Jahn in Liga 3: Feins Stärke des Willens in letzter Minute gegen Saarbrücken
Regensburg. Die Tabellensituation des SSV Jahn: düster. Die Stimmung nach der Entlassung des Sportchefs: turbulent. Da kommt Adrian Feins Knaller in Minute 96 gerade recht als Stimmungsaufheller gegen einen Tabellenzweiten aus Saarbrücken, der zu früh zu mauern beginnt.
Der Spielverlauf zum Ausklang der Englischen Woche vor der Länderspielpause, eine Blaupause der Mittwochs-Pleite von Osnabrück: Eine starke Viertelstunde, ein abgefälschtes Plumps-Gegentor von Kai Brünker (18.) aus dem Nichts, und anschließend Rat- und Hilflosigkeit angesichts eines 1. FC Saarbrücken, der den Regensburgern zunehmend den Schneid abkauft.
Vor allem gegen den saarländischen Dolph Lundgren alias Florian Pick, findet die Jahn-Defensive kein Mittel. Der weißblond gefärbte Torschützenkönig der Dritten Liga wirbelt nach Belieben, ist drauf und dran, die Vorentscheidung noch in der ersten halben Stunde vorzubereiten. Mit viel Glück übersteht Regensburg diese Drangphase, kann sich wieder etwas befreien.
Mehr Ballbesitz ohne Tordrang
Fußball verkehrt in Hälfte 2: Der Jahn hat mehr Ballbesitz als der Tabellenzweite, dennoch hat der Gast aus dem Saarland weiter die zwingenderen Chancen. Die Misere lebt: Den Oberpfälzern fällt wenig mehr ein, als die Kugel weit und hoch und blind nach vorne zu dreschen, wo sich Eric Hottmann meist verzweifelt vergeblich abmüht. irgendwie auch mal ans Spielgerät zu kommen.
Einziger Lichtblick bis weit in die Schlussphase: Der unermüdliche Noel Eichinger, der als einziger zu halbwegs gelungenen Dribblings ansetzt, allein, es fehlen die Anspielstationen. Als dann Jahn-Chefcoach Michael Wimmer endlich all in geht und Phil Beckhoff bringt, gelingt dem Tabellen-18. sage und schreibe der erste Schuss aufs Tor in der zweiten Halbzeit (81.). Die Frage sei erlaubt: Warum bekommt „Becks“ nach seinem 2:0 gegen Verl nicht mehr Einsatzzeiten?
Picks bestrafte Arroganz-Küsschen
Saarbrücken macht jetzt den Fehler, sich nur noch hinten reinzustellen und den Dreier mit schlechtem Schauspiel à la Dolph Lundgren über die Zeit retten zu wollen. Die überheblich-ironischen Küsschen, die der grinsende Florian Pick bei seiner schleppenden Auswechslung an das pfeifende Publikum verteilt, werden schließlich bestraft.
Nachdem zuvor Dustin Forkel den Keeper bereits umrundet und den Ball neben den Pfosten geschlenzt hat, fällt Adrian Fein die gefühlt 25. Hereingabe der Nachspielzeit am Elfmeterpunkt vor die Füße und er donnert die Kugel ins rechte Kreuz, 1:1 (90 + 6.), ein Erlösungsmoment wie beim Saisonauftakt in Ingolstadt, diesmal aber ohne Jubelorgie – zu ernst ist die Lage auch nach dem Punktgewinn in letzter Minute.
Nach Tagen der Turbulenz rund um die Freistellung von Achim Beierlorzer endet die Englische Woche zumindest nicht wieder mit einer Heimpleite – und Präsident Oliver Hein stärkt Trainer Michael Wimmer demonstrativ den Rücken. Die Bilanz bleibt gleichwohl ernüchternd. Trotzdem: Das späte Lebenszeichen als Echo des ersten Spieltags – ein kleiner Triumph des Willens, den diese Mannschaft bitter nötig hat.
Aus gutem Start erwächst Unsicherheit
Der Auftakt gehört Regensburg: Flanken, Ecken, ein Kopfball von Eric Hottmann knapp vorbei – der Plan wirkt, das Pressing sitzt, die Ordnung steht. Dann die kalte Dusche: In Minute 18 legt Kasim Rabihic an der Box quer auf Kai Brünker, der am Elfmeterpunkt clever abschirmt, sich dreht und – leicht von Robin Ziegeles Rücken abgefälscht – die Kugel ins rechte Eck driften lässt, 0:1.
Mit der Führung im Rücken kontrolliert der FCS das Tempo: Rabihic, Maurice Multhaup und Florian Pick bespielen die Halbräume. Pick zwirbelt Standards gefährlich in den Fünfer, Felix Gebhardt faustet, die Kette wackelt. Regensburg wirkt nach dem Rückstand wie vom Stecker gezogen – Saarbrücken ist dem 0:2 weit näher als der Jahn dem Ausgleich.
