Jetzt auch noch Aldi: Wie Walter Winkler das Witron-Imperium schuf (1)

Parkstein. Er gehört zu den lebenden Industriedenkmälern der Oberpfalz. Walter Winkler hat mit Witron einen Global Player geschaffen, der schneller wächst als Elefantengras. Im Interview mit OberpfalzECHO verrät er sein Erfolgsrezept – und den neuesten Coup: Aldi-Süd ist jetzt auch Witron-Kunde.

Witron-Gründer Walter Winkler blickt bei der Weihnachtsfeier auf sein Vermächtnis. Foto: Jürgen Herda

Herr Winkler, jetzt also auch noch Aldi – welche Bedeutung hat dieser namhafte Neukunde für Ihr Unternehmen?

Winkler: Wir sind sehr stolz darauf, dass wir mit Aldi einen weiteren renommierten und international erfolgreichen Retailer von der Witron-Technologie überzeugen konnten.

85 Jahre Walter Winkler, 52 Jahre Witron – Sie haben sich in dem halben Jahrhundert vervielfacht: Über 5.000 Mitarbeiter, ein Milliardenumsatz. Was braucht man dazu außer ein fotografisches Gedächtnis, Erfindungsgeist, handwerkliches Know-how und ein fast ewiges Leben?

Winkler: Es sind inzwischen schon 6.700 Mitarbeiter … Wie ich das geschafft habe? Es gibt viele Komponenten, die dabei eine Rolle spielten. Eine der wichtigsten ist: Ich gehe mit jedem technischen Problem schlafen – die löse ich nachts. Das ist kein Hokuspokus, das wird sogar an der Uni Aachen gelehrt. Das Hirn arbeitet weiter. Dadurch kam ich auf viele Erkenntnisse: Ich wurde wach und hatte eine Lösung.

Können Sie das an einem Beispiel erläutern?

Winkler: So habe ich unsere wichtigste Maschine, die Case Order Machine entwickelt. Wenn du am Tag immer an dem Projekt arbeitest, arbeitet dein Gehirn im Schlaf weiter an Lösungen. Ich gehe ins Bett, rechne im Kopf weiter die Förderströme aus. Du hast 20.000 Behälter in der Stunde zielgenau zu steuern, wie viel kommt da zusammen, welche Räder müssen da ineinander greifen, um die Order Lines auf das Fördertechniksystem zu bringen, damit am Schluss die Palette mit den richtigen Waren in der richtigen Reihenfolge stabil bestückt ist? Da gehört eine bestimmte Besessenheit dazu.

Da gehört eine bestimmte Besessenheit dazu!Walter Winkler

Lebendes Oberpfälzer Industriedenkmal Walter Winkler im Redaktionsgespräch. Foto: Jürgen Herda

Und Ihr berüchtigtes fotografisches Gedächtnis … Damit wir uns das etwas genauer vorstellen können: Sie sehen sich einen, sagen wir, Stadtplan an und können danach den Taxischein machen?

Winkler: Nein, so funktioniert’s leider nicht. Ich behalte Bilder, nicht Begriffe. Wenn ich ins Telefon immer dieselbe Nummer eingebe, merke ich mir nicht die Zahlen, sondern das Bild. Ich baue Anlagen mit 60.000 Motoren und 120.000 Sensoren. Ich sehe in meinem Layout das Ineinandergreifen der verschiedenen Abläufe – so viele Paletten durchlaufen so viele Förderstränge. Das muss man strukturieren, wie das hintereinander und auch parallel oder übereinander mit bestmöglicher Leistung laufen kann.

Hatten Sie schon immer eiserne Selbstdisziplin oder wuchs der Fleiß mit der Leidenschaft für Ihre Berufung?

Winkler: Mein Unternehmen ist meine Leidenschaft, meine Berufung. Dazu muss ich mich nicht sklavisch zwingen. Ich bin immer um 8 Uhr in der Firma, gehe abends erst nach getaner Arbeit nachhause. Und am Samstag und Sonntag bin ich gerne beim Wandern oder wie zurzeit beim Mountainbike-Fahren, weil ich nicht mehr Fußball spiele. Ich habe eine unwahrscheinliche Kraft in den Oberschenkeln, weil ich sehr viele Bergtouren gemacht habe und extrem Ski gefahren bin – jedes Jahr nach Zermatt. Sowohl in der Firma als auch im Sport habe ich einen eisernen Willen und gebe nie auf, bis ich das Ziel erreicht habe.

Hatten Sie Vorbilder – den Vater, Lehrer, andere Unternehmer?

Winkler: Mein Vater ist in Stalingrad gestorben. Mit meinem Bruder habe ich mich sehr gut verstanden, aber leider starb er schon mit 49 Jahren. Ich hatte wegen der Firma leider sehr wenig Zeit für die Kinder – um die haben sich zum Glück meine Frau und der Onkel Willi sehr gekümmert. Es gab schon ein paar Personen, die mich geprägt haben, aber ein konkretes Vorbild fällt mir jetzt nicht ein.

Was glauben Sie, formt den Charakter am stärksten: die genetischen Anlagen, die Erziehung, das Umfeld, die Oberpfalz?

