Klare Mehrheit in Eslarn: Straße behält Namen des Sexualstraftäters Zimmermann
Eslarn. Bürgerentscheid in Eslarn mit bundesweiter Resonanz: Eine klare Mehrheit entscheidet sich für die Beibehaltung des Straßennamens, der Missbrauchstäter Georg Zimmermann ehrt. Das ist nach Bekanntgabe des Ergebnisses in Medien von der „Augsburger Allgemeinen“ bis „Zeit online“ zu lesen.
Die Eslarner Bürger entschieden sich bei einem Bürgerentscheid dafür, die nach dem Priester Georg Zimmermann benannte Straße nicht umzubenennen. 571 stimmten für die Umbenennung, 778 dagegen. Macht bei 2242 Stimmberechtigten eine Beteiligung von 62,58 Prozent.
Den Initiatoren des Bürgerentscheids, die die Abstimmung gegen den Willen einer Marktratsentscheidung zuvor bereits mit rund 700 Unterschriften in die Wege geleitet hatten, ist offensichtlich eine stärkere Mobilisierung gelungen als den Gegnern, die noch vergangene Woche Vertreter des Betroffenenrats des Bistums zu Wort kommen ließen (wir berichteten).
Ein Missbrauchsopfer der Domspatzen hatte eindringlich die erlittenen, fortdauernden sexuellen Übergriffe eines Schulleiters in Pielenhofen geschildert – und die Gefühlslage der Opfer, die sich von der Ehrung ihres Peinigers durch einen Straßennamen ein zweites Mal gedemütigt sähen.
Bürgermeister Gäbl: Gleichgültigkeit erschreckt mich
Bürgermeister Reiner Gäbl, vehementer Befürworter der Umbenennung, macht denn auch nach Bekanntgabe des Ergebnisses um 19 Uhr aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Ich bin am Boden zerstört“, sagt er zutiefst getroffen. „Ich kann nicht nachvollziehen, wie die Mehrheit der Menschen unserer Kommune mit über 700 Stimmen sagen können, ,wir wollen, dass die Straße weiter den Namen eines Mannes trägt, der nachweislich durch sexuellen Missbrauch Existenzen zerstört hat‘.“
Als empathischen Menschen seien ihm die Schilderungen des Missbrauchsopfers vergangene Woche und auch die Ausführungen eines von Zimmermann missbrauchten Jungen in einem bei Rechtsanwältin Ulrike Möstl hinterlegten Brief unter die Haut gegangen. „Wenn man sich diesen fortgesetzten Missbrauch von wehrlosen Kindern in einem eigentlich geschützten Raum vorstellt, begreife ich erst recht nicht, wie das jemanden kaltlassen kann.“ Offensichtlich habe man mit dieser Botschaft nicht genügend Bürger erreicht. „Diese Gleichgültigkeit erschreckt mich.“
QR-Code keine Alternative
Gleichwohl werde er das demokratisch zustande gekommene Ergebnis selbstverständlich akzeptieren. Bedeutet? Auch wenn er persönlich enttäuscht sei: „Es bleibt bei der Georg-Zimmermann-Straße.“ Einen von den Initiatoren ins Spiel gebrachten QR-Code, mit dem anderswo etwa historische Hintergründe von NS-Tätern erläutert werden, sei in der Antragsbegründung nicht erwähnt. Die Anbringung eines solchen würde somit dem Wortlaut des Entscheids widersprechen.
Auch in der Sache halte er die Idee für abwegig: „Ein Sexualstraftäter ist keine historische Persönlichkeit, die man entsprechend erklären müsste.“ Im Ernst: „Wer hält an einem Straßenschild in Eslarn, und holt sich dort einen QR-Code runter?“, hinterfragt Gäbl rhetorisch ein solches Feigenblatt. „Für mich ist das keine Alternative.“ Die Behauptung, der Betroffenenbeirat hätte sich mit so einer Regelung einverstanden erklärt, sei im Übrigen falsch: „Jedenfalls haben die Sprecher dem mir gegenüber massiv widersprochen.“ Die größten Verlierer des Entscheids seien die Opfer von Tätern wie Zimmermann.
Stellungnahme des Betroffenenrats
„Wir, die Mitglieder des Betroffenenbeirats Regensburg, von dem die Initiative zur Umwidmung der einem Missbrauchstäter ehrend gewidmeten Georg-Zimmermann-Straße in der Marktgemeinde Eslarn ausging, bedauern sehr, dass sich eine rechnerische Mehrheit der an der Wahl teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger gegen die Beseitigung des Straßennamens ausgesprochen hat.
