Regensburg in der 3. Liga: Erst Jahn-Dusel, dann Saarbrückens Elfer-Glück

Saarbrücken. Der Jahn-Dusel ist aufgebraucht. In der ersten Halbzeit wackelt der Nimbus der besten Abwehr gewaltig, aber der 1. FC Saarbrücken bringt die Kugel nicht im Tor unter. Zum Schluss verspielt Regensburg zwei Führungen – auch wegen eines umstrittenen Handelfers.

Nach der zweiten Führung des SSV Jahn gegen den 1. FC Saarbrücken holt sich Joe Enochs seine Jungs zur Brust. Foto: jrh

Wo ist nur das berüchtigte Jahn-Pressing auf der Strecke geblieben? Man wusste doch, dass im Ludwigspark-Stadion vor 9000 Zuschauern mit dem 1. FC Saarbrücken der Pokalschreck auf die Oberpfälzer losgelassen wird, der den FC Bayern und Eintracht Frankfurt das Fürchten lehrte.

Und man darf davon ausgehen, dass Jahn-Trainer Joe Enochs seine Regensburger Jungs auf die gefährlichen Standards der Saarländer eingestellt hat: „Die Abwehr fängt beim Stürmer an“, hatte er vor dem Spiel erklärt, „und wie wir anlaufen, und wie wir sie frühzeitig unter Druck setzen, sodass sie gar nicht erst in unseren Strafraum kommen.“

Chancenwucher des FCS

Davon ist auf dem Platz in den ersten 45 Minuten wenig zu sehen. Im Gegenteil: Die Gastgeber haben alle Zeit der Welt, ihr Spiel aufzuziehen. Bei einigen Kombinationen kann man gut vorhersagen, wo der nächste Pass offensichtlich landen wird – allzu oft traben die Gäste nur freundlich mit. Die Konsequenz: Wenn Saarbrücken nach einer halben Stunde mit 3:0 führt, darf man sich nicht beschweren:

  • Marcel Gaus schickt Julius Biada links in den Strafraum, der legt zurück auf Kasim Rabihic, der die Kugel völlig unbedrängt aus zehn Metern links am Pfosten vorbeisetzt (5.).
  • Auch das hat man schon gesehen: Langer Einwurf, Kopfball-Verlängerung auf Biada, der pudelnackt aus fünf Metern abzieht, Torwart-Gott Felix Gebhardt reagiert wie Andi Wolf bei der Handball-WM und karatekickt den Ball mit dem linken Bein zur Ecke (13.).
  • Und noch eine Standardsituation verschlafen, vor der Enochs gewarnt hatte: Patrick Sontheimer schlenzt die Kugel aus rund zwölf Metern an den Pfosten (23.).
  • Einer geht noch: Biada darf fast von der Grundlinie ans andere Fünfer-Eck flanken, Calogero Rizzuto bekommt zu wenig Wucht und Kontrolle in seinen Kopfball, drüber (30.).
Stille im Stadion: Protest-Aktion gegen das Investorenmodell. Foto: jrh

Rasim Bulic brüllt das Team wach

Die Schlafmützigkeit der Jahn-Abwehr, zu der auch wiederholte Kerzen, zu kurze Kopfball-Klärungen konsequent zum Gegner, hüftsteife Abwehraktionen im Strafraum, bei denen unter anderen Florian Ballas umkurvt wird wie eine Slalomstange, bringt „aggressive Leader“ Rasim Bulic auf die Palme – mitten in der Zitterpartie für die Regensburger macht sich die Mittelfeldmaschine mit einem Urschrei Luft. Wenn man so weiter macht, ist der Nimbus von der besten Abwehr bald futsch.

Außer einigen Verlegenheitsschüssen aus der zweiten Reihe und ungenauen Flanken in die Box lässt der SSV nur einmal kurz vor der Pause aufhorchen: Christian Viet ist rechts im 16er durch, hat nur noch Ersatzkeeper Tim Paterok vor sich – und entscheidet sich für einen blinden Querpass in des Gegners Beine (44.).

Leitete das Spiel souverän: Schiedsrichterin Fabienne Michel. Foto: jrh

Pausenansprache mit Wirkung

Die Pausenansprache von Enochs scheint gefruchtet zu haben: Die Regensburger kommen stark verbessert aus der Kabine, wirken jetzt präsenter, galliger. Starker Ballgewinn von Louis Breunig im Mittelfeld, der mit einer Grätsche gerade noch die Konterchance vereitelt, Dominik Kother startet links in den Strafraum, legt quer auf Noah Ganaus, der nur noch die Fußspitze hinhalten kann, ehe der Ball von Tim Pateroks Fuß zurückspringt – den Abpraller nimmt Oscar Schönfelder aus zehn Metern überhastet volley und drischt ihn über die Latte (51.).

