Oberpfälzer Abgeordnete zur Schulden-Debatte: Wir sind Sondervermögens-Billionäre
Berlin/Weiden. Auf den letzten Metern verabschiedet der alte Bundestag das größte Schuldenpaket in der Geschichte der Bundesrepublik. Je nach Lesart Startschuss für mehr verteidigungspolitische Unabhängigkeit und Zukunftsinvestitionen. Oder gewaltige Erblast für die nächste Generation.

Um 15.59 Uhr steht das Ergebnis fest: 513 Abgeordnete votieren für das Schuldenpaket – 24 über den Durst für eine Zweidrittel-Mehrheit. Die schwarz-rot-grüne Zweckvereinigung vererbt in einem teuren Schlussakt der künftigen Bundesregierung einen Billionen-Euro-Handlungsspielraum.
Die Reform der Schuldenbremse und zwei Sondervermögens-Pakete garantieren dem künftigen Kanzler und der wahrscheinlichen schwarz-roten Koalition mehr als 1000 Milliarden Euro für Bundeswehr, Straßen, Brücken, Schienen und neue Kreditaufnahmen für die Bundesländer.
Allerdings muss am Freitag auch noch der Bundesrat zustimmen. Dort gilt die Zustimmung ebenfalls als ausgemacht, seitdem Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger seinen Widerstand gegen das größte Schuldenpaket der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben hat.
Merz: „Perspektiven für unser Land“
„Man kann dem Paket mit gutem Gewissen zustimmen“, appellierte CDU-Chef Friedrich Merz an die Abgeordneten, „weil es eine Perspektive für unser Land eröffnet.“ Geld allein löse aber keine Probleme, zumal neue Schulden den Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte nicht überflüssig mache. An welchen Stellen gespart werden soll, war aber nicht Thema der Diskussionsbeiträge.
Merz neuer bester Buddy, SPD-Chef Lars Klingbeil, spart nicht mit Selbstlob für den Deal: „Im historischen Rückblick wird man sagen: Deutschland ist anders abgebogen als viele andere Länder.“ CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bedankt sich bei allen Verhandlungspartnern – von Friedrich Merz über Lars Klingbeil bis zu Franziska Brantner. Es müsse alles darangesetzt werden, dass Deutschland „keine Depression“ erlebe. Investitionen in die Infrastruktur seien deshalb nötig.
Grüne: „Darauf achten, das Geld vernünftig auszugeben“
Grünen-Chefin Franziska Brantner, deren Partei nach Nachverhandlungen zustimmte, weil 100 Milliarden in den Klimaschutz fließen, will mit ihrer Partei darauf achten, „dass das Geld vernünftig ausgegeben wird“. Als potenziell neuer FDP-Chef bringt sich Christian Dürr mit einer angriffslustigen Rede gegen die neue Schuldenkoalition in Stellung: „Die Schuldenbremse war eine Versicherung für die kommende Generation.“
„Mit einer erschreckenden Leichtigkeit“ habe eine Zweidrittel-Mehrheit diese zu Fall gebracht. Dem widerspricht SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius: „Wir verkaufen nicht die Zukunft, wie Sie in Ihrem religiösen Eifer für die Schuldenbremse verkaufen wollen, wir sichern die Zukunft für dieses Land.“ AfD-Ehrenvorsitzender Alexander Gauland (84) wirft Merz Wahlbetrug vor. Er habe seine Wähler mit den „Milliarden auf Pump betrogen“.
Rupprecht: „Finanzierung unserer Verteidigungsfähigkeit“
Weidens Bundestagsabgeordneter Albert Rupprecht (CSU) begrüßt die „bedeutende Entscheidung“ als Teil eines Gesamtpakets: „Mit dem Sondierungspapier ist die Basis für die Migrationswende mit der SPD verhandelt“, verknüpft er zwei Themen, „mit der heutigen Entscheidung steht die Finanzierung unserer Verteidigungsfähigkeit und somit die Erhaltung des Friedens für Deutschland.“ Man müsse sich nun selbst um die Sicherung des Friedens in Europa und für Deutschland kümmern.
„Es geht darum, für Deutschland in einer Phase des epochalen Umbruchs Freiheit, Frieden, Wohlstand und Sicherheit zu erhalten.“ Es brauche in den Koalitionsverhandlungen jetzt aber noch den dritten Baustein: „Die Einigung auf die Wirtschaftswende.“ Letztendlich sei das alles nur zu finanzieren, wenn man auf zwei Prozent Wachstum komme.
Ob das gelingt und es letztendlich zu einer handlungsfähigen Regierung kommt, wird sich die nächsten Tage zeigen. Albert Rupprecht

