Juwelier-Überfall: Ein Passant (60) jagt dem Räuber hinterher

Weiden/Pressath. Im Prozess um den Schmuck-Raub in Pressath sagen am Dienstag das Opfer und die Zeugen aus. Der Schrecken sitzt den Beteiligten noch heute in den Knochen - ein Jahr danach.

Staatsanwalt Matthias Bauer im Prozess nach dem Juwelier-Raub in Pressath. Ohne Geständnis hätte er zweistellige Gefängnisstrafen gefordert. Inzwischen hat man sich auf etwa 8 Jahre verständigt. Foto: Christine Ascherl

Der Verkäufer im Juweliergeschäft war erst 17 Jahre alt. Er ist der Junior der Besitzer. Ganz sachlich geht er im Zeugenstand seinen Arbeitstag am 17. Oktober 2023 durch. Es war ein Samstag, als der 34-jährige Angeklagte erstmals bei ihm im Laden stand. Der vermeintliche Kunde habe sich zunächst für ein Armband, besetzt mit Diamanten und Saphiren, interessiert. Dann habe der Unbekannte selbst Diamanten hervorgeholt und ihm zum Kauf angeboten. Der Junior winkte ab. Solche Käufe könne er nicht abwickeln, nächste Woche käme die Chefin wieder.

Kurz vor Ladenschluss, als er gerade die Schmuckstücke für die Nacht in den Tresor räumte, trat der Unbekannte wieder ein. Auch das Armband war schon in den Safe gelegt. Als sich der Verkäufer auf den Weg ins Hinterzimmer machte, folgte ihm der Täter. Der 18-Jährige schildert vor Gericht, wie der Angeklagte die Waffe auf ihn gerichtet habe. Er habe der Anweisung gefolgt, sich auf den Boden zu legen. Der Täter habe ihm Kabelbinder um die Händen gezogen und seine Beine und den Mund mit Panzertape verschnürt. “Er sagte, wenn ich was versuchen würde, erschießt er mich.” Die Pistole, eine Schreckschusspistole, hielt das Opfer für echt.

Schwester geriet mit Kindern (4 und 6) in den Überfall

In diese Situation geriet die Schwester des Verkäufers mit ihren beiden Kindern. Unter Schluchzen richtet die 32-Jährige den Finger im Landgericht Weiden auf einen der drei Angeklagten. Der 34-Jährige sitzt genau in der Mitte des Schwurgerichtssaals, ein 1,85-Mann mit welligen Haaren, das er mit Gel nach hinten gestrichen hat. Dieser Mann war der Räuber. “Der da.”

Die 32-Jährige beschreibt, wie sie gegen 18 Uhr in den Laden ging. Die Familie wollte abends gemeinsam essen. Vor ihr trabten die zwei Kinder (4 und 6) ins Geschäft. Ein Überwachungsvideo zeigt, wie erst der Bub und das Mädchen im rosa Anorak durch den Verkaufsraum nach hinten spazieren, gefolgt von der Mutter.

Was die 32-Jährige dort vorfand, lässt sie heute noch in Tränen ausbrechen. Ihr Bruder lag gefesselt auf dem Boden. “Ich wusste nicht, ob es ihm gut geht oder nicht.” Hinter ihm räumte ein Mann den Tresor aus. Die Frau floh mit ihren Kindern aus dem Laden. Man sieht die Drei im Video rennen, als ob der Teufel hinter ihnen her sei. Es folgt ein großer Mann mit Pistole. “Der kam uns mit der Waffe hinterher.”

Mutiger Zeuge stellte sich Flüchtenden in den Weg

Der Täter überholte und wollte auf dem Parkplatz das Fluchtauto erreichen. Allerdings machte er die Rechnung ohne einen 60-Jährigen aus Schwarzenbach. Der Betriebsanlagenwart war gerade nach dem Einkauf ins Auto gestiegen. Er erfasste die Situation sofort, dachte aber eher an einen Handtaschenraub. Erst versuchte er, dem Mann mit dem Auto den Weg zu versperren. Dann stieg er aus und stellte sich ihm entgegen. “Er ging auf mich los, sagte: Ich schieße, ich schieße.”

Die wilde Jagd ging über einen Grünstreifen, auf dem beide Männer ausrutschten und sich aufrappelten. Dem Schwarzenbacher gelang es, den Flüchtigen zu packen. Dabei gingen beide zu Boden.

Opfer: “Es kommt immer wieder hoch”

Der 60-Jährige zog sich beim Sturz eine Schulterprellung zu. Der Täter konnte sich losreißen und in den wartenden Mercedes seines Komplizen (41) steigen. Aber zumindest ohne Beute. Die Tasche (mit Schmuck im Wert von 60.000 Euro) blieb liegen.

Keiner der Geschädigten hat die Tat völlig überwunden. Auf alle hatte der 34-Jährige die Waffe gerichtet. “Ich versuche, das alles zu vergessen, aber es kommt immer wieder hoch”, sagt die Schwester. Selbst der mutige Zeuge, ein robuster Oberpfälzer, denkt noch daran, wenn er am Einkaufszentrum vorbeifährt. “Die Pistole, 20 Zentimeter vor dir”, das vergesse man nicht.

Auch Einbruchsopfer aus Fuchsmühl leidet noch

Überhaupt wird am Dienstag vor Gericht klar, dass die Folgen für Opfer nicht zu unterschätzen sind. Die drei Angeklagten waren drei Tage vor Pressath in das Haus eines Ehepaares in Fuchsmühl eingebrochen. Die Frau kommt damit heute noch nicht zurecht. “Am Anfang war es ganz schlimm. Diese Angst. Ich habe mich einfach nicht mehr daheim wohlgefühlt.” Als sie an dem Tag von der Arbeit heimkam, stand die Wohnungstür offen. Schübe waren aufgezogen. Im Schlafzimmer hatten die Täter eine Schublade mit Schmuck entdeckt und mitgenommen.

Den Wert der Beute schätzt die Frau auf etwa 3200 Euro, die Versicherung zahlte eine Pauschale von 2300. Aber ohnehin gehe es eher um den ideellen Wert. Ein Ehering war darunter. Ein graviertes Zippo-Feuerzeug vom Onkel aus Amerika. Oder auch ein Krug, den der inzwischen verstorbene Vater getöpfert hatte. “Da sind Sachen weggekommen, die für mich einen Wert hatten, aber für andere Leute gar nichts wert sind”, sagt die Frau.

Die psychischen Folgen waren und sind gravierend. Der Maschinenschlosser erinnert sich, dass er nach dem Einbruch nicht einmal imstande war, bei seiner Arbeitsstelle Bescheid zu geben. “Ich habe gezittert am ganzen Körper. Ich konnte nicht einmal telefonieren.”

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