Der Jahn ist jetzt im Spiel: Die nächste Topchance für Schönfelder, Sontheimer wirft sich gerade noch in seinen Schuss aus nächster Nähe (55.). Beim dritten Anlauf klappt es für die Gäste: Breunig mit Maßflanke von links, der lange Ganaus steigt unübertroffen in die Höhe und platziert die Kugel im linken unteren Eck, 0:1 (70.). Kurz darauf kann das junge Talent mit dem Doppelpack den Sack zumachen, wird aber in letzter Sekunde geblockt (73.).

Verletzt sich bei der Kollision, die Elfmeter-verdächtig ist. Foto: jrh

Betteln um den Ausgleich

Anstatt das Momentum zu nutzen, wird der Jahn anschließend wieder passiver, zieht sich zurück, der Spielaufbau wird wieder schlampiger, Ballverluste im Mittelfeld laden Saarbrücken zur Schlussoffensive ein. Sontheimer darf unbedrängt auf Rabihic durchstecken, der setzt den Ball an den Innenpfosten (74.). Freistoß von rechts, Gebhardt faustet die Kugel Richtung 16er-Kante, Sontheimer drischt drauf, die Kugel bleibt an einem Regensburger Fuß kurz vor der Torlinie hängen (77.).

Es hat sich angebahnt: Noch ein fröhliches Scheibenschießen im Regensburger 16er, zuerst wieder eine starke Parade des Jahn-Keepers, dann ist ein rot-weißes Bein im Weg – aber schließlich fasst sich der gerade eingewechselte Simon Strehle ein Herz und ballert die Kugel ins Netz, das 1:1 (83.), um das die Gäste in dieser Phase gebettelt haben. Was nun? Ganz klar, die Saarbrückener wollen jetzt mehr: Langer Ball auf Biada, Gebhardt kommt etwas zu spät, aber früh genug, um die Saarbrückerer 11 zu irritieren, der die Kugel überhastet über die Latte zirkelt – die Kollision hat ein leichtes Elfer-Geschmäckle (85.).

Joe Enochs redet auf seine Jungs ein. Foto: jrh

Enochs: „Jungs, jetzt nicht wieder die Ordnung verlieren!“

Und was haben die Regensburger noch in petto? Ganaus holt sich den Ball im Mittelfeld, tänzelt wie weiland Muhammed Ali lasziv Richtung Strafraum, was bei dem großen, dünnen Jungen langsamer aussieht, als es ist, und schiebt die Kugel durch des Gegners Beine entgegen der Laufrichtung des FC-Keepers – unhaltbar abgefälscht, 1:2 (86.). Bezeichnend die Reaktion des Regensburger Trainers: Enochs stürmt in die Jubeltraube am Spielfeldrand und macht klar: „Jungs, jetzt nicht wieder die Ordnung verlieren!“

Und was soll man sagen? Eigentlich machen es die Oberpfälzer etwas besser als nach dem ersten Führungstreffer. Dieses Mal aber hat sie das Glück verlassen: Dem eingewechselten Jonas Bauer springt die Kugel beim Abwehrversuch an den Arm, die bisher souveräne Schiedsrichterin Fabienne Michel zeigt rasant auf den Punkt – eine insgesamt etwas fragwürdige Entscheidung, zumal Bauer auch etwas gestoßen wurde. Zusammengenommen mit der Gebhardt-Aktion zuvor vielleicht ausgleichende Gerechtigkeit? Rabihic lässt sich die zweite Hundertprozentige nicht mehr nehmen, und ballert das Ding hoch unter die Latte, 2:2 (90.).

Die restlichen nervösen vier Minuten verstreichen mit einigen kleinen Aufregern, weil die Konteransätze beider Teams im Keim ersticken. Zum Saison-Abschluss und gleichzeitigen Rückrundenstart darf der SSV Jahn seine famose Auswärtsserie am kommenden Dienstag, 19 Uhr, bei der SpVgg Unterhaching weiter ausbauen – dann geht’s in die verdiente Herbstmeister-Winterpause!

Der Elfer in der 90. Minute zum Ausgleich für Saarbrücken. Foto: jrh

Bitte die Wiederaufstiegschance nicht verblödeln: Hallo wach!

