Nach Schließung der Notaufnahme Tirschenreuth: Bürgermeisterin schildert Rettung nach Unfall
Waldershof. Gemeinsame Bilanz der Kliniken Nordoberpfalz und Fichtelgebirge nach Schließung der Notaufnahme am Krankenhaus Tirschenreuth: Trotz geringfügig längerer Transportzeiten wird die 12-Minuten-Frist im Landkreis eingehalten. Bürgermeisterin Margit Bayer war selbst betroffen.
Das gemeinsame Pressegespräch der Landratsämter Tirschenreuth und Wunsiedel sowie der Kliniken Nordoberpfalz und Fichtelgebirge fand nicht von ungefähr in Waldershof statt: „Wir waren schon immer ein gemeinsames Versorgungsgebiet“, erklärt der Tirschenreuther Landrat Roland Grillmeier, „und Waldershof liegt nun mal näher an Marktredwitz.“
Davon kann die Gastgeberin, Waldershofs Bürgermeisterin Margit Bayer, ein Lied singen: „Der 25. September ist mein zweiter Geburtstag“, sagt sie zu OberpfalzECHO. An diesem Tag ist sie unterwegs von der Bezirksversammlung des Bayerischen Städtetags in Amberg zu einem Feuerwehrtermin in Waldershof. Nach der Autobahnausfahrt Pechbrunn realisiert sie kurz vor der Bahnunterführung bei Lengenfeld viel zu spät, dass ein Kombi vor ihr links abbiegen möchte.
„Da waren keine Bremslichter“, schildert Bayer die Momente vor dem Aufprall, „und ich muss zugeben, ich war auch von den Bauarbeiten am Radweg auf der linken Seite ein wenig abgelenkt.“ Mit rund 90 km/h fährt sie auf das stehende Fahrzeug zu. Als der Abstandsalarm ihres A3 losgeht, begreift sie: „Der steht ja!“ Sie versucht noch zu bremsen, nach rechts auszuweichen – dann der Aufprall mit etwa 80 km/h gegen 14.45 Uhr.
„Rettungsdienst funktioniert hervorragend“
„Die Fahrerin des Kombis blieb zum Glück unverletzt“, sagt Bayer. Die Frau schildert der Bürgermeisterin, was sie selbst gar nicht bewusst wahrnahm. „Ich weiß nicht genau, ob ich kurz bewusstlos war oder einen Filmriss hatte, jedenfalls hat sie erzählt, dass ich selber zwischen den offenen Airbags rausgekrabbelt bin – sie hat mir aus dem Auto geholfen und mich danach hinten auf die Ladefläche des Kombis gesetzt.“
In kürzester Zeit seien ein Sanker und die Feuerwehr eingetroffen: „Der Rettungsdienst hat hervorragend funktioniert“, sagt Bayer. Sie wird in die Notaufnahme nach Marktredwitz gefahren. „Es gab keinerlei Wartezeit“, fährt sie fort, „ich wurde komplett durchgecheckt, das Personal war super freundlich, mit viel Geduld – sie machten ein CT, Röntgenaufnahmen, das komplette Programm.“ Um 18.15 Uhr des gleichen Tages ist die Bürgermeisterin schon wieder zu Hause: „Wie durch ein Wunder, blieb ich unversehrt.“
Einsatzleiter befürchtet das Schlimmste
Der Einsatzleiter der Feuerwehr, der das Nummernschild erkannte, habe ihr nachher erzählt: „Als er das total zerstörte Auto sah, habe er gedacht, ,mein Gott, was da von unserer Bürgermeisterin noch übrig ist?“ Dass Bayer die schnelle Hilfe einem Promibonus zu verdanken hat, schließt sie aus: „Klar, der Notarzt hat mich erkannt, als ich eingeliefert wurde, aber der steht ja den Umstrukturierungsmaßnahmen kritisch gegenüber.“ Und auch die Gleichbehandlung der zweiten Unfallgeschädigten spräche gegen eine Sonderbehandlung.
