No-Budget-Thriller „Martyrium“ des Oberpfälzer FlossenTV

Regensburg/Ursensollen/Neustadt/WN. Ein Mord in Regensburg. Die Domstadt als Schauplatz eines Thrillers rund um ein Gemälde Albrecht Altdorfers, des größten Konkurrenten Dürers. Die Täter: Das YouTube-Kollektiv FlossenTV um den Neustädter Johannes Haider und den Ursensollener Daniel Reichenberger.

Martyrium-Hauptdarsteller: Johannes Haider aus NEW alias Maik und Daniel-Reichenberger aus Ursensollen alias Markus Lehmann. Bild: FlossenTV

Daniel, euer Film-Team nennt sich FlossenTV – ihr kommt aber nicht aus Floß?

Daniel Reichenberger: Nein, Ich komme aus Ursensollen. Obwohl ich das Flosser Bier sehr gern trinke … Der Kanal heißt FlossenTV, weil wir – Adrian, Daniel, Johannes und Lucas – schon vor der Gründung unseres Kanals befreundet waren und eine WhatsApp Gruppe Namens „Die famosen Flossengenossen“ hatten. Den Namen haben wir dann vor fünf Jahren abgewandelt in „FlossenTV – Geschichte erleben“. Seitdem produzieren wir fast jede Woche ein Video.

Weshalb spielt die Geschichte bei euch eine Hauptrolle?

Daniel Reichenberger: Die meisten von uns haben Geschichte an der Uni Regensburg studiert. Wir wollten uns aber bewusst nicht „Geschichte einfach erklärt“ oder so was in die Richtung nennen – weil wir mehr bieten wollen als nur die harten Fakten.

So eine Art Mai Thi für Geisteswissenschaften?

Daniel Reichenberger: So ungefähr. Wir wollen mit Geschichte spannend unterhalten – mit Schauspiel, Gegenwartsbezug, originalen Schauplätzen, und nicht nur über historische Daten reden wie in der Schule.

Habt ihr eine Firma gegründet oder einen Verein?

Daniel Reichenberger: „FlossenTV“ ist ein ehrenamtliches Projekt ohne Gewinnabsicht, deshalb brauchen wir auch keine Organisationsstruktur. Wir haben einfach Lust, gemeinsam Videos zu machen – im Schnitt jede Woche eines zu einem historischen Thema von der Steinzeit bis zu aktuellen Themen wie der Bundestagswahl.

Wie viele Leute seid ihr?

Daniel Reichenberger: Das Kernteam besteht aus Johannes Haider, Adrian Linz, Lucas Ostendorf, Lisa Fieger und mir.

Wie viele Zuschauer erreicht ihr mit euren Filmen?

Daniel Reichenberger: Wir haben gut 2.000 Abonnenten, die Filme bekommen zwischen 200 und 200.000 Klicks. Das erfolgreichste Video „9. November“ vermittelt die Bedeutung dieses Datums in der deutschen Geschichte und hatte 250.000 Aufrufe.

Und jetzt der erste große Spielfilm?

Daniel Reichenberger: Der zweite. Beim ersten „Ruf der Ahnen“, auch ein Regensburg-Thriller, vor vier Jahren ging es um den Mord an einem Forscher in einer Kunstgalerie, der nach verborgenen Templer-Schätzen in Regensburg suchte.

Gibt es da reale Bezüge?

Daniel Reichenberger: Tatsächlich war der Deutsche Orden in Regensburg recht aktiv – vor allem in der Kirche St. Ägidius.

Was war der Anlass und die Idee für den neuen Spielfilm?

Daniel Reichenberger: Wir wollten unseren Followern, Leuten, die uns von Anfang an verfolgen, aber auch einer breiteren Öffentlichkeit zum fünfjährigen Jubiläum etwas Besonderes bieten. Und wir hatten Lust, schauspielerisch mal etwas Größeres umzusetzen. Für mich war das ein Riesen-Ding, zum ersten Mal die Hauptrolle!

Film Trio (von links) Johannes Haider, Rebecca Tausendpfund und Daniel Reichenberger. Bild: FlossenTV

Die Geschichte spielt diesmal aber nur eine Nebenrolle – der Plot ist in der Gegenwart angesiedelt?

Daniel Reichenberger: Der Bezug zur Geschichte beschränkt sich auf das Gemälde Albrecht Altdorfers. Die Zuschauer begeben sich gemeinsam mit dem Protagonisten Markus Lehmann, den ich verkörpere, auf Spurensuche, um den Ritualmord an einem Kunstexperten aufzuklären. „Durchbohrt wie der Hl. Sebastian“ sind die letzten, geröchelten Worte des Sterbenden, den Markus findet. Ein Hinweis auf das Altdorfer-Gemälde und Martyrium im doppelten Sinn – für das Opfer und den Hauptdarsteller, den das Geschehen bis in seine Träume verfolgt. Die Recherche ist am kunsthistorischen Institut angesiedelt, wohin die Spurt führt. Vielleicht googelt da der ein oder andere mal nach Altdorfer und Sebastian …

Wie viel Lokalpatriotismus steckt in eurem Film?

