Johann R. bleibt im Gefängnis: “Über mir steht nur der Schöpfer”

Weiden. Johann R. (63), Geschäftsführer eines Pflegedienstes, bleibt im Gefängnis. Das Amtsgericht Weiden verurteilt ihn am Mittwochnachmittag zu Haft ohne Bewährung.

Johann Reichl Pflegedienst AfD
Symbolfoto: OberpfalzECHO

Zweieinhalb Stunden hört sich Amtsrichterin Carina Särve den Vortrag des 63-Jährigen an, den die Kriminalpolizei als Reichsbürger einstuft. Am Ende sagt sie in der Urteilsbegründung: “Sie haben sich in dieses gefährliche Gedankengut verrannt. Wir haben eine Rechtsordnung, die wehrhaft ist und die wir hier schützen, und das werden Sie jetzt erfahren.”

Sie verhängt sieben Monate Haft wegen versuchter Nötigung, Erpressung und Beleidigung. Die Richterin gibt keine Bewährung. Zum einen sei der 63-Jährige wegen Nötigung eines Gerichtsvollziehers einschlägig vorbestraft (Urteil aus 2020). Zum anderen versandte er bis zuletzt munter weiter Briefe dieser Art. “Ich glaube nicht, dass Sie am Ende des Weges angekommen sind.”

Briefe an alle möglichen Ämter verschickt

Die rund 20 Zuhörer bekommen einen ausführlichen Exkurs in die Welt des “Johann aus dem Hause R.”. Schon die Personalienaufnahme ist ein Zirkus. Zwar sei seine Mutter mit ihm 1959 “niedergekommen”; da wurde der Mensch Johann geboren. Dieser sei aber klar zu unterscheiden von der juristischen Person. Der 63-Jährige hat auch keine deutsche Staatsbürgerschaft, weil es diese so nicht gibt. Seine Adresse befindet sich auch nicht im Landkreis Neustadt/WN (dort ist nur sein “Domizil”), gemeldet ist er in Swansea, Wales.

Ämter sind keine Ämter, sondern “privatrechtlich eingetragene Wirtschaftsunternehmen”. Den Staat kann er nicht anerkennen, weil dieser auf verfassungswidrigen Wahlen beruhe. Entsprechend seien auch die Parlamente, Regierung, der Kanzler und die Gesetze verfassungswidrig. Kurzum: “Über mir ist nur der Schöpfer.”

GEZ-Gebühren nicht bezahlt

Er streitet die angeklagten Briefe an Gerichtsvollzieher und Polizeichefs gar nicht ab. Aber nicht er habe erpresst, sondern er selbst sei genötigt worden. Johann R. hatte seine Rundfunkgebühren nicht bezahlt. Als der Gerichtsvollzieher die GEZ-Beiträge in Höhe von rund 900 Euro pfändete, forderte Johann R. die Rücküberweisung. Andernfalls drohte er mit horrenden Forderungen (“Sie haften privat”). Ein Flyer mit der selbst erdachten Gebührenordnung lag auch gleich bei. Ganz ähnlich waren die Briefe an den Kripochef in Weiden und den Polizeipräsidenten in Regensburg.

Besonders getroffen habe ihn die Einordnung als Reichsbürger, aufgrund derer er seine Waffen abgeben sollte: “Ich?! Ein Reichsbürger?” Ein Beamter des Kommissariats Staatsschutz erklärt, wie es zu dieser Definition kommt. “Nicht jeder Reichsbürger lebt in einem Reich”, stellt er klar. Dieser Begriff werde verwendet, weil viele der betroffenen Personen in einem selbst ausgerufenen Staat leben. Aber für alle gelte: “Sie lehnen den Staat ab, die BRD, das Rechtssystem. Sie sprechen unseren Behörden die Legitimation ab.” Auf Johann R. treffe dies glasklar zu: “Man muss sich nur ein Schreiben von ihm anschauen.”

Verteidiger regt Staatsbürgerkunde an

Staatsanwalt Wolfgang Voit fordert in seinem Plädoyer Haft ohne Bewährung: “Mich erschreckt, was wir heute von Ihnen gehört haben. Mich erschreckt, was dieses Gedankengut aus jemanden machen kann.” Johann R. habe in jungen Jahren als Soldat der Bundesrepublik gedient, er habe einen Pflegedienst mit mehreren hundert Mitarbeitern aufgebaut. Davon ist nichts übrig. So lächerlich die Behauptungen klängen, so beunruhigend seien sie. “Weil Sie davon ausgehen, dass Sie im Recht sind.”

Pflichtverteidiger Stephan Schütz plädiert auf Bewährung und regt als Auflage einen Unterricht in Staatsbürgerkunde an: “Um ihm die Chance zu geben, seine Sicht der Welt abzugleichen.”

Prozess in Regensburg steht bevor

Gegen das Urteil ist Berufung möglich. Der 63-Jährige befindet sich seit Januar in Haft, weil er einen ersten Termin für die Verhandlung verpasst hatte. Er bleibt in der JVA, weil demnächst ein Prozess gegen ihn am Landgericht Regensburg ansteht. Wie Thomas Polnik, Sprecher des Landgerichts Regensburg bestätigt, hat das Oberlandesgericht am Mittwochvormittag einen Haftbefehl in anderer Sache erlassen.

So ist gegen Johann R. ein Strafverfahren aus dem Jahr 2016 wegen Vorenthaltens und Veruntreuen von Arbeitsentgelt anhängig, das ab Ende März terminiert ist. Dabei geht es um Pflegekräfte seines 24-Stunden-Pflegedienstes, denen nur Einsatzzeiten, aber keine Bereitschaftszeiten bezahlt worden sein sollen. Der Haftbefehl wurde mit Fluchtgefahr begründet. Dieses Verfahren ist unabhängig von den aktuellen Ermittlungen des Zolls gegen Johann R., die im Januar 2023 durch eine Durchsuchungsaktion bekannt wurden.

Die Ehefrau und mehrere Unterstützerinnen nutzten die Gerichtsverhandlung für aufmunternde Worte an den Inhaftierten. Der 63-Jährige schilderte anschaulich die “kerkerhaften” Bedingungen in der JVA Weiden, bei Milch und Brotkrumen in Einzelhaft.

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