Markus Söder sorgt für Nibelungen-Hallen-Atmosphäre in Weiden

Weiden. Ja, wo gibt’s denn so was? Eine Schlange vor der Max-Reger-Halle, um einen Politiker zu sehen! Zum Neujahrsempfang der CSU-Kreisverbände Weiden, Neustadt/WN und Tirschenreuth pausierte die Politikverdrossenheit. Allein verdrossen: eine kleine Anti-AKW-Demo-Gruppe vor der Halle.

So jung und schon Söder-Fans: Bayerns Ministerpräsident füllt die Max-Reger-Halle und rührt auch junge Herzen. Bild: Jürgen Herda

Starke Konkurrenz zum traditionellen Drei-Königstreffen der im Bund mitregierenden Liberalen: Der Bundestagsabgeordnete Albert Rupprecht, Vorsitzender des CSU-Bundeswahlkreises Weiden, lädt zum Neujahrsempfang der CSU-Kreisverbände Weiden, Neustadt/WN und Tirschenreuth. Und Gastredner Markus Söder sorgt für eine proppenvolle Max-Reger-Halle.

Einzig Hilde Lindner-Hausner, Mitorganisatorin des Anti-Atom-Protestes macht aus ihrer Abneigung keinen Hehl: „Ich gehe da nicht rein“, sagt sie nach ihrer Kritik am Atomkurs des Ministerpräsidenten. „Ein Markus Söder, der Kreide gefressen hat“, sagt sie mit angewidertem Gesichtsausdruck. Immerhin taugt der schwarze Riese (1,94 Meter) inzwischen wieder zum Feindbild der Grünen, nachdem er zwischenzeitlich nicht nur Bäume, sondern auch die Grünen mit Umarmungen bedrohte.

CSU-Empfangskomitee herzt die Gäste

Wer es dann in die Lobby der Max-Reger-Halle an den drei putzigen Königinnen vorbei geschafft hat, wird vom regionalen CSU-Empfangskomitee umarmt – CSU-Kreisvorsitzender Stephan Gollwitzer, Weidens CSU-Fraktionschef Benjamin Zeitler, die Landtagsabgeordneten Tobias Reiß und Stephan Oetzinger, der Europa-Abgeordnete Christian Doleschal sowie Gastgeber Albert Rupprecht herzen gutgelaunte Parteifreunde, Vertreter von Vereinen und Verbänden – und auch Oberbürgermeister Jens Meyer (SPD).

Im großen Saal sorgt die Stadtkapelle Neustadt für Nibelungen-Hallen-Atmosphäre. An den Stehtischen plaudern einige Hundert Gäste in Festtagskleidung und -stimmung in freudiger Erwartung des fränkischen Alleinunterhalters. Brezen und Käsestangen liegen in Körbchen bereit, nur die Getränke müssen sich die Söder-Fans selber holen: Aus Personalmangel, wie Schilder entschuldigend vermitteln – warum sollte der Fachkräftemangel auch an der CSU vorbeigehen?

An ihnen führt kein Weg vorbei: das CSU-Empfangskomitee. Bild: Jürgen Herda

Rupprecht und Oetzinger schwören auf Landtagswahl ein

Es ist der Nachteil der Großgewachsenen: Auch in der wogenden Menge ist der Stargast nicht zu übersehen. Mehrere Dutzend Hände wollen geschüttelt werden, ehe der Ministerpräsident seinen zentralen Platz vor der Bühne einnehmen kann. Ein Selfie mit zwei jungen, weiblichen Fans, dann gibt Gastgeber Albert Rupprecht den rhetorischen Startschuss. „Du bist gestern 56 geworden“, gratuliert er dem Parteichef nachträglich und tröstet damit, dass schwere Krisenjahre kommen und gehen: „In meinen 20 Jahren im Bundestag ist kein einziges Jahr ohne schwere Krisen vorübergegangen – entscheidend ist, dass wir stärker daraus hervorgehen.“

