Kommentar: Kaleb und Lena – Tötungen der Kinder bleiben ungesühnt

Vilseck/Hof. Der Zufall wollte es so: Diese Woche ist in Nordbayern an zwei Gerichten wegen der Tötung von Kindern verhandelt worden. In Hof nach dem gewaltsamen Tod von Lena (10), in Vilseck nach dem Tod von Kaleb (fünf Monate). In beiden Fällen bleiben die Tötungen weitgehend ungesühnt. Ein Kommentar.

Basilika Waldsassen im April 2023. Zur Trauerfeier für Lena (10) steht ein Foto am Altar. Foto: OberpfalzECHO

Kaleb und Lena sind tot. Sie werden nie mehr spielen, lachen, toben. Mal ans Meer fahren. Nie mehr Geburtstag feiern. Groß werden. Der kleine Bub aus Vilseck starb nach massiver Gewalteinwirkung in der Obhut seiner Eltern. Das zehnjährige Mädchen aus Waldsassen starb in einem Kinderheim der Caritas, erdrosselt von einem Elfjährigen nach der Vergewaltigung durch einen Einbrecher (25).

Zwei unfassbare Fälle, beide zufällig in dieser Woche vor Gericht abgeurteilt. Zurück bleibt ein schales Gefühl, hier – wie da.  Das Landgericht Hof stand vor dem Dilemma, “nur” den 25-Jährigen vor Gericht stellen zu können. Der eigentliche “Mörder” war zur Tatzeit elf Jahre alt. Er ist strafunmündig und kann nicht bestraft werden. Die Tötung der zehnjährigen Lena bleibt ungesühnt.

Auch im Fall des getöteten Babys Kaleb steht man ohne Täter da. Das Landgericht Amberg verurteilte die Mutter 2023 zu fahrlässiger Tötung durch Unterlassen (siehe Infobox). Sie habe nicht eingegriffen. Der Täter war aus Amberger Sicht zweifelsfrei der Amerikaner. Dafür reichten der Jury am US-Militärgericht in Vilseck aber die Beweise nicht: Sie sprach den Soldaten am Donnerstag vom Vorwurf des Mordes frei. Auch diese Tötung bleibt damit letztlich ungesühnt.

Zwei tote Kinder, zwei unbefriedigende Gerichtsprozesse. Vorwürfe? Beide Prozesse sind einwandfrei und akribisch geführt worden: in Hof wie in Vilseck. Verbesserungsmöglichkeiten? Schwierig. Ein Elfjähriger kann nicht vor Gericht gestellt werden, daran ist nicht zu rütteln. In Vilseck darf zumindest angeregt werden, dass in einem solchen Fall (zwei Tatverdächtige – einer war’s) die Ermittlungsführung in eine Hand gehört. Staats- und Armyzugehörigkeit hin oder her.

Für US-Soldaten ist in Deutschland ein “Generalverzicht” der deutschen Gerichtsbarkeit vereinbart. Sprich: Straffällige US-Soldaten sind in der Regel Sache der US-Militärbehörden. Im Fall Kaleb ermittelte deshalb die Amberger Kripo gegen die Mutter; das Vilsecker CID gegen den Vater. Das Ergebnis ist suboptimal. Unterm Strich war es keiner.

Nur in Ausnahmefällen können die deutschen Behörden auf einer eigenen Bearbeitung bestehen. Vielleicht wäre das einer gewesen.

Baby-Prozess Vilseck: Jetzt noch der BGH

Das Landgericht Amberg hat die Mutter des 2022 getöteten Babys zu fahrlässiger Tötung durch Unterlassen verurteilt. Sie habe gewusst, dass ihr Baby in den Händen ihres Mannes in Gefahr war, habe wochenlang die Misshandlungen in ihrem Haus vertuscht. Es gab 18 Monate auf Bewährung, der Staatsanwaltschaft Amberg war das zu wenig. Sie legte Revision ein, am 3. April ist Revisionsverhandlung beim Bundesgerichtshof.

Anwalt Jörg Meyer kündigt an, mit seinem Kollegen Jörg Jendricke zum Termin nach Leipzig zu fahren. Die Anwesenheit der Mutter ist nicht vorgesehen. Der Generalbundesanwalt trägt dort noch einmal seine Argumente vor, die Verteidigung kann antworten. Dann ergeht ein Beschluss des BGH, entweder gleich oder später.

Folgende Möglichkeiten gibt es: Die Revision kann zurückgewiesen werden. Dann ist das Amberger Urteil rechtskräftig. Das Urteil kann auch aufgehoben oder in Teilen aufgehoben werden. Dann muss neu verhandelt werden, in aller Regel an einer anderen Strafkammer des Landgerichts Amberg.

[Update, 8. April 2024] Der Bundesgerichtshof hat die Bewährungsstrafe gegen die Mutter wegen Tötung durch Unterlassen bestätigt. Die Revision der Staatsanwaltschaft wurde verworfen. Damit ist tatsächlich eine groteske Situation eingetreten: Weder der Vater, noch die Mutter können für die Tötung des Sohnes verantwortlich gemacht werden.

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