischen Überlegenheit aus, unterstützt die schwachbrüstige Regensburger Offensive mit einem schnellen Eigentor und lässt das wiedererwachte Schlusslicht eine gute Viertelstunde seine Lust auf Sturm und Drang erproben – und man glaubt es kaum, den Oberpfälzern gelingt, was ihnen 16 Spiele zuvor misslang: ein Spiel nach Rückstand noch zu drehen.
Sicher, auch nach dem glücklichen, aber nicht unverdienten 2:1 gegen den Club ist der SSV Jahn mit vier Punkten Rückstand auf Platz 17 und fünf auf Eintracht Braunschweig auf Relegationsplatz 16 noch weit davon entfernt, auf Augenhöhe mit den direkten Konkurrenten um den Klassenerhalt zu agieren. Aber die Hoffnung ist zurück, und eines haben die Regensburger bereits geschafft: den Fans ein vorzeitiges, zähes Saisonfinale mit der Gewissheit des sicheren Abstiegs zu ersparen.
Die Jahn-Schwächen bleiben
Natürlich sollte auch dieser unverhoffte Mutmacher nicht über die unübersehbaren Schwächen des Tabellenletzten hinwegtäuschen, die zu der festbetonierten Position mit der Roten Laterne führte: In der ersten Hälfte schaffen es die Gastgeber gerade einmal, einen mehr oder minder bemerkenswerten Schuss aufs gegnerische Tor abzugeben: Christian Kühlwetters Versuch aus rund 18 Metern rauscht einen knappen Meter neben dem rechten Pfosten vorbei (18.).
Da führt der Club bereits, weil sich Eric Hottmann beim Spielaufbau in der eigenen Hälfte verzettelt, die Kugel an Tim Drexler verliert, der Jens Castrop rechts in die Box schickt, den Robin Ziegele nur passiv begleitet – dessen Hereingabe auf den Fünfer lupft Janis Antiste unhaltbar für Jahn-Keeper Julian Pollersbeck ins lange Eck, 1:0 (11.).
Regensburgs „unexpected Goal“
Somit bewahrheitet sich einmal mehr: Die Oberpfälzer starten mit großem Willen und aufwendigem Pressing ins Geschehen. Aber nach dem ersten Strohfeuer, das zu einem kaum messbaren Wert an „expected Goals“ führt, was immer man auch von dieser statistischen Größe halten mag, haben sich die Franken schnell auf die Spielweise der Regensburger eingestellt und schlagen sie mit ihren eigenen Waffen: hohen Ballgewinnen und wesentlich gefährlicheren Abschlüssen.
Dass der Jahn dann in Hälfte 2 wieder zurückkommt, ist der gnädigen Mithilfe der Nürnberger Abwehr und einem erstmals zugunsten der glücklosen Rothosen auftretendem Momentum zu verdanken: Frederic Ananou setzt Noah Ganaus auf der rechten Seite in Szene, flache Hereingabe vor den Fünfer, der für den verletzten Robin Knoche schon in der ersten Halbzeit eingewechselte Florian Flick will vor Eric Hottmann retten – und befördert die Kugel über die Linie, 1:1 (47.).
Das bisschen Momentum setzt Energie frei
Der erste Treffer nach 490 torlosen Minuten, wenn auch mit fremder Hilfe, setzt Regensburger Energie frei. Das Jahn-Stadion erwacht, und plötzlich zeigen die Franken, jäh aus ihren Aufstiegsträumen gerissen, Nerven, lassen die bis dato ungefährlichen Gastgeber sogar an einer Führung schrauben. Der motivierte, ausrangierte Ex-Glubberer Tim Handwerker zeigt endlich mal, dass er Freistoßflanken kann – Flick klärt dieses Mal per Kopf (50.).
Aber Hottmann hat nach seinem Schnitzer vor dem 0:1 noch was gutzumachen: Starke Balleroberung auf der rechten Seite, scharfe, und präzise Maßflanke auf Noah Ganaus, der zum Glück keine Zeit zum Nachdenken hat, sondern hochsteigt und die Kugel per Kopf unter die Latte ballert, Spiel gedreht, 2:1 (55.) – noch einige bange Sekunden, weil Flick nach dem Luftduell zu Boden geht, aber schlussendlich gibt es wohl keine Einwände des VAR, das Ergebnis steht.
Zähneklappern bei den Jahn-Fans
Ein Blick auf die Uhr macht klar: Diese hauchdünne Führung muss die Schießbude der Liga, wenn auch zuletzt mit stabilisierter Tendenz, jetzt noch rund 40 Minuten über die Zeit schaukeln. Das kostet Nerven: Und die Nürnberger erwachen nach einigen wechseln und gutem Zureden von Club-Trainer Miro Klose an der Seitenlinie aus ihrem partiellen Schneewittchen-Schlaf. Gelegenheiten zum Ausgleich bieten sich den Franken noch einige, wenn auch nur wenige lupenreine Hochkaräter.
