Letztes Heimspiel in Liga 2: Die Serien von SSV Jahn und KSC halten
Regensburg. Das war’s also: das letzte Heimspiel auf unbestimmte Zeit in Liga 2 für den SSV Jahn. Immerhin: Das siebte Mal in Folge nicht verloren, auch wenn der KSC mit angezogener Handbremse viele Geschenke der Regensburger Abwehr liegen lässt.

Eine Saison wie ein Alptraum neigt sich dem Ende zu. Was erwartet sich der gemeine Fan von einem gelungenen Fußball-Nachmittag? Spannung, Leidenschaft, gelungene Kombinationen, packende Torraumszenen, im besten Fall ein Spiel aus einem Guss, wenn eine Mannschaft mal so richtig in einen Flow kommt.
Was bekamen die Jahn-Fans über weite Strecken dieser Depri-Spielzeit zu sehen? Eine Mannschaft, die sich redlich bemüht, aber von Stockfehler zu Fehlpass, von fehlender Cleverness zu mangelndem Durchsetzungsvermögen stolpert und es fast jedem Gegner leicht macht, die klaffenden Lücken in der Defensive zu nutzen und die kläglichen Offensivbemühungen im Keim zu ersticken.
Grund genug also, die gesamte Strategie der sportlichen Führung infrage zu stellen? Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: Um es noch einmal zu betonen: Vereine mit großer Geschichte, großem Budget und noch größerem Ego sind oft genug an der Kaderplanung gescheitert – ob Hertha, der HSV oder Schalke. Seit wie vielen Jahren tüfteln dort hoch dotierte Manager am Projekt Wiederbelebung der einstigen Glanzzeiten?
Kann’s Beierlorzer?
Sportchef Achim Beierlorzer ist es vergangene Spielzeit gelungen, ein Team zusammenzustellen, das sich in der Hinrunde – sicher manchmal glücklich, immer aber leidenschaftlich – an die Spitze der Tabelle spielte. Dass es sich dann in der Rückrunde nur mit Hängen und Würgen über die Relegationsziellinie schleppte, tut der Überraschung über den sofortigen Wiederaufstieg keinen Abbruch.
Wenn die Fans auf einem riesigen Transparent „Realismus“ einfordern, wenn sie sich auf Facebook Wut und Frust von der Seele schreiben, ist das nur zu verständlich. Aber man tut Beierlorzer unrecht, wenn man seine Arbeit nur an einer verkorksten Saison festmacht – siehe Hertha & Co. Zum einen hat er als Jahn-Trainer bereits bewiesen, dass er ein Team gespickt mit Spielern aus unteren Ligen zu Mentalitätsmonstern und Favoritenschrecks formen kann.
Auf dem Papier konkurrenzfähige Namen
Zum anderen haben sich die Namen, die er vor der Saison als Stützen für die Zweite Liga verpflichtet hat, doch tatsächlich ganz gut angehört: Sebastian Ernst aus Hannover, Christian Kühlwetter aus Heidenheim, um nur zwei Beispiele zu nennen. Dass sie die Erwartungen nicht erfüllt haben, ist Fakt. Trotz allen Engagements, die beide immer wieder unter Beweis gestellt haben.
Und auch die Winterneuzugänge hatten Hoffnung gemacht: Wunschspieler Sargis Adamyan, vor Jahren der absolute Ausnahmespieler beim Jahn, Anssi Suhonen vom HSV und Frederic Ananou, das klang nach realistischen Verstärkungen mit beschränkten Mitteln auf einem Transfermarkt, der im Winter ja auch nicht vor bezahlbaren Superstars strotzt.
Realismus: Keine Garantie für Erfolg
Realismus aus dieser Perspektive kann deshalb auch heißen: Selbst, wenn ein Sportchef nach bestem Wissen und Gewissen plant und einkauft, ist sportlicher Erfolg alles andere als garantiert. Fußball ist keine Mathematik. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle:
- Passen die Neuzugänge in das Team?
- Wie geht eine Mannschaft mit Rückschlägen um?
- Macht der Kopf die Beine schwer?
- Wie harmonieren Trainer und Spieler?
- Und die Konkurrenz schläft nicht!
Man muss konstatieren: Das Projekt Zweite Liga ist dieses Jahr gründlich schiefgegangen. Das bedeutet aber nicht, dass es dafür immer den einen oder die zwei Schuldigen geben muss. Es ist nicht immer der Sportchef oder der Trainer oder beide, die versagen. Meistens ist es ein Ursachenbündel, das sich gar nicht so leicht entwirren lässt. Deshalb hat Beierlorzer natürlich eine dritte Chance verdient. Chaos ist das letzte, was dem Verein jetzt helfen würde.