Dieser Wink von oben gebe Bayer allerdings schwer zu denken: „Man ist getrieben, gerade in so einem Amt“, sagt die Bürgermeisterin. „Man ist schon wieder beim nächsten Termin, sieht die Baufortschritte des eigenen Projekts – wir müssen viel mehr Achtsamkeit walten lassen.“ Vor allem aber sei sie dankbar, wie schnell ihr geholfen wurde. „Das geht in der ganzen Diskussion oft unter“, hebt sie die enorme Leistung des Rettungsdienstes, der Feuerwehr und der Notaufnahme hervor.
12-Minuten-Frist wird eingehalten
Den subjektiven Eindruck der Bürgermeisterin bestätigt Dr. Josef Kick, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes Nordoberpfalz, mit nüchternen Zahlen. „Das Notfallaufkommen hat sich in den vergangenen vier Quartalen kaum verändert, die Einhaltung der 12-Minuten-Frist ist im gesamten Versorgungsbereich des Landkreises Tirschenreuth gewährleistet.“ Was sich geringfügig um drei Minuten verlängert habe, sei die Transportzeit und um rund fünf Minuten die Prähospitalzeit – die Zeitspanne vom Anruf über die Anfahrt bis zum Abtransport in die Notaufnahme. „Das spielt aber eine untergeordnete Rolle, weil der Notarzt in dieser Zeit den Patienten stabilisiert“, erklärt Kick.
Dr. Tobias Uhing, ärztlicher Leiter des Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Hochfranken (ZRF), bestätigt die Aussage seines Oberpfälzer Pendants: „Die Versorgung ist immer gewährleistet, die Transportzeiten verändern sich minimal, aber ein lebensbedrohend verletzter Patient wird deshalb nicht schlechter versorgt.“ Der sei auch zuvor nicht nach Selb oder Tirschenreuth, sondern nach Weiden oder Marktredwitz transportiert worden. „Für die Patienten ändere sich nichts. „Die Notärzte können die drei Minuten mehr Fahrtzeit problemlos überbrücken.“
Notaufnahmen ausgebaut
Auch das erhöhte Patientenaufkommen in den Notaufnahmen der Kliniken Fichtelgebirge und Weiden könne kompensiert werden. „Wir hatten im 2. Quartal 25 Prozent mehr Patienten“, erklärt Dr. Philipp Koehl, Ärztlicher Leiter des Klinikums Fichtelgebirge, „haben aber zuvor die Behandlungskapazität um 37 Prozent erhöht.“ Man habe die nicht mehr zeitgemäße Notaufnahme umgebaut und erweitert, sagt Alexander Meyer, Vorstand des Klinikums Fichtelgebirge: „Zunächst von 8 auf 11 Behandlungsplätze, jetzt kommen nochmal drei hinzu.“
Und auch in Weiden würden längere Wartezeiten nicht an der Schließung der Notaufnahme in Tirschenreuth liegen: „Wir haben eine Unterversorgung im haus- und fachärztlichen Bereich“, erläutert Professor Dr. Dorothee Bremerich, Ärztliche Leiterin der Kliniken Nordoberpfalz, „die gestiegene Behandlungsdauer liegt nicht an den Strukturen im Klinikum.“ Würden die als „grün“ oder „blau“ eingestuften Patienten mit Bagatell- oder chronischen Symptomen Arztpraxen aufsuchen, „wären 40 Prozent schon mal weg“. Die als „gelb“ oder „rot“ eingestuften, relevanten Fälle würden aber ohnehin priorisiert, weshalb eine medizinische Versorgung immer gewährleistet sei.
Kooperation zwischen KNO und Klinikum Fichtelgebirge
„Landkreis- oder Regierungsbezirksgrenzen sind für die medizinische Versorgung irrelevant“, macht Wunsiedels Landrat Peter Berek deutlich. „Die Lebenswirklichkeit macht sich nicht an Landkreisgrenzen fest.“ Das Klinikum Fichtelgebirge sei schon immer für Patienten aus der Oberpfalz offen gewesen.
Sein Tirschenreuther Kollege, Landrat Roland Grillmeier ergänzt: „Wir pflegen bei aller Konkurrenz schon seit Jahren eine tolle Partnerschaft.“ Das betreffe sowohl die landkreisübergreifende adäquate medizinische Versorgung als auch die Abstimmung wegen politischer Vorgaben. „Wir waren immer ein Versorgungsgebiet“, sagt Grillmeier, „Waldershof liegt nun mal näher an Marktredwitz.“
Dennoch müsse auch klar gesagt werden: „Das Krankenhaus Tirschenreuth ist nicht geschlossen“, betont Grillmeier. „Die Notaufnahme kann und wird nach wie vor mit leichten Fällen angefahren.“ Es kämen deutlich über 300 Patienten pro Monat in die Notfallambulanz. „Es finden zahlreiche ambulante Operationen statt.“ Zusammen mit weiteren Einrichtungen vor Ort wie dem MVZ werde dort ein erheblicher Beitrag zur medizinischen Versorgung geleistet.