Wagner: „Auch die Superreichen zur Kasse bitten“
Die Regensburger Bundestagsabgeordnete Carolin Wagner (SPD) habe trotz einiger Bedenken mit „Ja“ gestimmt: „Der Änderung des Grundgesetzes habe ich im Bundestag zugestimmt, auch wenn mir die Regelungen am Ende nicht weit genug gehen.“ Es sei für sie nicht nachvollziehbar, warum die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben ab einer bestimmten Höhe aufgehoben werden soll, für den Rest des Haushaltes aber nicht. „Nach vorne bringen wir unser Land nur mit Investitionen in Digitalisierung, in der Bildung und mit Infrastrukturmitteln.“
Hier erhoffe sie sich in der kommenden Wahlperiode weitere Reformen, um sinnvoll in die Zukunft investieren zu können und den nächsten Generationen kein runter gewirtschaftetes Land übergeben zu müssen. „Wichtig ist mir dabei vor allem, dass wir die Einnahmenseite des Staates in den Blick nehmen“, betont Wagner.
Die Befürworter der Schuldenbremse müssen einmal erklären, wie ernst die Lage noch werden muss, bevor wir endlich die Superreichen und ihre absurd hohen Vermögen zur Kasse bitten. Carolin Wagner

Schmidt: Gewagter Wunsch an Söder
Der Regensburger Grünen-Abgeordnete Stefan Schmidt begrüßt die Mehrheit für „notwendige Ausgaben in Sicherheit und Verteidigung“, die längst überfällig gewesen sei. „Insofern ist das ein schöner Schlussakt des alten Bundestags.“ Eine Reform der Schuldenbremse und hohe Investitionsmöglichkeiten in Infrastruktur und Klimaschutz hätten sich durchgesetzt. „Ich freue mich über dringend notwendige finanzielle Spielräume, auch wenn ich mir das vor der Neuwahl erhofft hätte.“
Mit Erleichterung habe er besonders die zeitnahe Freigabe der Ukrainehilfen zur Kenntnis genommen. „Ein notwendiges und wichtiges Signal für ein zuverlässiges Europa.“ Mit leichter Ironie wage er sich dagegen kaum zu wünschen, „dass auch andere in Oppositionszeiten ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht werden, wie wir Grüne das heute getan haben“. „Props“ gehen raus an den Intimfeind der Grünen:
Ich wage kaum zu hoffen, dass Markus Söder endlich aufhört, die Parteien der demokratischen Mitte zu beschimpfen, statt den rechten Rand zu bekämpfen. Stefan Schmidt

Die Debatte zum Sonder-Schulden-Paket
In der heutigen Abstimmung stand die massive Aufweichung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse im Fokus, für die eine Zweidrittel-Mehrheit nötig war. Dafür kam der 20. Bundestag ein letztes Mal zusammen.
CDU/CSU und SPD hatten sich vorher auf zwei Sondervermögen verständigt – in Nachverhandlungen auch mit Zustimmung der Grünen:
- Verteidigung: mindestens 500 Milliarden Euro für Kriegstüchtigkeit, Zivilschutz und die Ukraine-Hilfe
- Infrastruktur: 500 Milliarden Euro für Straßen, Brücken und Schienen in den nächsten zwölf Jahren – davon 100 Milliarden Euro netto für Ausgaben zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045.
CDU-Chef Friedrich Merz und SPD-Chef Lars Klingbeil plädierten für das Paket, das der Sicherung von Wohlstand, Sicherheit und Frieden diene. FPD und AfD kritisierten „die teuerste Entscheidung aller Zeiten für Deutschland“. Der designierte Kanzler Merz warnte eindringlich vor einem möglichen „Angriffskrieg Putins gegen Europa“ – tatsächlich sei ein „täglicher Krieg auch gegen uns“ in Teilen schon Realität – in Form von Attentaten, Cyberattacken, Desinformation und Sabotageakten.
Aufgrund der unberechenbaren Trump-Administration sei eine schrittweise Unabhängigkeit von den USA im Verteidigungsfall nötig: Deutschland müsse die „Verteidigungsfähigkeit ganz neu aufbauen“, Europa brauche eine „eigenständige europäische Satellitenaufklärung“. Rüstungsaufträge sollten – Stichwort Abschaltung der F-35-Kampfjets durch die USA – „möglichst an europäische Firmen“ gehen. Die Instandsetzung der Bundeswehr sei „der erste Schritt für eine neue Verteidigungsgemeinschaft“.
Grünen-Chefin Franziska Brantner plädierte an Merz, seinen „Adenauer-Moment“ in der europäischen Einigung zu nutzen. Sie befürchte aber, die „KleiKo“ (Kleine Koalition) denke dafür zu kleingeistig. Die Union wolle „Steuergeschenke für Wenige, finanziert von vielen, die morgen die Zeche zahlen“. Man übernehme Verantwortung nicht nur beim Klimagesetz, sondern auch bei den Staatsschulden.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bedankte sich für die gute Zusammenarbeit mit der FDP. In künftigen Parlamenten müsse wieder ein Platz für sie sein. Allerdings: „Es ist etwas absurd, wenn sich die FDP jetzt als Gralshüter solider Haushalte aufspielt.“ Sie stehe ja mit für den ersten Bundeshaushalt der Geschichte in der Verantwortung, der vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden sei. Die Abstimmung sei nicht allen in der Union leichtgefallen. Jedoch: „Deutschland ist zur Stärke verpflichtet – und genau dieses Signal geben wir heute.“
Verteidigungsminister Boris Pistorius verteidigt das Aussetzen der Schuldenbremse mit dem Slogan: „Bedrohungslage steht vor Kassenlage“. Jedoch seien mehr Mittel nicht automatisch Blankoschecks.
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