Unserem Empfinden nach wurde eine große Chance verpasst, ein deutliches Signal zu setzen, als Vorbild für den Umgang mit Betroffenen, weit über die Marktgrenzen hinaus, das ganz klar zum Ausdruck hätte bringen können, wie die Bürgerinnen und Bürger der Marktgemeinde Eslarn verantwortungsvoll mit Anerkennung, Aufklärung und Aufarbeitung der markteigenen Geschichte umgehen.
„Wir wurden wieder nicht gehört“
Für uns Betroffene und für alle Betroffenen gilt damit, dass wir ein weiteres Mal zu Opfern gemacht werden, weil wir mit unserem Leid wieder nicht gehört wurden, so, wie uns in unserer Kindervergangenheit Scham und Schande davon abhielten zu sprechen. Unser Leid wurde von Argumenten wie „Kosten“, „Bequemlichkeit“, „Desinteresse“ begraben.
Dennoch akzeptieren wir das Ergebnis dieser demokratischen Wahl. Dieses Abstimmungsergebnis führt aber nicht zu einem Ende der Problematik, die ganz Eslarn und seine Bürgerinnen und Bürger aufwühlt. Die Spaltung der Gemeinde wird bestehen bleiben, bis das Missbrauchsgeschehen eines Tages wirklich aufgeklärt und aufgearbeitet ist.
Unterstützung des Bischofs
Es ist unvorstellbar, dass die verabscheuungswürdigen Taten eines Verbrechers eine Gemeinde über 40 Jahre in Unruhe und Zwist versetzen konnten. Ein Ende kann dies nur finden, wenn diese schlimme Vergangenheit in den Köpfen und Herzen der Bewohnerinnen und Bewohner und in Offenheit und Vertrauen zu einem verbindenden und transparenten Ende gebracht wird.
Wir hoffen sehr und wünschen es der Marktgemeinde Eslarn und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern, dass nicht nur die Bistumsspitze mit Bischof Dr. Voderholzer und Generalvikar Dr. Batz, die uns immer unterstützt haben, sondern auch endlich die Vertreter der Kirche im Ort ihre Verantwortung erkennen und handeln, wie die Bistumsspitze gehandelt hat. Wir bedanken uns beim Bistum Regensburg für die Unterstützung.
Dank an Bürgermeister und Markträte
Für den Betroffenenbeirat Regensburg ist der aktive Einsatz gegen den Namen dieses Straßenschildes nun zu Ende, nicht aber unser Engagement für die Wiederherstellung von Würde und Gerechtigkeit für die Betroffenen in Eslarn und dem Bistum. Deshalb bieten wir an, uns auch in Eslarn zu gegebener Zeit an Aufarbeitung und Prävention zu beteiligen, uns einzusetzen und mitzuarbeiten, damit die Gemeinde zur Ruhe kommt und sichergestellt wird, dass Kinder in Sicherheit vor Missbrauch leben können.
Wir bedanken uns bei den Markträten, die sich in zweifacher Abstimmung für unser Anliegen eingesetzt haben, und besonders bei Herrn Bürgermeister Gäbl, der sich von Beginn an als Helfer und Unterstützer gezeigt hat, und auch seiner Partei, deren Vertreterinnen und Vertreter uns zu einer für uns wichtigen Veranstaltung eingeladen haben, bei der wir uns endlich vor Bürgerinnen und Bürgern äußern durften. Und wir bedanken uns bei den Bürgerinnen und Bürgern Eslarns, die uns und unser Anliegen vielfältig unterstützt haben.
Zeugenaufruf
Abschließend noch ein dringender Wunsch: Wir bitten alle Betroffenen, Zeugen, Mitwisser, Bystander (Eltern, Großeltern, Freunde, Lehrkräfte, usw.) sich an der bistumsübergreifenden Studie zum quantitativen Ausmaß des Missbrauchs im Rahmen der katholischen Kirche zu beteiligen.
Aufarbeitung kann nur dann gelingen, wenn Betroffene nicht mehr schweigen, sich nicht mehr schämen müssen und sie vor allem die Möglichkeit erhalten Würde und Gerechtigkeit zurückzuerhalten. Bitte melden Sie sich bei Rechtsanwalt Ulrich Weber, der für die Studie in völliger Unabhängigkeit zuständig ist: Telefon: 0941/7060631, E-Mail: uweber@iw-recht.org“
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