Wechsel, Wucht – und erst mal wenig Wirkung
Nach der Pause probiert es Wimmer mit frischem Puls: Phil Beckhoff bringt Zielstrebigkeit, später kommen Sebastian Stolze, Dustin Forkel, Benedikt Saller und Florian Dietz – das System wird direkter, geradliniger, ohne sofort Durchschlagskraft zu entwickeln. Ein 25-Meter-Schuss von Beckhoff zwingt Tim Menzel in die lange Ecke; auf der Gegenseite köpft Joel Bichsel eine Ecke knapp drüber.
Dann die Szene, die eigentlich alles entscheiden kann: 84. Minute, Beckhoff schickt Dustin Forkel links frei, Menzel rutscht unten durch – doch Forkel trifft aus spitzem Winkel das leere Tor nicht. Das Jahnstadion stöhnt, Saarbrücken kontert clever, nimmt Zeit von der Uhr. Es riecht nach Lehrstunde.
Dropkick als Erlösung
Aber der Jahn wirft in der Schlussphase den Werkzeugkasten auf den Platz: lange Einwürfe von Ziegele, zweite Bälle, hohe Wucht. Gelb für Leopold Wurm (75.), Gelb für Saarbrückens Till Schumacher (90.), ein Beckhoff-Schlenzer drüber – die Luft brennt, die Uhr tickt.
Ein letzter Ball flippert im Sechzehner, Leopold Wurm setzt wuchtig nach und legt per Kopf zentral ab. Adrian Fein nimmt den Ball als Dropkick – und hämmert ihn in die rechte obere Ecke. Ein Stadionschrei, der die Woche wäscht. 1:1, Schlusspfiff Sekunden später. Der Punkt ist glücklich, aber verdient sich im Nachhinein seine Moralprämie.
Stimmen zum Spiel
Jahn-Trainer Michael Wimmer: „Wie immer emotional bei uns. Aufgrund der zweiten Halbzeit geht der Punkt absolut in Ordnung. Wir waren feldüberlegen, ohne zwingende Chancen zu haben – zu wenig Zielstrebigkeit, zu wenig Durchschlagskraft, zu wenig erzwungen. 15 Minuten gut im Spiel, dann bekommen wir mit dem ersten Ding das Gegentor, kommen ins Wanken und müssen brenzlige Situationen überstehen.
Nach der Pause ein Ticken besser – mich freut’s, dass Adrian vorne in der Box war und seine Qualität zeigt. Wir nehmen den Punkt mit – und dann heißt es arbeiten, arbeiten, arbeiten. Kein Relaxing in der Länderspielpause: Fokus zu 100 Prozent auf Havelse.“
Jahn-Torschütze Adrian Fein: „Wichtig vor der Pause, auch wenn wir uns mehr erhofft hatten. Wir können mit dem Punkt leben – jetzt gut arbeiten und in Havelse einen Dreier holen. Die Ansprache vom Trainer war emotional und hat uns gepackt. Was fehlt, sind klare Chancen. Trotzdem: Nach dem 0:1 nicht zusammengebrochen, bis zum Ende offen gehalten. Wenn Dustin einmal trifft, platzt der Knoten – der Junge explodiert.“
FCS-Trainer Alois Schwartz: „Wir machen das zweite Tor nicht, dann wirst du hinten raus bestraft. Die letzten sieben, acht Minuten standen wir zu tief, haben zu viele lange Bälle zugelassen. Da kann einer mal vor die Füße fallen – Pech. Wir hätten mit der Uhr spielen, entschlossener Richtung Eckfahne müssen. Drei Remis in Folge – heute fühlt es sich wie eine Niederlage an.“
FCS-Torschütze Kai Brünker: „Sehr bitter. Bis zur 80. Minute hatte Regensburg kaum eine Chance. Uns fehlte die letzte Überzeugung zum zweiten Tor. Dann die letzte Aktion – brutal. Jetzt runterkommen, weiterarbeiten.“
Nächstes Schicksalsspiel – aus Worten Taten machen
Nach der Länderspielpause geht’s für den SSV Jahn (18., 8 Punkte) am Sonntag, 19. Oktober, 19.30 Uhr zum Aufsteiger TSV Havelse (19., 4 Punkte).
Anspruch: Die viel beschworene „Intensität“ endlich mit Zielstrebigkeit und Wucht im letzten Drittel unterfüttern – klare Chancen erzwingen statt erhoffen, zweite Bälle einsammeln, Standards vergolden. Drei Punkte sind mehr als möglich, sie sind nötig, um den Keller nicht zur Daueradresse zu machen. Ende der Ausreden, Anfang der Punkte.
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