Nach Tod von André in Magdeburg: Mutter und Bruder erstatten Anzeige – Morgen Trauerfeier

Floß/Warle. In den Pfarreien Wolfenbüttel und Floß laufen die letzten Vorbereitungen für den Trauergottesdienst für André Gleißner, neunjähriges Opfer der Magdeburger Amokfahrt. Parallel dazu läuft die Aufarbeitung - mit erschreckenden Erkenntnissen.

Die katholischen Pfarrkirche St. Johannes der Täufer in Floß. Foto: Fred Lehner

Zunächst zur Trauerfeier, die um 11 Uhr in der katholischen Pfarrkirche St. Petrus in Wolfenbüttel beginnt. Sie wird auf Leinwand in die katholische Pfarrkirche Floß im Landkreis Neustadt/WN übertragen. Jeder Trauernde ist willkommen, Abschied zu nehmen. Ton- und Videoaufnahmen sind untersagt. Verantwortlich sind die Pfarrer Matthias Eggers in Niedersachsen und Max Früchtl in der Oberpfalz.

Hintergrund der Übertragung: Der Bub wuchs bis zur Trennung der Eltern 2024 in Floß auf, wo nach wie vor sein Vater und drei seiner Geschwister leben. Nach dem Gottesdienst ist die Beisetzung der Urne auf dem Friedhof der kleinen Gemeinde Warle geplant, wo André mit Mutter, dem Stiefvater und seinem ältesten Bruder (20) wohnte. Auch der 20-Jährige wurde bei dem Attentat in Magdeburg von dem Amokfahrer angefahren und verletzt.

Weihnachtsmarkt: Veranstalter fürchtete Abgase der Polizeiautos

Wie die Braunschweiger Zeitung berichtet, lassen sich Mutter und Bruder inzwischen anwaltlich vertreten. Sie wollen in einem Prozess gegen den Tatverdächtigen Taleb Al A. Nebenklage erheben. Als Nebenkläger haben sie Akteneinsicht. Mutter und Bruder haben dafür die Anwälte Martin Voß und Werner Siebers aus Braunschweig beauftragt. Sie haben zudem Strafanzeige gegen alle in Betracht kommenden Personen erstattet, die das Versagen des Sicherheitskonzepts verschuldet haben könnten.

Zentrale Frage: Wie konnte es so weit kommen, dass ein SUV in einen Weihnachtsmarkt rasen kann? Sachsens Innenministerin Tamara Zieschang legte diese Woche einige Karten auf den Tisch. In einem Interview mit der FAZ bestätigte sie, dass sich der Veranstalter bei einem Vororttermin mit mehreren Behörden am 21. November 2024 an Abgasen der Polizeifahrzeuge störte. Zieschang: „Ein Fahrzeug stand dann etwas weiter als ursprünglich geplant von der Zufahrt entfernt, über die der Beschuldigte den Weihnachtsmarkt verließ.“ Auch an der Zufahrt des Attentäters stand nicht wie vorgesehen ein Polizeibus; „die Gründe können bislang nicht nachvollzogen werden“.

Täter auffällig: „Muss man erst 20 Leute umbringen?“

Zweite große Frage: Vor dem Anschlag gab es etliche Warnungen vor Taleb Al A., der seine Gewaltfantasien öffentlich machte. Auch dazu sind diese Woche detaillierte Informationen öffentlich geworden. So liegt dem „Spiegel“ ein 16-seitiger Bericht des Bundeskriminalamtes an den Bundestag vor. Demnach waren 105 (!) Vorgänge zu dem 50-jährigen Psychiater aus Saudi-Arabien aktenkundig. Elf Jahre hatten Behörden in sechs Bundesländern mit ihm zu tun. Dazu kamen Bundesbehörden wie BKA, BND, Verfassungsschutz und Kanzleramt sowie Hinweise aus Großbritannien, Kuwait und Saudi-Arabien.

Im Februar 2023 schrieb er direkt an das Bundesinnenministerium. „Muss man in Deutschland 20 Leute auf den Straßen von Berlin umbringen, um die Gerechtigkeit zu bekommen?“ Im Dezember 2023 postete er auf X „Deutschland werde einen sehr hohen Preis zu zahlen“ haben. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg eröffnete ein Ermittlungsverfahren wegen Androhung von Straftaten – und stellte es wieder ein. Insgesamt liefen 14 Ermittlungsverfahren gegen ihn, die meisten wurden eingestellt. Zweimal wurde er verurteilt, zuletzt am Tag vor der Tat (Missbrauch von Notrufen, Amtsgericht Berlin, Geldstrafe).

Böses Social-Media-Echo für Mutter und Stiefvater

Zum „Nebenkriegsschauplatz“ haben sich Social-Media-Plattformen entwickelt. Die Mutter und ihr Partner hatten nach dem Attentat mehrere Videos, unter anderem auf TikTok, gepostet, in denen sie sich für die Anteilnahme bedanken, aber auch mangelnde Unterstützung durch Behörden beklagen. Die Videos riefen viel Anteilnahme, aber auch heftige Kritik hervor. Reaktion der Mutter: „Wir danken denen, die hinter uns stehen. Die anderen, die meinen uns sagen zu müssen, wie man trauert: Hört einfach auf unter Videos so blöde Kommentare zu schreiben.“

Diskussionen gab es auch über die gesammelten Spendengelder. Eine Kollegin der Mutter hatte über „gofundme“ eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Beim Stand von 128.000 Euro wurde die Aktion auf Wunsch der Familie gestoppt; das Geld soll unter anderem für Bestattungskosten verwendet werden. Andrés Mutter versicherte in einem Interview auf TikTok, den Betrag mit anderen Opfern zu teilen: „Das geht auch an andere.“ Sie und ihr Partner dementierten energisch, das Geld für ihren Lebensunterhalt zu verwenden: „Wir arbeiten alle Drei.“ Seit dem Anschlag sei man von den jeweiligen Betrieben freigestellt.

TikTok-Interview mit Influencer

In diesem zehnminütigen Video mit „Influencer“ Kevin Yanik berichtet die Mutter, ihr verstorbenes Kind erst 13 Tage nach dem Attentat wieder gesehen zu haben. Die Freigabe durch die Behörden für den Bestatter dauerte so lange. Aktuell werde die Familie von einem Seelsorger unterstützt, was hilfreich sei. Zudem hoffe sie, dass alle betroffenen Familienmiglieder eine Traumatherapie beginnen können. Bei dem Anschlag wurde auch ihr ältester Sohn (20) verletzt. „Er hat das Auto auf sich zufahren sehen, er flog über das Auto drüber.“

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3 Kommentare

Fiona - 23.01.2025

Mein herzliches Beileid nochmal😔❤️🕊️Ich finde es ganz schlimm.WARUM?Auch meine Oma ist gestorben Rita😭❤️🕊️Viel Kraft euch es dauert bis es weg geht❤️😭🕊️

Hans- Joachim Müller - 19.01.2025

Ruhe in Frieden André, Dein Schicksal hat uns seit dem 20.12.24 auch in Mering/ Bayern berührt. Ich wünsche deinen Eltern und auch den Hinterbliebenen der anderen Opfer nicht endende Kraft. Und die wünsche ich auch den vielen Verletzten, für die ihr Leben nun ganz anders weitergehen muss. Ich werde dich nicht vergessen.

Anna - 19.01.2025

Ruhe in Frieden kleiner Schatz wir werden dich unglaublich vermissen.