Es sei die Kraft der Demokratie, das immer wieder schaffen zu können. Im Jahr der bayerischen Landtagswahl mahnt Rupprecht: „Qualität entsteht nur dann, wenn wir diese Entscheidung sehr bewusst treffen.“ Die CSU habe hier das richtige Angebot: „Wir sind nicht perfekt, aber haben bewiesen, dass wir das Land nach vorne bringen.“ Landtagsabgeordneter Stephan Ötzinger zeigt sich beeindruckt, dass Söder „nach zwei Jahren Corona-Pause für so ein volles Haus“ sorgt. Und bedankt sich bei der Staatsregierung für die Behördenverlagerung in die Nordoberpfalz und die Weiterentwicklung des Standortes OTH Weiden-Amberg. „Du bist ein Freund der Oberpfalz und Weidens.“

Gastgeber Albert Rupprecht begrüßt ein volles Haus. Bild: Jürgen Herda

Söder hofft immer noch auf den Club

Dann tritt der Matador ans Pult. „Ich dachte, es könnten die goldenen Jahre werden“, lässt Söder den rumpelnden Start der 20er Jahre Revue passieren. „Es sind bisher eher die bleiernen.“ Aber dennoch, die Hoffnung stirbt zuletzt: „Ich hoffe ja immer noch auf den Club …“ Heiterkeit im Saal. „Dass er nicht absteigt?“, frotzelt ein Gast. Balsam auch für anwesende Jahn-Fans. Söder weiß, welchen Humorpunkt er bei den Oberpfälzern massieren muss. Weiter geht’s mit dem Streicheln der Nopf-Seele: „Ich habe mich gesteigert, gestern war ich in Rom, heute bin ich in der nördlichen Oberpfalz.“

Gleichwohl habe er in der ewigen Stadt einen bewegender Abschied vom bayerischen Papst erlebt. „Am Schluss stand nicht nur Trauer, sondern auch Hoffnung, als die Blaskapelle das Bayernlied anstimmte.“ Dass er ein Bewunderer der Region ist, verrät er nicht zum ersten Mal. Schließlich habe man hier gezeigt, wie man aus eigener Kraft, ohne wie anderswo zu jammern, aus einer Strukturkrise ein Erfolgsmodell schaffe. Tosender Applaus für die Binsenweisheit: „Bayern besteht nicht nur aus München.“ Der ländliche Raum habe für die Staatsregierung oberste Priorität: „Finanzminister Füracker ist ein echter Knauser, nur bei der Oberpfalz meint er immer, das braucht’s.“

Er kann’s noch: Ministerpräsident Markus Söder als Alleinunterhalter. Bild: David Trott

Corona weltweit am besten bewältigt

Söder sei bereits seit 1974 in der Politik. Das wappne gegen Angst und Hoffnungslosigkeit. „Wir haben eine der größten Krisen, Corona, verglichen mit China, das heute noch darunter leidet, mit Spanien und Italien, die Triagen erlebten, oder auch den USA, gut bewältigt.“ Es sei nicht einfach gewesen, am Anfang hätten sich alle vom Acker gemacht: „Da war keiner, der uns beraten wollte, wir mussten die Entscheidungen alleine treffen.“ Unterm Strich sei man besser rausgekommen als die meisten anderen Staaten, „weil wir zusammengehalten haben – wenn wir zusammenhalten, werden wir auch die nächsten Krisen überstehen.“

Als sich anbahnte, dass die Pandemie im Frühjahr zu Ende gehe, sei die nächste Krise um die Ecke gekommen. Da musste Söder an die weisen Worte seines Lieblingsfeindes denken: „Seehofer sagte mal, ,immer wenn du denkst, es geht bergauf, haut einer mit dem Hammer drauf’ – er meinte damit nicht unser persönliches Verhältnis.“ Seit Russland am 24. Februar die Ukraine überfallen habe, habe Deutschland mehr Flüchtlinge aufgenommen als Frankreich. „Wir helfen, wenn es besonders schwierig ist.“ Scholz Rede von der Zeitenwende habe ihn berührt. Heute müsse er sagen: „Es wurde bestenfalls eine Zeitlupe daraus“, fordert er Rückendeckung für die Sicherheitskräfte, „die Bundeswehr hat immer noch keine Munition.“