Winkler: Für mich kann ich definitiv behaupten, dass mich die Oberpfalz geformt hat. Nirgends wäre ich so erfolgreich geworden wie hier. Es ist schwierig, einen Oberpfälzer zu überzeugen. Wenn man es aber geschafft hat, steht er hinter der Aufgabe mit vollem Engagement bis zur perfekten Realisierung. Aber natürlich muss man auch die Voraussetzungen mitbringen. Ich war in der Schule immer vorne dran, weil ich von Haus aus irrsinnig ehrgeizig bin. Im Sport wollte ich immer der Erste sein, immer schneller sein, auch in Mathe – deshalb mochte ich immer lieber Kopfrechnen als Eintippen.

Wann haben Sie das Ei des Kolumbus ausgegraben und bemerkt, dass die Zentrallager der Lebensmittelhändler die entscheidende Marktlücke sein könnte, in der Sie einen Weltmarktführer aufbauen könnten?

Winkler: Ich wollte eine Lösung für die automatische Palettenbildung für unterschiedliche Artikel finden. Die große Herausforderung war, dass wir softwaregesteuert eine stabile Palette mit 100 verschiedenen Artikeln schlichten können. Dass ich damit zum Weltmarktführer werde, habe ich damals nicht geahnt.

„Dass ich damit zum Weltmarktführer werde, habe ich damals nicht geahnt.“Walter Winkler

Witron-Gründer Walter Winkler führt durch sein Imperium. Archivfoto: Jürgen Herda

Und dann haben Sie sich selbstständig gemacht und sich gesagt: Die Lebensmittelbranche wartet auf meine Logistik-Lösungen?

Winkler: Bis zum Einstieg in die Lebensmittelbranche war ich mit Automobilfirmen sehr erfolgreich, dabei habe ich gelernt, dass die Verfügbarkeit der Anlage ein zentraler Erfolgsfaktor ist.

Wir denken, dass Sie inzwischen ein ziemlich sorgenfreier Unternehmer sein können. Was aber sind eigentlich sorgenfreie Paletten?

Winkler: Das Prinzip ist ja immer: Wie organisiere ich die Versorgung der Bänder mit den Artikeln aus dem Lager. Retail-Geschäfte brauchen ständig Nachschub. Das funktioniert alles streng logisch mit Barcode und einer Kommissioniermaschine. Eine gute Anlage darf aus Sicht der Kunden durchaus etwas kosten, aber alles muss sehr schnell gehen. „Sorgenfreie“ Paletten sind kein Kunststück, aber kein Mensch konnte sich damals vorstellen, dass man automatisiert 100 verschiedene Artikel mit unterschiedlichsten Abmessungen stabil auf eine Palette schlichten kann.

Wo ist Ihre Case Order Machine überall im Einsatz?

Winkler: Da haben wir inzwischen 100 Anlagen weltweit laufen. Die größte steht in Australien, jetzt folgt eine zweite mit gleichem Auftragsvolumen. Wenn Kunden eine haben, bestellen sie auch die zweite. Unser Glücksfall ist Walmart, das weltweit größte Unternehmen mit 2,3 Millionen Beschäftigten. Für die haben wir die Anlage vor drei Monaten hochgefahren. Jetzt machen wir die für die kompletten USA im Frische- und Tiefkühlbereich.

Unser Glücksfall ist Walmart, das weltweit größte Unternehmen mit 2,3 Millionen Beschäftigten.Walter Winkler

Witron-Kunde Walmart: Der US-Handelskonzern ist mit 2,3 Millionen Beschäftigten das weltweit größte Unternehmen. Grafik: Witron

Was machen Ihre Fördertechniksysteme so einzigartig?

Winkler: Die Produzenten liefern beispielsweise an unsere Kunden Paletten, die ins Hochregallager eingelagert werden. Die Geschäfte bekommen dann aus dem Lager bis zu 100 verschiedene Artikel, die automatisch auf die Paletten gestapelt sind. Diese Paletten müssen sehr stabil sein für den Transport auf LKWs – und das haben wir hervorragend gelöst.

Sie sagen, Sie sind der Konkurrenz technologisch um zehn Jahre voraus. Können Sie das anhand der Flow Picking Machinery erläutern, die zum Beispiel für E. Leclerc in Frankreich hunderte Märkte just in time mit ultrafrischen Produkten beliefert?

Winkler: Es gibt das relativ einfach zu stapelnde Trockensortiment und das etwas herausforderndere Frischesortiment mit Obst und Gemüse. Dann noch das groß wachsende Thema der automatischen Kommissionierung von Tiefkühlprodukten. Man kann heute keinem Menschen zumuten bei minus 25 Grad die Produkte manuell zu kommissionieren.

Witron liefert Intralogistik für automatisiertes Aldi-Zentrallager

Aldi-Süd erweitert seinen Logistikstandort in Mörfelden südlich von Frankfurt am Main in automatisiertes Distributionszentrum für Tiefkühlwaren sowie Obst und Gemüse mit überregionaler Bedeutung. Nach Angaben des Discounters wird das Verteilzentrum am Sitz der Aldi-Region Mörfelden ab Fertigstellung voraussichtlich im ersten Halbjahr 2025 auch die Filialen anderer Regionalgesellschaften im Umkreis mit Tiefkühlwaren sowie mit frischem Obst und Gemüse beliefern. Den Bau des hochmodernen Logistikzentrums will Aldi-Süd noch im ersten Halbjahr 2023 beginnen.

Die Intralogistik-Technik kommt nach Unternehmensangaben von Witron. „Die Firma Witron ist sehr stolz darauf“, kommentiert Unternehmensgründer Walter Winkler den Auftrag, „dass man mit Aldi einen weiteren renommierten und international erfolgreichen Retailer von der Witron-Technologie überzeugen konnte.“

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