Daniel Reichenberger: Die Verbundenheit zu Regensburg und der Oberpfalz ist integraler Bestandteil unserer Filme. Auch dieses Mal haben wir wieder fantastische Landschaftsaufnahmen integriert, wobei einige winterliche Szenen aus der Nordoberpfalz stammen – aus der Gegend um Georgenberg, wo Johannes herkommt. Bei unserem Film über vergessene Ortschaften des Sudetenlands hatten wir auch Aufnahmen aus dieser Gegend dabei. Und wir planen dazu demnächst eine Fortsetzung.

Wie viele Akteure waren an diesem Film beteiligt?

Daniel Reichenberger: Zwölf Schauspieler, die aber auch hinter der Kamera tätig wurden.

Was habt ihr für eine Ausrüstung?

Daniel Reichenberger: Da hat sich die vergangenen Jahre schon einiges angesammelt – ein großer Camcorder, Spiegelrelflex-Kameras, eine Sony Alpha 3 auf einem Gimbal zur Stabilisierung. Die gesamte Ausrüstung inklusive Licht und Ton geht in den fünfstelligen Bereich.

Der Hl. Sebastian spielt im Martyrium eine tragende Rolle: Das Original von Albrecht Altdorfer hängt im Augustiner Chorherrenstift St. Florian bei Linz. Bild; Johannes Haider

Wie lange habt ihr an der Umsetzung gearbeitet?

Daniel Reichenberger: Idee und Drehbuch stammen von Johannes und mir. Da ich zurzeit als Gymnasial-Lehrer in Augsburg bin und Johannes als Doktorand an der Uni Regensburg haben wir das an drei, vier Abenden per Video-Konferenz entwickelt. Johannes hat es anschließend ausgearbeitet, ich hab’s wieder zurückbekommen und ergänzt. So entstanden 22 Szenen auf rund 25 Seiten.

Und die Dreharbeiten?

Daniel Reichenberger: Der Dreh selbst hat nur drei Tage gedauert, weil ich wegen meiner Tätigkeit in Augsburg nur ein Wochenende weg konnte. Damit das dann aber alles geklappt hat, saß ich ein paar Stunden am Drehplan. Es gibt einiges zu organisieren, um alle an einem Wochenenden so zusammenzubringen, dass sie zur jeweiligen Szene vor Ort sein konnten und um die jeweils nächste Location zur richtigen Tageszeit einzuplanen. Und dann standen die Hauptakteure aber auch von 8 bis 23 Uhr am Set.

Hattet ihr Ausgaben für die Anmietung von Drehorten?

Daniel Reichenberger: Nein, wir haben in einem Fitnessstudio gedreht, die meisten Locations waren draußen, etwa in Stadtanhof, am Regenufer, auf der Tremlhausener Höhe. Das war Anfang Dezember, es hat geschneit, das hat wunderbar gepasst.

Seit fünf Tagen ist euer Thriller jetzt auf Youtube abrufbar – wie läuft’s bis jetzt?

Daniel Reichenberger: Bis jetzt sind es über 1.500 Zugriffe, das ist ganz o.k.

Regensburg-Thriller „Martyrium“

Plot: Die Domstadt als Schauplatz eines Verbrechens rund um die Gemälde Albrecht Altdorfers. Markus Lehmann alias Daniel Reichenberger findet einen Sterbenden, der nur noch den Hinweis „durchbohrt wie der Hl. Sebastian“ hauchen kann.

Die Macher: Der 45-minütige Thriller wurde von den Mitgliedern des YouTube-Kanals „FlossenTV – Geschichte erleben” komplett in Eigenregie und ohne jegliche Bezuschussung produziert.

Ehrenamtliches Team: Rund ein Dutzend Schauspielerinnen und Schauspieler – ein Ensemble aus Lehrern, Mitarbeitern sowie Studenten der Universität Regensburg – gehört zur Filmcrew.

Regie, Drehbuch und Schnitt: Johannes Haider und Daniel Reichenberger.

FlossenTV – Geschichte erleben”: Die YouTuber widmen sich seit fünf Jahren der Vermittlung von gesellschaftswissenschaftlichen Inhalten – Erklärvideos für Schüler, Reportagen und ein zweiter Spielfilm.

Lokalkolorit: Stadt- und Landschaftsaufnahmen sollen die Schönheit und Einzigartigkeit der Stadt und ihr Zusammenspiel mit dem Oberpfälzer Umland einfangen. „Martyrium“ ist seit 30. Dezember kostenfrei auf dem YouTube-Kanal „FlossenTV – Geschichte erleben” abrufbar.

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