Nach Magdeburg-Attentat: Floß nimmt mit Ballons und Gabalier Abschied von André
Floß/Wolfenbüttel. Rund 200 Bürger des Marktes Floß haben sich am Samstagvormittag in einer würdigen und zugleich liebevollen Trauerfeier von André Gleißner verabschiedet. Der neunjährige Junge starb am 20. Dezember 2024 beim Attentat auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Nach dem Gottesdienst stiegen vor der katholischen Pfarrkirche grüne Luftballons in den blauen Winterhimmel.

Die Entscheidung, den Trauergottesdienst aus der Pfarrkirche in Wolfenbüttel (Niedersachsen) in die katholische Kirche St. Johannes nach Floß zu übertragen, erweist sich letztlich als gute Entscheidung. Das Bedürfnis vieler Flosser ist groß, dem Neunjährigen eine letzte Ehre zu erweisen. Die Technik übernimmt Vinzenz Lehner. Die Pietät bleibt gewahrt: Auf der Leinwand ist nur der Altarraum der niedersächsischen Kirche zu sehen.
Trauergäste mit verschiedenen Strümpfen
Viele Mitschüler der Flosser Grundschule sind in die Pfarrkirche gekommen, Lehrer, Verwandte und Bekannte der Eltern, Bundestagsabgeordneter Albert Rupprecht, aber auch einfach „nur“ Flosser. „Das ist Floß, wir halten zusammen“, sagt eine Besucherin. In ganz vielen Winterstiefeln verbergen sich unterschiedliche Socken: So wie es André gern getan hat, tragen die Trauernden verschiedene Strümpfe. Jeder schildert ihn als lustigen Treibauf, ein Star-Wars-Fan, der gern radelte und angelte.
Pfarrer Max Früchtl erinnert an den 20. Dezember 2024: „Was unserem André und den anderen fünf Menschen angetan worden ist – es ist unfassbar, entsetzlich.“ In Floß habe man den Jungen lieb gewonnen: „Dieser liebenswürdige Bub, lebensfroh, ein Lauser und Spitzbub: Man musste ihn einfach gern haben.“ Mehrfach bricht dem Pfarrer die Stimme. Der Altarraum ist vom Bestattungsunternehmen Gronauer aus Altenstadt/WN dekoriert worden: Zwei Dutzend Kerzen umrahmen das inzwischen berühmte Foto des Neunjährigen. Das Bild habe Menschen in ganz Europa berührt, berichtet der Geistliche. Ihn hätten Anrufe aus der Schweiz, Italien und Frankreich erreicht.
Man fühle mit der Familie. Früchtl erwähnt die gesamte Patchwork-Familie: den Vater, die Brüder und die Schwester in Floß; die Mutter und den großen Bruder in der neuen Heimat in Niedersachsen, dazu die jeweiligen neuen Partner. „Wir fühlen mit ihnen, wir trauern mit ihnen.“ Nichts könne André nunmehr der Macht Gottes entreißen: „Auch nicht dieses Horrorfahrzeug.“ Hinter Früchtl brennen die Kerzen auf dem Christbaum der Kirche – aufgestellt, als die Welt noch in Ordnung war.
„Doch dann bleibt die Welt stehen“
Trauerrednerin Inga Linke im 450 Kilometer entfernten Wolfenbüttel beschreibt den Nachmittag des Attentats, so wie ihn ihr die Mutter geschildert hat: „Jippie, endlich der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien.“ Vier Tage vor Weihnachten. André habe sogar freiwillig sein Zimmer aufgeräumt und freute sich auf den am Abend geplanten Ausflug zum großen Christkindlmarkt nach Magdeburg. „Sie kommen an, alles leuchtet, er möchte mit dem Bruder unbedingt noch Riesenrad fahren – doch dann bleibt die Welt stehen.“
Wie Trost finden? Gibt es Antwort auf die Frage nach dem Warum? Die Trauerrednerin zeichnet das Bild des Kindes, wie es – „an einem Ort, den wir noch nicht kennen“ – von den 2020 verstorbenen Großeltern in die Arme geschlossen wird. „Es ist der Glaube, der uns selbst in traurigster Zeit Kraft gibt.“ Viele der eingespielten Lieder hoffen auf ein Wiedersehen: „Mein kleiner Engel“ von Staubkind, „Amoi seg ma uns wieder“ von Andreas Gabalier.
Mitschüler formulieren Fürbitten
Der Wolfenbütteler Pfarrer Matthias Eggers empfindet Dankbarkeit für die „Lichtspuren, die André hinterlassen hat“. Nach der Übertragung werden in Floß noch Fürbitten verlesen, formuliert von Andrés Freunden: „Es ist so schön, dass Du in unserer Klasse warst. Wir haben Dich gern“, liest ein Kind. Organist Hans Fröhlich beschließt den Gottesdienst mit „Möge die Straße uns zusammenführen“.
Die Leinwand zeigt den Auszug aus der Kirche. Andrés Mutter trägt die weiße Urne, begleitet von Andrés Vater, den Geschwistern und dem Stiefvater. Beigesetzt wird die Urne – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – auf dem Friedhof in Warle. In Floß lassen Kinder und Erwachsene zur gleichen Zeit rund 100 grüne Luftballons (in der Lieblingsfarbe von André) steigen, organisiert von Nadja Beer und der „Villa Kunterbunt“. Und noch einmal erklingt der Song von Andreas Gabalier: „Amoi seg‘ ma uns wieder.“
In Wolfenbüttel berichtet die Braunschweiger Zeitung über den Trauergottesdienst.
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1 Kommentare
Meine Oma meinte immer wenn es garnicht mehr rund lief: Mein Junge, ab zu mal ein wenig beten. Wenn es auch nicht hilft. Schaden wird es sicher nicht. In meinen Gebeten habe ich André meiner vor 1 1/2 Jahren nach Covid-Impfung verstorbenen Frau anvertraut, sie war Mutter von 4 Kindern und Oma von 6 Enkeln. Bei ihr ist er in besten Händen. Möge er seinen Frieden finden und seine Familie Trost.