Kultur gegen Einsamkeit: Wie gemeinsames Erleben die Psyche schützt

Tirschenreuth. Einsamkeit, Verbitterung, Rückzug in digitale Echokammern – Symptome einer polarisierten Gesellschaft. Wir sprechen mit der Regionalwissenschaftlerin Dr. Maria Rammelmeier, ob Kulturangebote gerade im ländlichen Raum die Lebensqualität steigern, Resilienz stärken und Demokratie stabilisieren können.

Regionalforscherin Dr. Maria Rammelmeier in ihrem familienbetriebenen Kulturstadel in Lauterhofen. Foto: Oberpfalz-Marketing

„Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen“, sagt Dr. Maria Rammelmeier. Vereinsamte, isolierte, von der Wirklichkeit entfremdete Menschen verbittern, werden mitunter krank. Kulturorte aber fördern das Zusammenkommen, den Gemeinschaftssinn.

Hauptsach‘ g’sund: Insofern können besonders niederschwellige Kulturangebote ein probates Mittel für die psychische Gesundheit der Menschen, die Resilienz gegen manipulative Fake-News und die Demokratiemüdigkeit der Gegenwart sein. Und somit die andere Seite der Medaille unseres Echo-Podiums zur „Gesunden Wissenschaftsregion Nordoberpfalz“.

Die promovierte Regionalforscherin hat untersucht, welche Wirkung Kulturangebote auf das Leben im ländlichen Raum entfalten – und kommt zu einem klaren Ergebnis:

Nach der Pandemie hat sich das Bedürfnis nach Begegnung, nach Gemeinsamkeit regelrecht entladen. Kulturorte wirken heilsam. Maria Rammelmeier

Dritte Orte gegen das Verschwinden

Kulturveranstaltungen bieten mehr als Unterhaltung: Sie schaffen sogenannte „dritte Orte“ – neben Wohn- und Arbeitsort eine dritte Säule für sozialen Austausch. Gerade in einer Zeit, in der reale Treffpunkte schwinden und der Stammtisch durch Facebook ersetzt wird, leisten sie einen Beitrag zur psychischen Stabilität. „Bei uns im Kulturstadel in Lauterhofen höre ich oft: ,Hier lerne ich endlich wieder Leute kennen!‘“, sagt Rammelmeier.

Besonders für Jugendliche und Berufstätige, die den Großteil ihrer Zeit am Bildschirm verbringen, werde Kultur zu einem Gegengewicht: „Natürlich ist KI faszinierend. Aber sie ersetzt keine menschliche Begegnung.“ Anderseits hätten hybride Formate Vorteile, gerade für Menschen im ländlichen Raum ohne Auto. Dennoch sei klar: „Ohne echten Kontakt verkümmert das soziale Miteinander.“

Maria Rammelmeiers familienbetriebener Kulturstadel in Lauterhofen. Foto: Oberpfalz-Marketing

Ersatz für Wirtshaus und Stammtisch

Rammelmeier ist selbst Kirchenorganistin, verrichtet noch immer ihren Orgeldienst. Und sie hat eine klassische Gesangsausbildung. „Früher habe ich ab und an Konzerte gegeben, aber ich musste mich entscheiden und jetzt habe ich mit meiner Forschungsarbeit kaum mehr Zeit dazu.“ Bei der 1300-Jahrfeier von Lauterhofen stellt sie Malereien und Fotografien aus. „Aber das sind eher passionierte Amateursachen.“ Seit 2008 betreibt ihre Familie die heimische Kleinkunstbühne ohne Fördermittel.

„Wir haben mit regionalen Bands begonnen, dann kamen immer mehr Anfragen. Das hat sich inzwischen eingependelt zwischen Künstlern aus dem Ort und Gastauftritten.“ Das Programm richte sich eher an ein älteres Publikum. Die Dorfbevölkerung nehme das Angebot sehr gut an. „Viele sagen auch, wo willst du sonst hingehen, viele Wirtshäuser haben ja inzwischen aufgegeben.“ Wenn ein DJ aus Lauterhofen, ein Gemeinderat, auflege, kämen besonders viele Einheimische – zu bekannten Künstlern wie dem Liedermacher und Kabarettisten Christoph Weiherer aus München eher Gäste von weiter her.

Auch Fredl Fesl ist mal da gewesen, als er noch auftreten konnte. Nach Corona mussten wir das Programm zurückschrauben. Maria Rammelmeier

Maria Rammelmeiers familienbetriebener Kulturstadel in Lauterhofen. Foto: Oberpfalz-Marketing

Orte der Begegnung mit heilsamer Wirkung

Nach Corona hätten viele Kulturbühnen geschlossen, die Isolation habe einen Höhepunkt erreicht. „Inzwischen hat sich das Leben wieder normalisiert, das Kulturleben auch in ländlichen Räumen blüht wieder auf.“ Es gebe einfach ein menschliches Bedürfnis, auf Feste zu gehen: „Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen. Kulturorte, gemeinsame Treffen haben eine heilsame Wirkung.“

Sie höre immer wieder von Gästen unserer Kulturbühne: „Da lernen wir andere Leute kennen, bei euch ist es so gemütlich – wir heizen mit zwei Kachelöfen.“ So einen Ort der Begegnung, der Geborgenheit schafften Kulturorte. „Sie tragen zur Steigerung der Lebensqualität bei.“ Kulturangebote könnten auch die Richtung kultureller Bildung einschlagen, mit Diskussionsformaten, wie sich eine Gesellschaft entwickeln soll, wie man zusammenleben will.

Das ist auch eine Form der Demokratiebildung. Maria Rammelmeier

→ Teil II demnächst: Zwischen Stammtisch und Hochkultur – Wie kulturelle Teilhabe gelingen kann

Maria Rammelmeiers familienbetriebener Kulturstadel in Lauterhofen. Foto: Oberpfalz-Marketing

„Gesunde Wissenschaftsregion Nordoberpfalz“: Live erleben!

Echo-Podium beim Oberpfalztag 2025

Thema: „Hauptsach‘ g’sund: Gesunde Wissenschaftsregion Nordoberpfalz“
Mit dabei:

  • Prof. Dr. Clemens Bulitta (OTH Amberg-Weiden),
  • Dr. Christian Schmidkonz (Medical Training Center),
  • Dr. Josef Scheiber (BioVariance),
  • Dr. Maria Rammelmeier (Bezirksmedienreferentin & Regionalforscherin)
  • Moderation: Jürgen Herda

Wann: 18. Mai, 11 Uhr

Wo: Zwischen Fronfeste und Museumsquartier, Hochwartstraße 3 in Tirschenreuth.

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