Zähneklappern bei den Jahn-Fans: Vergeigen die Regensburger die erste Gelegenheit der Saison, ein Spiel zu drehen? Forkel hat die dickste Gelegenheit, die Uhr nochmal zurückzudrehen: Eine Hereingabe von der rechten Seite rutscht durch, Dustin Forkel kann sich frei aus acht Metern aussuchen, wo er einnetzt – das ist zu viel Option für den kurz zuvor eingewechselten Stürmer: Er streichelt die Kugel Richtung Fünfer, wo zwei Verteidiger klären können (89.).
Der Jahn übersteht auch noch fünf zittrige Nachspielminuten und bleibt zumindest theoretisch im Rennen um den Relegationsplatz. Am kommenden Sonntag, 13.30 Uhr, könnte Regensburg mit einer Wiederholung des Hinspiel-Erfolgs gegen Elversberg im Saarland noch einmal Boden gut machen auf Ulmer, die auf Schalke um Punkte kämpfen, und Braunschweig, das gegen Paderborn ran muss.
Das kleine Derby im Zeitraffer
- Robin Knoche, der nach einem Nürnberger Schreckmoment und Griff an den Oberschenkel erst mal weitermacht, kommt am zweiten Pfosten frei zum Kopfball, Jahn-Keeper Julian Pollersbeck fingert die Kugel über die Latte (10.).
- Ballverlust von Eric Hottmann beim Spielaufbau, Tim Drexler schickt Jens Castrop rechts in den Strafraum, Hereingabe auf den Fünfer, Janis Antiste netzt unhaltbar ins lange Eck ein, 1:0 (11.).
- Christian Kühlwetter versucht es aus rund 20 Metern – knapp am rechten Pfosten vorbei (18.).
- Erneut ein hoher Ballgewinn der Nürnberger, fränkische Überzahl Richtung Jahn-Tor, Caspar Jander schickt Jens Castrop auf der linken Seite, der sich verzettelt (30.).
- Noah Ganaus behindert nach Ansicht von Schiedsrichter Timo Gansloweit Club-Keeper Jan Reichert – vielleicht besser, dass er abpfeift, ansonsten müsste man sich über Ganaus schwachen Abschluss aus acht Metern freistehend in die Füße eines Abwehrspielers auf der Linie die Haare raufen (32.).
- Rafael Lubach versucht es aus der Distanz, Pollersbeck ist zur Stelle (45. + 2).
Zweite Hälfte
- Jahn-Coach Andi Patz geht auf Nummer sicher, schickt Rasim Bulic für den Gelb-vorbestraften Andi Geipl ins Rennen und stellt auf Dreierkette um (46.).
- Frederic Ananou bedient Ganaus auf der rechten Seite, Flachpass in die Mitte, Florian Flick klärt ins eigene Tor, 1:1 (47.).
- Tim Handwerkers Freistoßflanke von rechts köpft Flick aus der Gefahrenzone (50.).
- Hoppla, Eric Hottmann schnappt sich die Kugel, flankt von recht scharf in die Mitte, Ganaus köpft das Ding unter die Latte, 2:1 (55.).
- Den erst eingewechselten Flick trifft es doppelt hart, er muss für Fabio Gruber runter. Dazu schickt Club-Trainer Miro Klose jetzt Lukas Schleimer für Lubach aufs Feld (59.). Beim Jahn kommt Christian Viet für den angeschlagenen Ananou (63.).
- Pollerbeck pariert Schleimers ersten Schussversuch aus Nahdistanz, der Club setzt nach, Antistes Schuss wird geblockt – die fällige Ecke verlängert er an den zweiten Pfosten, wo Fabio Gruber die Kugel um ein Mückenbein verpasst (65.).
- Man darf Ganaus keine Zeit zum Nachdenken geben: Beim Konter hat er freie Bahn bis auf Gruber, in dessen Beine er sich verheddert (71.).
- Christian Kühlwetter spielt Fangen mit Tim Janisch, für sein Halten gibt’s als Belohnung Gelb und eine Pause in Elversberg (72.).
- Das Wechselkarussell dreht sich weiter: Volle Offensive beim Club, für Ondřej Karafiát darf Dustin Forkel und für den Torschützen Antiste auch noch Mahir Emreli Goalgetter-Qualitäten austesten – und Sebastian Ernst soll wohl für Ganaus mehr Ruhe in die letzte knappe Viertelstunde bringen (77.).
- Nürnberg rackert, aber bislang wenig produktiv. Patz nimmt nochmal Zeit und müde Beine von Uhr und Platz: Comeback von Kai Pröger für Handwerker und Elias Huth mit einem weiteren Kurzeinsatz für den glücklos rackernden Sargis Adamyan (86.).
- Zähneklappern bei den Jahn-Fans: Vergeigen die Regensburger die erste Gelegenheit der Saison, ein Spiel zu drehen? Forkel mit der dicksten Gelegenheit: Eine Hereingabe von rechts rutscht durch, der trifft die Kugel aber so gar nicht (89.).
- Nope, der Jahn übersteht auch fünf zittrige Nachspielminuten und bleibt zumindest theoretisch im Rennen um den Relegationsplatz.
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