Da das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz des Bundesgesundheitsministeriums darauf ausgelegt sei, wirtschaftlich zu arbeiten, müsse und wolle man jetzt noch enger abstimmen, wie man die notwenigen Veränderungen so darstellen könne, dass Rettung und Versorgung auf hohem medizinischen Niveau gewährleistet blieben.
„Trotz aller Kritik sind die pessimistischen Annahmen bisher nicht eingetroffen“, betont Grillmeier. „Es geht um eine sinnvolle Schwerpunktbildung.“ Das Grunddilemma sei nun mal, dass der Bund das System nicht ausreichend finanziere: „Wir werden deshalb weiter zuschießen müssen und uns überlegen, wie wir uns unter den gegebenen Bedingungen verbessern können.“
Der Kritik am Bund schließt sich Berek an: „Wir füttern mit kommunalen Mitteln Aufgaben des Bundes.“ Man habe deshalb im Landkreis Wunsiedel schon früher damit begonnen, zu hinterfragen: „Wo haben wir Doppelstrukturen?“ Und deshalb konsequent auf den Standort Marktredwitz als stationäre Lösung und einen ambulanten Campus Selb gesetzt, wo jährlich über 2000 ambulante Operationen durchgeführt würden. „Wir haben an jeder Stelle im Landkreis eine Versorgung über dem Bundesdurchschnitt.“ Dennoch müsse man sich weiter eng abstimmen und vor allem alle Betroffenen wie Ärzte, Notaufnahmen und Rettungsverbände miteinbeziehen.
„Es gab in den letzten Monaten viel Kritik“, sagt Grillmeier über die nachvollziehbare, aber nicht finanzierbare Vorstellung, alles so erhalten zu können wie früher. „Aber von diesen Kritikern gab es keinerlei Verbesserungsvorschläge für die Zukunft.“ Noch einige Monate zu warten, bis sich die Konturen der Krankenhausreform klarer abgezeichnet hätten, hätte im Übrigen auch nichts gebracht. „Heute, 11 Monate nach der Präsentation des Restrukturierungskonzeptes, liegt die Reform im Bundestag vor und gibt genau das vor, was wir mit dem KH Tirschenreuth tun.“ Man sichere das Haus Tirschenreuth durch Veränderung. „Ohne Konzentration und Kooperation ist medizinische Versorgung nicht zu erhalten.“
„Wir wollen aber auch nichts schönreden“, ist Grillmeier bewusst, dass die medizinische Versorgung im ländlichen Raum eine Herausforderung bleibt. „Durch die steigende Transparenz schauen immer mehr Patienten, wo der beste Arzt zu finden ist“, sagt der Landrat. „Und gute Ärzte gehen bevorzugt in große Häuser, wo eine gute Infrastruktur gegeben ist.“ In einigen Jahren werde es keine Klinik mehr unter 200 Betten geben, prophezeit Grillmeier. „Dieser Realität stellen wir uns, die schnuckelige Schwarzwaldklinik gibt es nicht mehr.“ Deshalb bemühe man sich verstärkt um junge Ärzte für die ambulante Seite: „In Tirschenreuth werden bis zu 3000 ambulante OPs erwartet.“
Dazu gehöre aber auch eine klare Landesplanung, um zu definieren, wo man gemeinsame Kapazitäten vorhalten müsse: „Vom Freistaat erwarten wir, dass wir vernünftige Strukturen bekommen.“ Die Vorhaltepauschalen wie sie jetzt kommen sollen, „sind auch schon wieder eine Mogelpackung“. Lauterbach betone immer, er wolle kleine Häuser erhalten, aber sie müssten sich wandeln. „Ich kann da nur sagen, wir wandeln uns, aber Bund und Länder müssen auch ihre Pflichten erfüllen.“
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