Kunst der hintersinnigen Markus Söder in seinem Element. Bild: Jürgen Herda

Lambrecht klebt

Und dann Lambrechts Silvester-Video: „Die Verteidigungsministerin klebt noch stärker am Amt als so mancher auf der Straße“, kalauert der Ministerpräsident. Aber gemach, er sei da freiheitlich eingestellt: „Kleben und kleben lassen, ist unser bayerisches Motto“, witzelt Söder, „und wenn’s ein richtiges Sauwetter ist, können wir gerne alle paar Stunden vorbeischauen.“ Schluss mit lustig sei allerdings, wenn es zu einer Gefährdung komme: „Dann müssen diejenigen wissen, dass ein Staat auch handelt.“ In Bayern gebe es da eine klare Linie: „Die haben andere nicht – Bayern ist nicht aus Zufall das sicherste Land, mit der seit 44 Jahren geringsten Kriminalitätsrate.“ Im Gegensatz zu Berlin: „Es braucht dort keinen Gipfel, sondern eine gescheite Polizei.“

Man werfe der Union vor, zu viel Ampel-Bashing zu betreiben. „Das ist nicht unser Ziel.“ Er erkenne an, dass man in Berlin schwere Entscheidungen zu treffen habe. „Aber es müssen auch die richtigen getroffen werden.“ Stichwort: Gasbremse statt Gasumlage. Mit Blick auf die Mini-Demo draußen sagt Söder: „Ich glaube nicht an ewig laufende AKWs, aber in Zeiten, wo man selbst Öldampfer in der Nordsee laufen hat, und sogar Greta Thunberg unsere Atomkraftwerke für eine sichere Energie hält, sage ich, lasst die Kernkraft so lange laufen, bis die Krise endet.“

Ein wenig Demo: Nur kleiner Protest gegen Markus Söders AKW-Laufzeitverlängerungs-Pläne. Bild: David Trott

Bei Erneuerbaren gut unterwegs

Im Übrigen sei man in Bayern auch bei den Erneuerbaren Energien sehr gut unterwegs: „Wir sind die klare Nummer 1 beim Ausbau, mehr als die beiden nächstgrößten Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zusammen letztes Jahr.“ Bei der Photovoltaik sei der Freistaat Weltmeister, bei Geothermie, Wasser und Biomasse führend. „Eines würde ich mir wünschen“, fordert Söder, „mehr Gleichbehandlung.“ Er habe den Eindruck, es gehe in der Debatte nur noch um Windenergie, der aber nun mal an der Küste stärker wehe.

„Es ärgert mich, dass man Wasserkraft und Biomasse behindert“, kritisiert Söder die vermeintliche Benachteiligung bäuerlichen Energie-Engagements. „Es braucht mehr Anerkennung für die Landwirtschaft.“ Aber auch in puncto Windenergie habe man die Rahmenbedingungen überarbeitet: „Nicht nur wegen der Folgen des Ukraine-Krieges, auch wegen des Klimawandels“, sei das notwendig. „Es geht voran, wir haben sogar eine eigene Wasserstoffstrategie.“

Qual der Farbwahl: MdL Tobias Reiß offeriert dem Ministerpräsidenten ein mundgeblasenes päpstliches Herz der Glashütte Lamberts – wahlweise in Orange oder Schwarz. Bild: Jürgen Herda

Was Söder am Mond will

Söders Zwischenbilanz: „Wie geht es uns aber wirklich in Bayern“, erinnert er daran, dass das Land trotz Krieg und Klimakrise gut aufgestellt sei. „Wir haben die meisten Industriearbeitsplätze, die meisten DAX-Unternehmen, die meisten Handwerksbetriebe – Meister und Master sind für uns übrigens gleich viel wert.“ und kein Land fördere Familien stärker als der Freistaat.“ Außer dem erhöhten Kindergeld etwa auch mit Pflegegeld für selbst Pflegende: „Das war meine Idee“, erzählt er gerührt vom Brief einer alten Dame, die darin geschildert habe, dass sie Dank Söders Zuschuss mit ihrem dementen Mann an die Nordsee gereist sei, wo die beiden einst die Hochzeitsreise verbracht haben.