Resümee: Was der Jahn in der ersten Halbzeit angeboten hat, erinnert mehr an die vergangene und zu Recht vergessene Abstiegssaison als an die Mentalitätsmonster-Wiedergeburt in der Dritten Liga. Zum letzten Mal so richtig überzeugend und begeisternd spielte Regensburg beim berauschenden 4:2 in Ingolstadt – danach waren alle Spiele eng und die Siege demnach glücklich. Aufgepasst, zurück zu den Basics, die Joe Enochs beschwört, und wieder von der ersten bis zur letzten Minute pressen, bis den Gegnern die Füße rauchen!

Wenn der Herbstmeister nicht aufpasst, entgleitet ihm dieser wunderbare Vorsprung schneller, als die Mannschaft, das Trainerteam und die Fans glauben. Ich erinnere nur ungern an die Zweitliga-Saison mit 28 Punkten in der Hinrunde und den gerade noch verhinderten Abstieg mit 9 Punkten in der Rückrunde. Nicht, dass heuer der Abstieg drohen würde: Aber besser jetzt mal ein Hallo-wach-Moment, als bittere Tränen nach einer unvermutet verpassten Aufstiegschance, auf die andere Teams mit lockeren Geldbeuteln schon Jahre vergeblich hinarbeiten.

Saarbrückens Choreo vor dem Spiel. Foto: jrh

Stimmen zum Spiel

Jahn-Trainer Joe Enochs: „Es war ein sehr enges Spiel, natürlich können wir von Glück reden, dass wir in der ersten Halbzeit nicht hinten liegen.“ Zwei Standardsituationen und lange Einwürfe habe man nicht gut verteidigt. „Aber in der zweiten Halbzeit bin ich halt vollkommen zufrieden, wie die Jungs Gas gegeben haben, zweimal in Führung gegangen sind gegen eine richtig gute Mannschaft.“ Natürlich sei es extrem bitter, gegen Ende des Spiels durch eine schwierige Elfmetersituation zwei Punkte zu verlieren.

„Ich habe erstmal gesehen, dass unser Spieler gefoult worden ist.“ Er finde die Handregel extrem schwierig für den Schiedsrichter: „Aber sie hat es extrem gut gemacht heute über die gesamten 90 Minuten war sie sehr souverän.“ Nach der zweiten Führung habe er sich die Jungs beim Torjubel zur Brust genommen: „Wir wussten, dass Saarbrücken alles nach vorne werfen würde, wollten die Ordnung behalten, zweite Bälle einsammeln – größtenteils haben wir das gut gemacht.“ Bis zum Elfer: „Schade, aber wir nehmen den Punkt mit, wir wissen genau, wo wir herkommen und müssen weiter hart arbeiten, um jeden Punkt mitzunehmen.“

Doppelpacker Noah Ganaus: „Ja, ich glaube, in der ersten Halbzeit war es deutlich weniger von uns, in der zweiten war es sehr stark von uns.“ Der Trainer habe in der Pause nicht alles schlecht gefunden, aber die Dinge angesprochen, die man besser machen müsse. „Dann sind wir überragend aus der Halbzeit rausgekommen.“ Die Szene nach dem 2:1: „Nach dem Führungstreffer sind es noch 7, 8 Minuten, da ist das Spiel noch nicht gewonnen, da müssen wir wieder da sein.“

FC-Trainer Rüdiger Ziehl: „Wie wir zum wiederholten Mal wieder zurückkommen, ich glaube das ist top.“ Er habe zunächst ein „komisches Spiel“ gesehen, wegen der Anti-DFB-Aktion sei es zunächst leise gewesen im Stadion: „Das Spiel hatte nicht die maximale Intensität.“ In der ersten Halbzeit habe seine Mannschaft deutlich mehr Möglichkeiten gehabt: „Wir können mit 2:0 in die Pause gehen.“ Die zweite Halbzeit sei ausgeglichen gewesen, die letzten zehn Minuten brutal wild: „Wir haben 2:2 gespielt gegen den Tabellenführer, aber letztendlich ärgern wir uns.“

Elfer-Schütze Kasim Rabihic: „Wir haben sehr gut angefangen, eine super erste Halbzeit, wir hatten gute Chancen, ich eine hundertprozentige, dann der Pfostenschuss – sehr viele Chancen, wo wir 2:0 in Führung gehen können, und werden dann bestraft.“ In der zweiten Halbzeit habe es Regensburg besser gemacht: „Sie starten gut, machen viel Druck, kommen zum Tor, wir kommen zurück und am Ende ist es ein verdientes Unentschieden.“ Weil der FCS aber nach der ersten Halbzeit schon mit 2:0 führen hätte müssen, dennoch zu wenig für zu Hause.

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