Jahn und KSC: Abgestiegen und ausgeträumt
Wenn ein Spiel 2:2 ausgeht und trotzdem keiner so recht weiß, worum es eigentlich noch geht – das siebte Heimspiel in Folge nicht verlieren wie der Jahn, sechsmal in Folge ohne Niederlage wie der KSC –, dann kann schon mal die Seitenwahl zum dramaturgischen Höhepunkt des Spiels avancieren. Ganz so fad war das 33. Saisonspiel des SSV Jahn gegen den Karlsruher SC dann beileibe nicht.
Die Rahmenbedingungen: Der Jahn bereits abgestiegen, der KSC ausgeträumt. Keine Relegation mehr möglich, höchstens ein bisschen kosmetischer Punkte-Zirkus in der oberen Tabellenmitte. Der neue Interimstrainer Munier Raychouni also erstmals im Rampenlicht. Und auf der anderen Seite: Christian Eichner, dessen Team zuletzt immerhin so tat, als wolle es nochmal durchstarten. Spoiler: Tat es nicht.
Der frühe Schock – und die Schulter Gottes
Vier Minuten gespielt, da ist der erste Plan bereits Geschichte. Bambase Conté legt quer auf Käpt’n Marvin Wanitzek, der ballert aus dem Stand ins rechte Eck – ein Tor wie ein sauberes Bewerbungsschreiben an die Oberklasse (4.). Der Jahn kurz konsterniert, dann aber mit dem ersten Achtungserfolg: Tim Handwerker flankt vom Eckpunkt – Keeper Max Weiß fliegt am Ball vorbei wie ein Klempner auf Glatteis – und Rasim Bulic drückt das Ding mit der Schulter (!) über die Linie (17.). Schulter, wirklich? Der Kölner Keller bestätigt: die Schulter Gottes, keine Hand im Spiel.
Doch weil Fairness in dieser Saison nicht zum Standard-Repertoire des Fußballgottes zählt, holte sich der KSC die Führung postwendend zurück: Dzenis Burnic, gerade noch gelb verwarnt (39.), zieht aus dem Rückraum ab – und lässt Jahn-Keeper Julian Pollersbeck alt aussehen (31.). 2:1 zur Pause. Ein Spielstand, der nach Ordnung klingt. Das Spiel selbst war ein mittelguter Mix aus Pressing, Planlosigkeit und gelegentlichem Zufall.
Hottmanns fliegender Kopf und das VAR-Chaos
Nach der Pause wird es noch etwas unordentlicher, was gut zum Spiel passt. Der KSC hätte erhöhen können, Conté tanzt durch, aber Pollersbeck hat plötzlich Superkräfte gegen einen Stürmer, der aus fünf Metern frei stehend nicht am Keeper vorbei zielen kann. Auf der anderen Seite versucht sich der eingewechselte, bemühte, aber abermals glücklose Sargis Adamyan mit einer ambitionierten Direktabnahme – knapp vorbei.
Dann die 66. Minute: Noch eine Ecke für den Jahn, wieder Handwerker – Hottmann fliegt artistisch. Ein kleiner, präziser Kopfball wie aus dem Lehrbuch für Tapferkeitsmedaillen. 2:2. Fast schon ein Hauch von Restdramatik über dem Stadion.
Doch das wahre Spektakel kommt erst in der Nachspielzeit. 90’+2: Ganaus läuft durch, wird zu Boden gezerrt. Marcel Beifus sieht glatt Rot. 90’+4: VAR. 90’+6: Doch nur Gelb. Begründung: Der Schiri erkennt im Videostudium die Notbremse lediglich als freundliche Umarmung. Das Jahn-Stadion – teils verwundert, teils belustigt.
Fazit: Kein Untergang, kein Aufbruch
Am Ende steht ein 2:2, das keinem weh tut – außer vielleicht den Statistikern, die jetzt erklären müssen, warum der Jahn zu Hause einen beachtlichen Tabellenplatz 12 für sich beanspruchen kann, auswärts aber lediglich zwei Punkte sammelt. Raychouni beweist auf Kurzstrecke, dass auch ein Interimstrainer mit ein paar motivierten Worten ein Spiel halbwegs so strukturieren kann, dass ein Absteiger nicht das Gesicht verliert. Der Jahn zeigt Moral, auch wenn’s für mehr als den Trostpreis nicht reicht.
Der KSC? Ist Tabellenneunter. Und wird sich fragen, ob das wirklich der Anspruch sein kann. Und Regensburg? Kann jetzt endgültig für Liga drei planen – mit neuem Trainer, neuen Talenten, hoffentlich neuer Ordnung. Und mit dem Versprechen: So deprimierend, wie in dieser Saison wird’s hoffentlich nicht nochmal. Sandhausen ist dafür ein warnendes Beispiel.
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