Was man Bayern oft nicht zutraue: „Wir investieren in Technik wie kein anderes Land“, rühmt der Ministerpräsident die eigene High-Tech-Agenda, die Förderung der Schlüsseltechnologie KI und der Luft- und Raumfahrt: „50 Prozent der ESA-Mittel fließen nach Bayern“, ätzt er über den damaligen Hohn, den er über sich habe ergehen lassen müssen: „Huuhuuhuu“, habe es geheißen, „Söder will zum Mond – ich wollte nie dort hin, nur einige Leute hinschicken.“ Große Heiterkeit. Und last not least: Auch in der Medizintechnik werde gefördert, was relevant sei. „Ich will, dass Bayern Zukunftsstandort bleibt – Hightech und Heimat.“

Eindrücke vom CSU-Neujahrsempfang in der Weidener Max-Reger-Halle. Bilder; Jürgen Herda
Eindrücke vom CSU-Neujahrsempfang in der Weidener Max-Reger-Halle. Bilder; Jürgen Herda
Eindrücke vom CSU-Neujahrsempfang in der Weidener Max-Reger-Halle. Bilder; Jürgen Herda

Überraschung“: Söder kein Freund der Wokeness

Volkes Stimme bleibt nicht unerhört, wenn Markus Söder auf das deutsche Kulturgut Winnetou zu sprechen kommt. „Die Wokeness-Wolke hat auch unseren weiß-blauen Himmel eingetrübt“, sagt der Ministerpräsident betrübt. Mit Bestürzung in der Stimme zitiert er Forderungen, geschlechts-verunsicherten „Kindern Hormone zu verschreiben, um die Entscheidung übers Geschlecht hinaus zu zögern“.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hält er vor, Masken im Zug zu verlangen, aber Cannabis freizugeben. „Ich selbst wäre ja gerne Veganer“, sagt er augenzwinkernd, „vielleicht sehe ich dann besser aus.“ Aber wenn die geschätzte Tierschutz-Organisation Peta, „uns anzeigt, wenn wir einen Karpfen kurz in die Höhe halten, bevor wir ihn einer sinnvollen Verwertung zuführen“ gehe das zu weit. „Man fordert sogar ein Fortpflanzungsverbot für Fleischesser – zum Glück habe ich schon vier Kinder.“

Und was in aller Welt könne man gegen Winnetou haben? „Hubert Aiwanger fühle sich wie Winnetou, weil der so gut ankommt“, frotzelt er liebevoll über den Koalitionspartner. „Vielleicht sollte man ihm sagen, dass das nicht allzu lange anhielt.“ In den USA müsse man jetzt „Schneewittchen und die 7 Gefährten“ sagen, statt Zwerge, und es werde darüber debattiert, ob das Dschungelbuch noch zeitgemäß sei. Wenn die deutsche Politik darüber streitet, ob man Lieder verbieten müsse, dann freue er sich über deren Erfolg, auch „wenn es sicher nicht der schönste Song aller Zeiten“ sei.

Während andere die Debatte führten, was man tun soll, bleibe Bayern das Gegenmodell – Freistaat statt Zwangsstaat. „Bei uns lebt man deutlich länger, wir sind im Glücksatlas ganz oben in Deutschland.“ Sein Plan für die Zukunft sei frei nach Udo Jürgens: „Immer, immer wieder geht die Sonne auf.“ Daran solle man bei der nächsten WM vielleicht mal denken: „Wer von vornherein nicht gewinnen will, der fährt eben nach der Vorrunde wieder nach Hause.“ Das Team Bayern stehe für eine starke Wirtschaft, ein starkes Ehrenamt: „Ehrenamt ist nichts anderes als Nächstenliebe“, verrät Söder, „der Dank hält sich in Grenzen, es gibt immer einen im Verein, der sagt, das hättest du auch anders machen können.“ Sei’s drum: „Der liebe Gott mag Bayern.“

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1 Kommentare

Karl-Werner Schramm - 06.01.2023

Planlos geht die CSU mit Söder in die Landtagswahl

Farblose Veranstaltung – bis auf die Glasherzen.

Nicht alle Oberpfälzer kann man mit Stories von gestern locken.

Keine Kernaussagen zur Zukunft in Bayern.

Weiter so, der Ast der CSU ist angesägt.