Kommentar: Der Papst als Projektionsfläche
Regensburg/Rom. Der Papst ist tot. Es lebe der Glaube! In der westlichen Welt ist Religion auf dem Rückzug. Das hinterlässt Lücken. Auch für Nichtgläubige. In einer Welt des Umbruchs, der Verunsicherung tut Orientierung Not.

Der Papst ist das Oberhaupt der katholischen Kirche, der Primus inter Pares von einer Milliarde katholischer Christen. In der entzauberten modernen Welt ist aber auch der Nachfolger Petri kein Wundermacher.
Wer geglaubt hat, dass ein einzelner Mann mit weißer Soutane eine 2000 Jahre alte Weltkirche in einem Jahrzehnt umkrempeln könnte, hat die katholische Kirche nicht verstanden – oder Netflix-Dokumentationen zu wörtlich genommen.
Kein Trump im Talar
Papst Franziskus war kein Autokrat, kein Alleinherrscher, kein Trump im Talar. Er war der sichtbare Teil eines oft unsichtbaren Machtgefüges, das von Kurienkardinälen, Bischofskonferenzen und Traditionen durchdrungen ist wie der Petersdom von Weihrauch. Als Pontifex hatte er die Aufgabe, eine Gemeinschaft von über einer Milliarde Gläubigen zu führen – nicht zu spalten. Auch nicht zu überfordern.
Dass viele Reformer enttäuscht sind, ist verständlich. Aber ebenso verständlich ist, dass der Papst nicht eine Avantgarde bedienen konnte, wenn er gleichzeitig die konservative katholische Mehrheit in Afrika und einem traditionsverliebten Lateinamerika im Blick behalten musste. Er versuchte, alle mitzunehmen – und blieb deshalb oft auf halber Strecke stehen.
Die Welt braucht Orientierung
Doch in einer Welt, die zunehmend zwischen extremen Polen zerrieben wird – zwischen Krieg und Propaganda, zwischen alten Demokratien und neuen Populismen – sollte man nicht vorschnell Brücken einreißen, nur weil sie nicht nach politisch korrektem Aufbruch aussehen.
In Zeiten, in denen nicht zuletzt die liberalen Gesellschaften Orientierung suchen, braucht es moralische Ankerpunkte. Auch für Andersgläubige, Agnostiker und Atheisten. Franziskus war nicht der perfekte Papst. Aber vielleicht einer, der uns gezeigt hat, dass das Papsttum auch Menschsein bedeutet. Und das ist – gerade heute – keine Kleinigkeit.
Wer folgt auf Franziskus?
Nach dem Tod eines Papstes wird ein Konklave einberufen – eine abgeschirmte Versammlung der wahlberechtigten Kardinäle unter 80 Jahren. Aktuell sind es 120. Innerhalb weniger Tage nach der Beisetzung beginnen im Vatikan die Abstimmungen im Geheimen.
Spekulative Namen:
- Kardinal Pietro Parolin: Der erfahrene vatikanische Staatssekretär gilt als Favorit der Mitte – diplomatisch versiert, aber theologisch konservativ.
- Kardinal Matteo Zuppi: Der Erzbischof von Bologna steht für soziale Gerechtigkeit und ökumenische Offenheit.
- Kardinal Jean-Claude Hollerich (Luxemburg): Jesuit wie Franziskus, engagiert im synodalen Prozess – könnte den Reformkurs vorsichtig fortsetzen.
- Kardinal Víctor Manuel Fernández: Theologischer Vertrauter und Ghostwriter Franziskus’, zuletzt Präfekt der Glaubensbehörde – aber in der Kurie umstritten.
Noch ist alles offen. Doch eines scheint klar: Auch der nächste Papst wird keine Wunder vollbringen. Und das ist vielleicht der größte Fortschritt.
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